Der Energieversorger will den Menschen in vier Quartieren aktiv Anschlussangebote machen. An der Wärmeplanung der Stadt gibt es insgesamt erhebliche Kritik: diese sei zu unverbindlich.
Die EnBW als Betreiber des Fernwärmenetzes in Stuttgart möchte verstärkt um neue Kunden werben. In diesem Jahr soll es drei bis vier Veranstaltungen in verschiedenen Stadtvierteln geben, bei denen sich interessierte Eigentümer informieren können. Neben dem Energieversorger seien jeweils auch Vertreter der Stadt sowie Heizungsfachbetriebe vor Ort, so dass direkte Kontakte geknüpft werden könnten, betont Marc Jüdes, der Leiter des Bereiches Fernwärme bei der EnBW.
Bereits im März hat es einen solchen Infoabend in der Neckarvorstadt nahe des Rosensteinparks gegeben. In dem Viertel liegen bereits Fernwärmerohre, die EnBW kann sich aber auch vorstellen, das Netz in manche noch unerschlossene Straßen hinein zu verlängern, wenn sich mindestens die Hälfte der Haushalte für Fernwärme entschließen würde. Diese potenzielle Erweiterung betrifft etwa Teile der Hall- und der Haldenstraße. Im Frühjahr 2026 könnte die Wärmelieferung dort für neue Kunden beginnen. Es sei effektiver, wenn Bagger nur einmal anrücken müssten, begründete Jüdes diese Vertriebsoffensive.
Ein Anschluss an die Fernwärme kann teuer werden
Weitere Infoabende sollen folgen, wobei jeweils alle Eigentümer im Viertel persönlich angeschrieben werden. Um welche Quartiere es sich dann handelt, sagt Jüdes noch nicht. Insgesamt möchte die EnBW dabei mit den Eigentümern von rund 1000 Liegenschaften in Kontakt kommen. „Indem wir ganze Stadtquartiere gleichzeitig ansprechen, rechnen wir damit, dass sich die Zahl der realisierten Fernwärmeanschlüsse im Vergleich zur bisherigen gebäudeweisen Vorgehensweise deutlich vervielfacht“, sagt Jüdes. Ein klein wenig ändert die EnBW damit ihre bisherige Strategie. Bis jetzt hat der Energieversorger nur bei konkreten Anfragen ein Angebot unterbreitet, jetzt wird er selbst sehr aktiv.
Wie erfolgreich diese Offensive sein wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Denn für die Kunden gibt es eine Hürde: der Anschluss ans Fernwärmenetz ist oft teuer und aufwändig. Es muss eine Leitung von der Straße ins Haus verlegt werden. Es muss im Haus ein Wärmetauscher installiert werden. Und wenn bisher Gasetagenheizungen vorhanden sind, müssen im Haus auch neue Wasserleitungen vom Keller in die Wohnungen eingezogen werden.
Das lohnt sich für Einfamilienhäuser in der Regel nicht. Doch in den Quartieren, die die EnBW im Blick hat, stehen vor allem Mehrfamilienhäuser. Auch wenn die gesamten Kosten oft deutlich sechsstellig sind, kann sich ein Anschluss lohnen, wenn man die staatliche und städtische Förderung berücksichtigt und wenn sich viele Parteien in einem Haus die Kosten teilen können. Marc Jüdes ist mit der bisherigen Resonanz zufrieden: „Wir hatten schon eine signifikante Zahl individueller Vor-Ort-Begehungen.“
Grundsätzlich geht es bei dem Vorstoß der EnBW also um die Verdichtung des bestehenden Fernwärmenetzes, in geringem Umfang könnte es aber eben auch zu einem Ausbau kommen. In der Vergangenheit hatte der Energieversorger immer betont, dass es keine neuen Ausbaugebiete geben werde, solange der Streit mit der Stadt Stuttgart darüber andauere, wem das Netz gehöre. Marc Jüdes betont jetzt aber auch, das Netz sei in Stuttgart schon aus Gründen der Topografie weitgehend an seinen Grenzen angelangt. Aus technischen Gründen könnten die Leitungen nur bis auf eine Höhe von 300 Metern über Null verlegt werden.
In besagtem Streit liegt der Ball bei der Stadt, aber es tut sich seit anderthalb Jahren überraschend wenig. Denn eigentlich hatte der Bundesgerichtshof schon im Dezember 2023 letztinstanzlich geurteilt, dass die EnBW Eigentümerin des Netzes sei, dass aber die Stadt, in deren Grund und Boden die Leitungen liegen, ein Konzessionsverfahren durchführen könne mit dem Ziel, einen neuen Betreiber zu suchen. Im Frühjahr 2024 fasste der Gemeinderat den Beschluss, zuerst eine Markterkundung zu starten.
Das sei auch weiter das Ziel, sagte die Sprecherin der Stadt, Katharina Ronge, auf Anfrage. Es hätten zunächst Gespräche mit dem Bundeskartellamt geführt und Daten aufbereitet werden müssen, zudem habe ein Personalwechsel stattgefunden. Jetzt solle das Markterkundungsverfahren neu aufgesetzt werden: „Hier sollen die Zielvorstellungen der Stadt konkretisiert werden, eine rechtssichere Gestaltung ist dabei essenziell.“ In der zweiten Jahreshälfte will die Stadt ins formale Verfahren eintreten.
Insgesamt gibt es in Stuttgart an der bisherigen kommunalen Wärmeplanung erhebliche Kritik. Ein Umweltbündnis aus vier Verbänden, darunter BUND und Naturfreunde, aber auch Teile des Gemeinderates halten die bisherige Wärmeplanung der Stadt für viel zu wenig ambitioniert und für viel zu wenig konkret. Noch immer sei recht unklar, wann wo neue Nahwärmenetze entstünden, moniert Michael Jantzer, SPD-Gemeinderat und BUND-Kreisvorstand. Und man dürfe sich beim Ausbau nicht daran orientieren, was EnBW und Stadtwerke schaffen könnten, sondern müsse Wärmenetze dort ermöglichen, wo sie sinnvoll seien. Bei entsprechenden Konditionen würden sich sicherlich auch Drittfirmen finden lassen.
Eine starke Verdichtung des Fernwärmenetzes in der Innenstadt sei jedenfalls von größter Bedeutung für die Erreichung der Klimaziele, so Jantzer weiter. Bisher ist die Stuttgarter Fernwärme allerdings nur zu etwa einem Viertel klimaneutral. Die EnBW investiert laut Marc Jüdes eine Milliarde Euro, um in den Kraftwerken von Kohle auf Gas umzustellen. In Gaisburg war dies 2018 der Fall, in Münster geht die neue Anlage dieses Jahr noch in Betrieb, in Altbach 2026. Dadurch verringern sich die CO2-Emissionen bereits enorm. Wirklich klimaneutral wären die Kraftwerke aber erst, wenn in den 2030er Jahren wie geplant grüner Wasserstoff als Brennstoff eingesetzt werden könnte.