Erstmals ist mit einem internationalen Gedenktag für die Opfer des Völkermords von Srebrenica im Bosnien-Krieg vor 30 Jahren erinnert worden. Internationale Gäste kamen zu einer zentralen Gedenkfeier nach Potocari in Bosnien-Herzegowina. Bei einer Gedenkdebatte im Bundestag lösten Redebeiträge von AfD-Abgeordneten einen Eklat aus.
Vor 30 Jahren, am 11. Juli 1995, hatten bosnisch-serbische Truppen mehr als 8000 Menschen getötet, in der Mehrzahl muslimische Männer und männliche Jugendliche. Internationale Gerichte haben die Episode im Bosnien-Krieg als Völkermord anerkannt. Sie gilt als das schlimmste Massaker in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
30. Jahrestag von Srebrenica
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Sofort nach dem Töten begann der Krieg um das Narrativ: Während die Angehörigen der Ermordeten trauern, reklamiert das Volk der Täter die Opferrolle für sich – und selbst Rechte in Europa missbrauchen den Genozid bis heute.
SZ PlusGastbeitrag von Dragan Popović (Text) und Armin Smailovic (Fotos)
Der Bundestag unterbrach die laufenden Haushaltsberatungen für eine Gedenkdebatte zu dem Völkermord. „Srebrenica war das schlimmste Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg“, sagte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) zum Auftakt.
Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf kritisierte die Einstufung des Kriegsverbrechens als Genozid und sagte, „die Serben erschossen dort Männer, verschonten grundsätzlich Frauen und Kinder“. Die Erinnerungskultur, die man dem ohnehin fragilen Staat Bosnien-Herzegowina von außen aufzwinge, trage nicht zur Besänftigung der Spannungen im Staat bei. Redner der anderen Fraktionen kritisierten die Aussagen scharf und warfen Wolf vor, den Völkermord zu leugnen.
Lautstarken Protest gab es auch, als der AfD-Abgeordnete Martin Sichert seine Rede vor allem für innenpolitische Themen nutzte, die der AfD wichtig sind. „Srebrenica mahnt uns, Multikulti zu beenden, bevor es zu spät ist“, behauptete er.
Außenminister Johann Wadephul (CDU) ergriff nach den AfD-Reden ungeplant das Wort. Der Bundestag diskutiere über den anerkannten Völkermord, sagte er auch an die Gäste auf der Tribüne gerichtet: „Und ich bedaure, dass wir den Opfern, den Angehörigen, insbesondere hier anwesenden und dem Herrn Botschafter, derartige Debatten zumuten“, fügte er hinzu.
Die Gedenkfeier in Bosnien und Herzegowina fand in Potocari im damaligen Hauptquartier der niederländischen Blauhelm-Truppen statt. Ihnen wird vorgeworfen, das Massaker nicht verhindert zu haben.
Tausende kamen im Dorf Potocari zusammen, um an die Massaker zu erinnern. Während der Zeremonie wurden die sterblichen Überreste weiterer Opfer beigesetzt. (Foto: Andrej Isakovic/afp)
Eine Opfervertreterin, die Präsidentin des Vereins Mütter von Srebrenica, Munira Subasic, wünschte denjenigen, die bei den UN gegen den Gedenktag gestimmt haben, sie mögen „weiterhin im Dunkeln leben“. Die UN-Vollversammlung hatte den internationalen Gedenktag im Mai 2024 beschlossen, unter anderem Serbien, China, Russland und Ungarn hatten dagegen gestimmt.
Anders als viele europäische Spitzenpolitiker nahm Serbiens Präsident Aleksandar Vučić nicht an der Gedenkfeier teil. Er kondolierte den Familien der bosniakischen Opfer auf der Plattform X und bezeichnete die Geschehnisse in seinem Post als „schreckliches Verbrechen“.