Am Freitag hat Halles Oberbürgermeister Dr. Alexander Vogt eine Bilanz über die ersten 100 Tage seiner Amtszeit gezogen. „Eine verdammt kurze Zeit“, wie er befand. Die Stadt sei schließlich nur eine Kommune und keine Landes- oder Bundesregierung, die im Schnellverfahren Gesetze ändern könne. Zu einzelnen Themen gibt es noch ausführlichere Artikel, die am Ende dieses Berichts verlinkt sind.

Vom Lehrer zum Oberbürgermeister

Spannend sei die Transformation vom Beruf des Lehrers hin zum Stadtoberhaupt gewesen. „Es war für mich erstmal irritierend, Oberbürgermeister genannt zu werden“, so Vogt. Die ersten Tage seien geprägt gewesen vom Aufbau eines schlagkräftigen Teams – was ihm nun gelungen sei. Bisher kannte man Vogt ja nur mit Hund. Sein Königspudel Henri war fast überall mit dabei. Als Oberbürgermeister gehe das nun nicht mehr. „Ich habe meinen Hund nur noch am Wochenende“, sagte Vogt. „Das ist natürlich auch eine große Veränderung für mich.“ Und auch der Hund sei manchmal irritiert.

Er habe das Glück, auf einen tollen und großen Freundeskreis zurückgreifen zu können. Dieser unterstütze ihn dabei, das Gleichgewicht zwischen Privatleben und Berufsleben zu finden. „Es ist natürlich viel Arbeit. Ich habe in den ersten 100 Tagen der Amtszeit sechs Tage frei gehabt.“ Deshalb freue er sich darauf, nächste Woche in den Urlaub zu fahren.

Bürgernähe durch Feuerwehrbesuche

Am 100. Tag – am vergangenen Freitag – war er zu Gast bei der Freiwilligen Feuerwehr in Dölau. Dort hat er gemeinsam mit den Kameraden gekocht. „Ich koche gerne, aber habe dafür keine Zeit mehr. So kann ich das wunderbar kombinieren.“ Natürlich dienen diese Kochaktionen – Vogt besucht jeden Monat eine andere Feuerwehr – auch dem direkten Austausch, um zu erfahren, wo der Schuh drückt. „Als bürgernaher Oberbürgermeister heißt es auch, rauszugehen.“ Deshalb wolle er die Kochaktion künftig auch mit anderen Vereinen fortführen.

Der Abschluss des 100. Tages war dann ganz emotional für ihn als Hallenser. Denn die Burg Giebichenstein wurde abends wieder angestrahlt. Hier dankte er der Kulturdezernentin Judith Marquardt, die dies in kurzer Zeit möglich gemacht habe. Nun werde die älteste Burg an der Saale wieder würdig beleuchtet. „Das ist ein Zeichen an unsere Bevölkerung: Wir sind stolz auf unsere Stadt.“

Haushaltslage bleibt angespannt

Natürlich ging Vogt auch auf die Haushaltslage ein. Gleich am ersten Tag seiner Amtszeit hatte er eine Haushaltssperre eingeführt, um sich einen Überblick zu verschaffen. Diese wurde zwar zwischendurch gelockert, aber inzwischen wieder verschärft. „Grundsätzlich muss man sagen, dass es allen Kommunen so geht“, sagte Vogt mit Blick auf die finanzielle Situation.

Die Bundespolitik sei gefordert, angesichts der Finanzierungslücke von 25 Milliarden Euro bei den Kommunen deutschlandweit zu reagieren. „Wir haben Verpflichtungen per Gesetz von Bund und Land, die unsere Einnahmen übersteigen“, kritisierte Vogt ein strukturelles Defizit. Es sei rein mathematisch nicht möglich, hier herauszukommen.

Eine Möglichkeit, Geld zu sparen, sieht er im Laternenfest. Hier verlangt Vogt künftig, dass sich Akteure, die bereits für andere Projekte Geld von der Stadt erhalten, kostenfrei auf dem Fest mit Angeboten präsentieren. Es gebe auch schon Ideen für das kommende Jahr, wie man das Fest gestalten könne, ohne dass die Kosten steigen – möglicherweise könnten sie sogar sinken.

