Der am 10. Juli in Kiew erschossene Agent des ukrainischen Sicherheitsdienstes SBU, Iwan Voronich, war nach Informationen der „New York Times“ eine Schlüsselfigur bei streng geheimen Operationen gegen Russland. Voronich, ein hochrangiger Offizier mit über 30 Jahren Erfahrung im Geheimdienst, leitete eine Spezialeinheit des SBU-Sondereinsatzzentrums „Alpha“, heißt es.

Unter seinem Kommando führte die Ukraine im August 2024 großangelegte Angriffe in der russischen Region Kursk durch. Die „New York Times“ beschreibt diese Operationen als einige der kühnsten Einsätze tief hinter feindlichen Linien seit Beginn des Kriegs.

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Voronichs Einheit soll der Zeitung zufolge auch hinter der gezielten Tötung des pro-russischen Separatistenführers Arsenij Pawlow – besser bekannt unter seinem Kampfnamen „Motorola“ – gesteckt haben. Die Operation wurde offenbar mit technischer Unterstützung der CIA durchgeführt.

Am Donnerstag teilten die ukrainischen Behörden mit, dass ein Offizier des SBU am helllichten Tag in der Hauptstadt Kiew erschossen wurde. Die Justiz habe Ermittlungen wegen des Mords im Kiewer Bezirk Holossijiw eingeleitet, erklärte der SBU gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Sicherheitsdienste und Polizei ergriffen „alle nötigen Maßnahmen, um die Umstände des Verbrechens zu klären und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen“, teilte der SBU weiter mit.

Die Polizei erklärte ihrerseits, am Tatort sei der Leichnam eines Mannes mit einer Schusswunde aufgefunden worden. Sie kündigte an, die Umstände des Vorfalls aufzudecken.

Auf Bildern einer Überwachungskamera, die auf ukrainischen Kanälen kursierten und sich nicht überprüfen ließen, war ein vermummter Mann zu sehen, der in der Nähe eines Parkplatzes auf einen Menschen zurennt und mehrfach mit einer Pistole auf ihn feuert. Anschließend flieht er.

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Sein Tod wird von ehemaligen Sicherheitsbeamten als „mögliche öffentliche Hinrichtung durch Russland“ gewertet. „Oberst Voronich war seit 2014 sehr aktiv an der Abwehr der russischen Aggression beteiligt“, sagte Iwan Bakanow, der in den ersten Kriegsmonaten Leiter des SBU war und Voronich persönlich kannte.

„Wenn es sich um ein Tötungsdelikt mit persönlichen Motiven handelt, ist das eine Sache. Aber wenn es sich um eine öffentliche Hinrichtung durch die Russen handelt, ist das eine völlig andere Dimension – eine, die sofortige Maßnahmen des SBU erfordert.“

Kreml-Anhänger begrüßen Ermordung

In Russland begrüßten mehrere Beobachter den mutmaßlichen Mord. „Das ist ein gutes Zeichen“, schrieb der Kriegsreporter Alexander Kots der russischen Zeitung „Komsomolskaja Prawda“. „Der Feind muss auf seinem eigenen Territorium Angst haben.“ Im der russischen Armee nahestehenden Telegram-Kanal Rybar war von „zahlreichen guten Gründen“ für eine Tötung des Agenten die Rede.

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Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine beschuldigen sich Moskau und Kiew gegenseitig des Mords an Politikern und Mitgliedern der Armee – sowie der Sabotage und Spionage. Angriffe am helllichten Tag wie der nun erfolgte mutmaßliche Mord an dem SBU-Agenten in Kiew sind allerdings selten. (Tsp/AFP)