Der Konflikt um die immens steigenden Sozialausgaben in Berlin hat eine neue Dimension erreicht. Im Bezirk Lichtenberg hat Bürgermeister Martin Schaefer (CDU) eine Haushaltssperre für das von Bezirksstadträtin Camilla Schuler (Linke) geleitete Jugendamt verhängt. Ein entsprechendes Schreiben vom 13. März liegt dem Tagesspiegel vor.

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Folge der Haushaltssperre ist unter anderem, dass freie Stellen in dem Amt nicht mehr nachbesetzt werden können. Ausgaben im Bereich der Jugendhilfe dürfen laut Schuler zudem nur noch bewilligt werden, wenn sie unabweisbar notwendig sind. „Das Jugendamt ist beauftragt, titelkonkret die jeweilige erwartbare Einsparsumme zu benennen und dem Finanzservice zu übermitteln“, heißt es in dem von Schaefer unterschriebenem Schreiben. „Diese Anteile gelten als gesperrt.“

Als Grund nennt Schaefer die Prognose bei den Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfe. Unter ersterem fallen eine Reihe von Maßnahmen in familiären Konfliktfällen, von Beratungsangeboten über therapeutische Hilfe bis zu einer stationären Aufnahme von Kindern. Die Eingliederungshilfe soll Menschen mit Beeinträchtigungen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

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Für den Bereich des Jugendamts wurden dem Bezirk im laufenden Jahr 76,5 Millionen Euro vom Senat zur Verfügung gestellt. Schreibt man die bisherigen Zahlungen fort, lande man hingegen bei rund 83,2 Millionen Euro, argumentiert Schaefer. Dies gleiche der Bezirk durch Rücklagen aus. Ein weiterer Anstieg der Kosten müsse jedoch verhindert werden, sagte Schaefer dem Tagesspiegel. Der Bezirke bekommt einen Teil der Mehrausgaben vom Senat erstattet, den Rest muss er selbst finanzieren. Über die Aufteilung der Mehrkosten zwischen Land und Bezirken gibt es seit Jahren Streit.

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Jugendstadträtin: „Uns wird die Pistole auf die Brust gesetzt“

Betroffene haben einen Rechtsanspruch auf die Sozialleistungen. Die Sachbearbeiter haben innerhalb der gesetzlichen Vorgaben jedoch einen gewissen Spielraum, wie umfangreich die Leistungen sind, die sie gewähren. Die Haushaltssperre führt dazu, dass die Bewilligung restriktiv erfolgen muss, sagte Schuler dem Tagesspiegel.

Das Problem steigender Sozialausgaben betrifft nicht nur Lichtenberg. Im vergangenen Jahr hat der Senat berlinweit 75,1 Millionen Euro zusätzlich an die Bezirke allein für die Hilfen zur Erziehung gezahlt. Auch Haushaltssperren gibt es in den Bezirken immer mal wieder. In der Regel betreffen sie jedoch das ganze Bezirksamt. Im Schreiben von Schaefer heißt es: „Mit vorgenannter allgemeiner Haushaltssperre wird sichergestellt, dass das Jugendamt gem. Verursacherprinzip den ihr möglichen Anteil erbringt.“

Jugendstadträtin Schuler kritisiert das Vorgehen ihres Bezirksamtskollegen. „Die Haushaltssperre für das Jugendamt kam für uns völlig überraschend“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Das ist ein massiver Druck, uns wird die Pistole auf die Brust gesetzt.“ Erste Mitarbeitende hätten das Jugendamt bereits verlassen.

Ihren Angaben zufolge befinden sich aktuell rund 200 junge Erwachsene, die als Minderjährige in die Obhut des Bezirks genommen wurden, in der bezirklich finanzierten Unterbringung. Wegen fehlender Wohnungen würden die Plätze dauerhaft belegt, allein im laufenden Jahr sollen 75 Jugendliche hinzukommen. Ohne die Hilfe des Bezirks drohe den Betroffenen die Obdachlosigkeit, mahnt Schuler und warnt vor dramatischen Konsequenzen.

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Bezirksbürgermeister Schaefer sieht das anders. „Es wird keinen Kindesschutzfall geben, den wir nicht bearbeiten“, sagte er dem Tagesspiegel. Die Sperre betreffe nach seiner Darstellung insbesondere freiwillige Maßnahmen des Bezirks wie die Jugendberufsförderung oder Zuschüsse zu Klassenfahrten. Schaefer betonte, dass auch andere Titel im Bezirkshaushalt gesperrt seien. Die Maßnahme sei „nicht ungewöhnlich“.