Dann folgte die Fahndung nach dem Nanoplastik. Dafür filterten die Forschenden zunächst alle Partikel größer als ein Mikrometer aus den Proben heraus. Dann trockneten und erhitzten das Übrigbleibende und analysierte seine Zusammensetzung mithilfe einer Kombination von Protonentransfer-Reaktions-Massenspektrometrie (PTR-MS) mit thermischer Desorption (TD). „Da jedes Polymer dabei einen eigenen chemischen Fingerabdruck erzeugt, lassen sich Identität und Konzentration sehr gut ermitteln“, erklärt Co-Erstautor Dušan Materić vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

ProbenstellenNanoplastik war an allen Probenstellen nachweisbar – vom europäischen Kontinentalschelf (grau) bis zum Nordatlantischen Strömungswirbel (NASG). © ten Hietbrink et al./ Nature,CC-by 4.0
Überall präsent

Tatsächlich wurde das Team fündig: Die Analysen wiesen in allen zwölf Messstellen Nanoplastik im Meerwasser des Nordatlantiks nach. Besonders hoch war die Konzentration im Oberflächenwasser und in den küstennahen Bereichen auf dem europäischen Kontinentalschelf. Dort enthielten die Proben im Schnitt 25 Milligramm pro Kubikmeter Meerwasser. „Dies liegt daran, dass das Nanoplastik zum einen aus der Atmosphäre auf die Meeresoberfläche gelangt und zum anderen, dass viel Plastik über die Mündungsbereiche von Flüssen eingetragen wird“, erklärt Materić.

Ein weiterer Schwerpunkt der Nanoplastik-Kontamination liegt im subtropischen Strömungswirbel des Nordatlantiks – einem Meeresgebiet, in dem sich auch besonders viel Mikro- und Makroplastik sammelt. Dort fand das Team in Wasser aus tausend Meter Tiefe eine fast doppelt so hohe Nanoplastikkonzentration wie außerhalb des Wirbels– im Schnitt rund 13,5 Milligramm pro Kubikmeter gegenüber 7,5 Milligramm außerhalb.

Zwei Plastiksorten fehlen – noch

Die Analysen zeigte auch, aus welchen Kunststoffen das marine Nanoplastik besteht. Wenig überraschend dominierten dabei Plastiksorten wie Polyethylenterephthalat (PET), Polystyrol (PS) und Polyvinylchlorid (PVC) – Kunststoffe, die auch in unserem Alltag häufig sind. Sie finden sich beispielsweise in Plastikflaschen, Verpackungsfolien oder Plastikgeschirr. PET-Nanopartikel waren sogar noch bis in 4500 Meter Tiefe nachweisbar.

Unerwartet war jedoch, dass einige häufige Plastiksorten fehlten: Ten Hietbrink und ihre Kollegen konnten an keiner Messstelle Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) nachweisen. Diese Kunststoffe werden beispielsweise in Müllsäcken und Plastiktüten verwendet. „Es gibt sehr viel PE/PP-Mikroplastik an der Meeresoberfläche, aber wir fanden keine Nanopartikel davon“, berichtet Materić.

Das bedeutet aber nicht, dass es dieses Nanoplastik im Ozean nicht gibt. Stattdessen vermuten die Forschenden, dass diese Kunststoff-Sorten beim Zerfallen molekular so stark verändert werden, dass ihre Analysemethode sie nicht mehr erkennt. Denkbar wäre auch, dass dieses Nanoplastik besonders stark an organische oder mineralische Partikel im Meerwasser bindet und dadurch in den Proben unentdeckt blieb, wie ten Hietbrink und ihre Kollegen erklären.
Nanoplastik-KonzentrationenMittlere Nanoplastik-Konzentrationen in verschiedenen Bereichen des Nordatlantiks. © ten Hietbrink et al./ Nature,CC-by 4.0

Mehr Nanoplastik als gesamter anderer Kunststoffmüll

Auf Basis ihrer Messdaten hat das Team hochgerechnet, wie viel Nanoplastik insgesamt im Nordatlantik vorhanden sein könnte. Das Ergebnis: Allein dieser Teil des Ozeans könnte rund 27 Millionen Tonnen Nanoplastik enthalten – das ist mehr als für Mikro- und Makroplastik im gesamten Atlantik geschätzt. „Eine schockierende Menge“, sagt Ten Hietbrink. Die Verschmutzung der Meere mit Plastik sei demnach gravierender als angenommen. Denn in früheren Schätzungen wurde Nanoplastik nicht berücksichtigt.

Jetzt zeigt sich: Nanoplastik könnte sogar den Löwenanteil der gesamten Plastikverschmutzung der Ozeane ausmachen. „Diese Schätzung legt nahe, dass mehr Plastik in Form von Nanoplastik in diesem Teil des Ozeans schwimmt als größere Mikro- oder Makroplastikteilchen im Atlantik oder sogar in allen Weltmeeren zusammen“, sagt Seniorautor Helge Niemann vom Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung.

Gefahr für die marine Lebenswelt?

Nach Ansicht des Forschungsteams ist das Ausmaß der Nanoplastik-Kontamination im Meer ein Grund zur Besorgnis. „Es ist bereits bekannt, dass Nanoplastik tief in unseren Körper eindringen kann. Sogar im Gehirngewebe wurde es nachgewiesen“, sagt Niemann. „Da wir nun wissen, dass diese Nanopartikel im Ozean allgegenwärtig sind, ist es auch offensichtlich, dass sie das gesamte Ökosystem durchdringen – von Bakterien und anderen Mikroorganismen bis hin zu Fischen und Top-Prädatoren wie uns Menschen.“

Welche Folgen dies für die marine Lebenswelt hat, muss nun erforscht werden. Gleichzeitig plädieren die Forschenden auch für eine effektivere Bekämpfung der Plastikflut: „Das Nanoplastik, das bereits im Meer ist, lässt sich nie wieder entfernen“, sagt Niemann. „Eine wichtige Botschaft unserer Studie ist daher: Wir müssen zumindest die weitere Verschmutzung unserer Umwelt mit Plastik verhindern.“ (Nature, 2025 ; doi: 10.1038/s41586-025-09218-1)

Quelle: Nature, Royal Netherlands Institute for Sea Research, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

 







10. Juli 2025

– Nadja Podbregar