Die CDU-Rathausfraktion hält den von Kämmerer Hendrik Schmehl (SPD) in der vergangenen Woche vorgestellten Etatentwurf für „keine seriöse Beratungsgrundlage“. Die größte Oppositionsfraktion in Wiesbaden wirft dem Linksbündnis und dem Kämmerer keine ernsthaften Konsolidierungsanstrengungen vor. Sie warnt: Nach dem Aufbrauchen der letzten, teils versteckten Rücklagen und dem Ausschöpfen aller Reserven stehe Wiesbaden vor dem finanziellen Abgrund. Eine prekäre Lage, mit der jede neue Mehrheit nach der Kommunalwahl im Frühjahr 2026 zurechtkommen müsse.
Ihre Strategie für die Etatberatungen will die CDU erst noch auf einer Klausurtagung festlegen. Die Vorsitzende der Rathausfraktion, Daniela Georgi, kündigte aber schon an, keinen umfassenden Gegenentwurf vorzulegen. Ein alternativer Etat sei noch nie die Aufgabe der Opposition gewesen. Es sei vielmehr die Pflicht der Mehrheit, einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. Die CDU werde aufzeigen, wo die Mängel und Fehler im Zahlenwerk lägen und wo Potential schlummere.
Georgi und der CDU-Haushaltsexperte Manuel Köhler haben kein Verständnis, dass Wiesbaden trotz kalkulierter Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer und verlässlich hoher Einnahmen bei der Einkommensteuer finanziell derart in der Klemme steckt. Für problematisch halten beide, dass Stadträte des Linksbündnisses für den ohnehin defizitären Haushalt weitere Ausgaben in Höhe von 171 Millionen Euro angemeldet haben. Hinzu komme der Wunsch nach 280 zusätzlichen Stellen, davon allein 160 im Sozialdezernat.
Pro-Kopf-Verschuldung steigt stark
In ihrer Kritik sieht sich die CDU auf der Linie der Kommunalaufsicht, die mit ihren Etatgenehmigungen mehrfach eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Ausgabeverhalten angemahnt hatte. Dass die Stadt innerhalb von sechs Jahren ihre Personalausgaben um 50 Prozent ausgeweitet hat, sieht auch die CDU als Kritikpunkt. Und sie verweist darauf, dass die Pro-Kopf-Verschuldung zwischen 2016 und 2023 um die Marke von 1200 Euro schwankte, 2026 nach dem Plan des Kämmerers aber auf 1863 Euro stark zulegen wird. Nach Ansicht der CDU hat der Kämmerer bei den Einnahmen optimistisch kalkuliert und bei den Ausgaben zu wenig auf die Bremse getreten. Ob sich Wiesbaden vom Trend wieder sinkender Gewerbesteuereinnahmen abkoppeln könne, sei keineswegs garantiert.
Mit der geplanten Abschöpfung von Gewinnen und Rücklagen aus städtischen Gesellschaften und Beteiligungen werde „das letzte Tafelsilber“ aktiviert. Wenn der Kämmerer in seiner Etatrede den Ministerpräsidenten mit dem Satz zitiere, die Kommunen seien unverschuldet in die Notlage geraten, dann treffe das auf das finanzstarke Wiesbaden nicht zu. Die Landeshauptstadt habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Allein der stetig wachsende Finanzbedarf des Sozialdezernats führe die Stadt an den Rand des Ruins. Auch der ehrgeizige „Klimaplan“ sei nicht finanziert.
Kritisch sieht die CDU, dass Kämmerer Hendrik Schmehl bei einem Etat mit einem Volumen von mehr als 1,8 Milliarden Euro ein Defizit von neun Millionen Euro ausgewiesen hat. Weil das durch eine Änderung von Einnahmeerwartungen leicht auszugleichen wäre, wertet die CDU dies als Spitze gegen das Land Hessen und als Botschaft, dass das Land die Kommunen im Stich lasse.
Wäre Wiesbaden ein Unternehmen, so die CDU, wäre der Tatbestand der Insolvenzverschleppung zu prüfen.
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