Der Wind hat sich gedreht. Mit dem Machtwechsel hin zur CDU in Berlin dominieren auch bei der BW-Stallwächterparty die Promis der Union. Den Hoffnungsträger der CDU BW freut’s.

Für Winfried Kretschmann (77) beginnt jetzt – ob er will oder nicht – so langsam die Abschiedstour, die sich noch bis zur Landtagswahl im März ziehen wird. Am Donnerstagabend ist der grüne Ministerpräsident zum allerletzten Mal Gastgeber der Stallwächterparty, der traditionellen Sommersause der BW-Landesvertretung in Berlin mit etwa 1.800 Gästen, darunter zahlreiche Polit-Promis aus Bund und Baden-Württemberg.

Friedrich Merz: Kommt der Kanzler oder kommt er nicht?

Jahrelang empfängt Kretschmann immer wieder die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU), mit der er sich sehr gut versteht. Deren Nachfolger Olaf Scholz macht sich rar, aber zu dem SPD-Mann hatte Kretschmann eh nie einen Draht. Jetzt stellt sich also die Frage: Wird Kanzler Friedrich Merz (CDU) kommen, obwohl er kurz vorher noch in Rom bei der Ukraine-Wiederaufbaukonferenz war?

Empfang mit Blasmusik und VfB-Maskottchen

Tatsächlich: Um 19:20 Uhr fährt die Kanzler-Karawane vor der wuchtigen Landesvertretung am Rande des Tiergartens vor. Mit Kretschmann lauscht der 69-jährige Sauerländer am Eingang ein bisschen der Blasmusik, schüttelt dem VfB-Stuttgart-Maskottchen Fritzle die Pfote, um schließlich in den Garten zu den wartenden Ehrengästen zu eilen.

Hier sitzt man traditionell auf Bierbänken, es werden Maultaschen und Flammkuchen gereicht, auf der Bühne werden Grußworte gesprochen. Es ist ein großes Gewusel und Stimmengewirr. Aber alle Blicke richten sich in die Mitte auf die Kanzler-Bierbank. Wer sitzt neben wem, wer spricht mit wem?

CDU-Übermacht am Ehrentisch

Zuerst hockt Merz zwischen Gerlinde Kretschmann und BW-Innenminister Thomas Strobl (CDU), daneben NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Auf der Bank gegenüber sitzt der Hoffnungsträger der CDU Baden-Württemberg, Manuel Hagel, Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU), Kretschmann und – etwas weiter außen – der grüne Kandidat für das Ministerpräsidentenamt: Cem Özdemir. Er hat seine neue Lebensgefährtin Flavia Zaka mitgebracht.

Flavia Zaka, Friedrich Merz (CDU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Cem Özdemir (Grüne) bei der Stallwächterparty am Donnerstagabend.

Flavia Zaka, Friedrich Merz (CDU), Winfried Kretschmann (Grüne) und Cem Özdemir (Grüne) bei der Stallwächterparty am Donnerstagabend.

Merz und Wüst nehmen den jungen Hagel in die Mitte

Doch die CDU-Übermacht an diesem Tisch ist offensichtlich. Es dauert nicht lange, dann bekommt Hagel offensichtlich eine Regieanweisung: Prompt setzt er sich auf die andere Seite zwischen Merz und Wüst. Das Signal soll natürlich sein: Hier sitzen zwei Regierungschef und ein kommender. Der 49-jährige Wüst ist so etwas wie Hagels Vorbild.

Die Ampel-Zeiten, als noch mächtige grüne Bundesminister bei der Stallwächterparty die Stargäste waren, sind vorbei. Der frühere Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kommt später am Abend, es nehmen nur wenige Notiz davon.

Hagel händeschüttelt sich durch den Abend

Zwar ist die Kanzler-Audienz nach etwa 45 Minuten vorbei – Merz muss mit Wüst und Kretschmann zur Vorbesprechung für den Bundesrat am nächsten Tag – doch für den 37-jährigen Hagel ist das ein perfekter Abend. Andauernd schüttelt er Hände, strahlt für Selfies, geht an den Ständen der Aussteller vorbei, hält hier und dort ein Schwätzchen. Von CDU-Leuten und Wirtschaftsvertretern gibt es anerkennendes Schulterklopfen.

Das hat Gründe: Seit zwei Jahren liegt die CDU in Umfragen stabil über zehn Prozentpunkten vor den Grünen. Derzeit sieht es so aus, als könnte Hagel die 15 Jahre lange Durststrecke, in der die CDU mal nicht den Ministerpräsidenten stellte, überwinden.

Nur mit Merz‘ Schützenhilfe kann es für CDU BW klappen

Viel hängt an Merz und dem Bundestrend, das wissen sie auch in der CDU Baden-Württemberg. In den acht Monaten bis zur Landtagswahl kann noch viel passieren. Dass Merz die Schuldenbremse ausgehebelt hat und bei der Senkung der Stromsteuer sein Versprechen gebrochen hat, kommt bei der Wirtschaft in Baden-Württemberg nicht so richtig gut an. Bei den Grünen ist man gespannt, wie es wird, wenn sich Merz nach den Anfangswochen in der Außenpolitik nun stärker in die Innenpolitik einschaltet.

Özdemir muss Nerven behalten und hoffen

Für Cem Özdemir, früherer Bundesminister für Agrar und Bildung, heißt das: Nerven behalten und hoffen. Seine Aufgabe ist riesengroß: Der wertkonservative Kretschmann hat die Grünen in Baden-Württemberg vom Ergebnis her zur Volkspartei gemacht. Özdemir ist der einzige Grüne, dem seine Partei zutraut, das Amt des Ministerpräsidenten zu halten. Sein größter Vorteil: Özdemir ist deutlich bekannter als Hagel und erfahrener. An diesem Abend sitzt er am Kanzlertisch eher am Rand. Es ist halt eher ein CDU-Abend. Während Hagel noch stundenlang Hände schüttelt, ist Özdemir schon gegangen.