Trotz der finanziellen Herausforderungen sieht Vogt Halle im bundesweiten Vergleich nicht schlecht aufgestellt, insbesondere aufgrund des hohen Anteils an kommunalem Wohnraum und der wirtschaftlich stabilen Stadtwerke – als Vorreiter der Energie- und Wärmewende.

Zensus-Streit und finanzielle Folgen

Ein weiteres zentrales Thema in den ersten hundert Tagen war der Einwohnerschwund infolge des Zensus. Die Stadt hat dagegen Klage eingereicht. Nun will Vogt gemeinsam mit anderen Kommunen Druck auf den Landtag ausüben, um die Bemessungsgrundlage für das Finanzausgleichsgesetz (FAG) vom Zensus hin zum Melderegister zu ändern.

Dazu solle eine Strategie entwickelt werden, um Landtagsabgeordnete für das Thema zu sensibilisieren. Denn immerhin droht Halle ein Verlust von 11 Millionen Euro. Für dieses Jahr wurde beim Land ein entsprechender Antrag gestellt, um Mittel aus dem Härtefallfonds zu erhalten.

Vernetzung auf europäischer Ebene

Vogt geht viel auf Reisen. Beispielhaft ist sein Besuch in Brüssel. Für Kommunen sei ein guter Kontakt zur EU wichtig, etwa in Bezug auf Fördermittel. Die Vernetzung sei aber nicht nur finanziell bedeutend, sondern auch, um von anderen Kommunen zu lernen, was diese vielleicht anders und besser machen.

Demnächst will Vogt auch mit den Stadträten nach Brüssel reisen, um ihnen den Mehrwert einer guten EU-Vernetzung zu zeigen. In Hannover nahm Vogt am Deutschen Städtetag teil. Dort erhielt er durch den Austausch mit anderen Bürgermeistern „Best Practice“-Beispiele aus erster Hand, etwa zur Verpackungssteuer – eine Maßnahme, die Vogt im Rahmen der Haushaltskonsolidierung vorschlagen möchte. Die Linke hatte diesen Vorschlag zuvor bereits in den Stadtrat eingebracht.

Im Urlaub wird er privat in Freiburg im Breisgau Halt machen und sich mit dem dortigen Oberbürgermeister treffen, um sich über den Umbau zur klimaresilienten Stadt auszutauschen. Freiburg gilt hier deutschlandweit als Musterbeispiel.

Halle als Teil der Metropolregion

Vogt schaut auch nach Leipzig, mit dem Halle eine Metropolregion bildet und sich dadurch gegenüber Magdeburg im Vorteil sieht. Auch der Flughafen spiele dabei eine wichtige Rolle. Diesen wolle er stärker in den Fokus rücken, etwa durch ein Treffen mit dem CEO von Turkish Airlines. Ebenso wolle er für lokale Feste werben. „Warum fliegt denn Ryanair im Winter von London nach Köln zum Weihnachtsmarkt?“ Genau das wünsche er sich auch für Halle. „Wir müssen unsere Weihnachtsmärkte besser verkaufen.“

Wirtschaftsförderung und Gewerbeflächen

Der Austausch mit der Wirtschaft sei ihm sehr wichtig, so Vogt. Besonders kümmere man sich um die Bestandspflege. Die Leiterin des Fachbereichs Wirtschaft, Sabine Odparlick, sei in den Stadtteilen unterwegs. „Wir waren kürzlich im Star Park“, so Vogt. Dort habe man sich beispielsweise mit Vertretern von Schaeffler getroffen, um zu hören, wo es Probleme gibt und wie die Verwaltung noch serviceorientierter werden kann.

Auch die Entwicklung von Gewerbegebieten auf dem Gebiet der Stadt Halle will Vogt vorantreiben. Die Nachfrage nach Gewerbeflächen übersteige das Angebot. Ursprünglich war ein gemeinsames Projekt mit dem Saalekreis geplant: der „Star Park 2“. Aufgrund von Widerständen im Saalekreis hält Vogt dieses Vorhaben jedoch für gescheitert. Auch für die geplante JVA in Tornau will er sich stark machen, um die Arbeitsplätze in Halle zu sichern.

Innenstadtbelebung und Verkehr

Bei der Belebung der Innenstadt konnte Vogt in den ersten hundert Tagen bereits kleine Impulse setzen. So wurden am Ratshof wieder Blumenkästen angebracht, ein Popup-Café eröffnet. Er wolle die Einzäunung des Händel-Denkmals vorantreiben und den Markt als „größtes und grünstes Wohnzimmer Deutschlands“ vermarkten. „Innenstadtbelebung geht nur durch einen attraktiven Marktplatz“, so Vogt. Mehr Veranstaltungen seien vorgesehen. Auch durch eine Konzentration bei den Verwaltungsstandorten solle die Frequenz auf dem Marktplatz erhöht werden.

Wichtig für die Attraktivität der Innenstadt sei auch das Thema Verkehr. Als erste Maßnahme plant Vogt ein Durchfahrtsverbot in der Kleinen Ulrichstraße, um die Sicherheit in der Kneipenmeile zu erhöhen. Mittelfristig könne er sich auch ein unterirdisches Parkhaus vorstellen. Oberirdische Stellflächen würden dann reduziert und für Begrünung oder Radwege genutzt.

Kaufhof-Gebäude, Schlaglöcher und Mängelportal

Natürlich spielen auch die beiden ehemaligen Kaufhof-Gebäude eine Rolle. „Hier sind wir bereits in Gesprächen mit beiden Eigentümern.“ Als Ankermieter werde in einem Bau „Intersport“ fungieren. Auch zwei Systemgastronomien sollen entstehen – darunter ein Italiener, der bereits im kommenden Jahr eröffnen soll.

Schlaglöcher sind in Halle weiterhin ein Thema. Viele große und markante Krater wurden inzwischen beseitigt. „Mir bestätigen die Bürger auf der Straße, dass wir hier gut vorankommen“, so Vogt. Eine wichtige Rolle spiele auch das städtische Mängelportal „Sag’s uns einfach“, über das Hallenser seit Jahren Probleme – etwa Schlaglöcher – per Foto melden können. Dieses Angebot werde rege genutzt.

Clubkultur und Freiräume stärken

Einen Runden Tisch „Clubkultur und Freiräume“ will Vogt ins Leben rufen, um auch junge Leute stärker einzubinden. Mögliche Plätze und Räumlichkeiten sollen „großzügig geprüft“ werden. Vogt zeigt sich hier sehr zuversichtlich. Besonders geeignet sei das RAW-Gelände für die Clubszene. Auch das Thema Lautstärke (Dezibel-Werte) solle neu betrachtet werden. „Wir müssen als Kommune Halle, was Clubkultur angeht, attraktiver werden als Leipzig.“ Dort würden Freiräume schrumpfen und Mieten steigen.

Klimaschutz und Klimaresilienz

Gerade für junge Menschen sei das Thema Klima wichtig. „Wir müssen die Klimaresilienz erhöhen“, so Vogt. Begrünung des Marktplatzes oder Photovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden seien Beispiele. Ziel sei es, die Erhitzung der Stadt auf einem erträglichen Maß zu halten. „Denn Klimawandel bedeutet auch eine höhere Sterberate. Und wir haben die Verantwortung, Menschenleben zu retten.“

Bürgerkontakt, Digitalisierung und Verwaltung

Im Bereich Bürgerkontakt sei Social Media ein wichtiges Instrument. Die Stadt plane eine Überarbeitung ihrer Online-Kanäle, um besser zu zeigen, was in Halle umgesetzt wird – und warum manche Projekte nicht realisiert werden können. „Die Stadt macht viel mehr, als die Bevölkerung sieht.“

Auch die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat sei Vogt wichtig. Er telefoniere regelmäßig mit den Fraktionsvorsitzenden. Inzwischen gebe es wieder regelmäßige Runden mit diesen – nachdem Vogt diese zunächst abgeschafft und nach Kritik wieder eingeführt hatte. Auch die Haushaltskonsolidierung werde in engem Austausch mit dem Stadtrat erfolgen.

Geprüft werden solle außerdem eine Konzentration und Reduzierung der Verwaltungsstandorte. Ebenso wolle Vogt durch Digitalisierung die Verwaltung schlanker und effizienter gestalten. Akteure, die bereits Fördermittel für andere Projekte erhalten, sollen künftig keine zusätzlichen Mittel für ihren Auftritt beim Laternenfest bekommen – eine weitere Maßnahme zur Kosteneindämmung.