Heute Nachmittag fand in Nordhausen der erste CSD statt, der Christopher Street Day. Am Umzug der LGBTQ Szene nahmen über 200 Menschen teil, der Gegenprotest hielt sich in überschaubaren Grenzen
1. Christopher Street Day in Nordhausen (Foto: agl)
Der Christopher Street Day hat eine lange Geschichte, die Anfänge liegen in den 1970er Jahren in New York und einer Ära, in der Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle sowie andere, an den gesellschaftlichen Rand gedrückte Gruppen offen gegen Homophobie, Diskriminierung und polizeiliche Willkür auf die Straßen gingen. Der erste deutsche CSD datiert auf das Jahr 1972 und fand in Münster statt, damals noch unter anderem Titel. Im kleinen Nordhausen hat es bis zum 12. Juli 2025 gedauert, ehe auch hier Flagge gezeigt wurde.
Die Zeiten freilich, sind andere. Der Schwulenparagraph, der widernatürliche Unzucht [ ] zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte wurde 1994 abgeschafft, die gleichgeschlechtliche Ehe ist in Deutschland seit 2017 möglich. Menschen, die ihr Leben und ihr Lieben anders ausleben, als es die kulturell gewachsene, meist christliche Norm vorsieht, genießen auf dem Papier heute weitestgehend die gleichen Rechte wie alle.
Das sich mancher immer noch am Anderen reibt, dafür reicht ein Blick in die sozialen Medien, die Kommentarspalten oder auch nur in die Nachrichten. Da will ein Innenminister aus Bayern gerne ein Melderegister aufbauen, in dem auch Transsexuelle gelistet werden sollen, die Regenbogenfahne wird in Berlin zum Politikum und Stimmung machen gegen LGBTQ bringt Aufregung, Klicks und Wählerstimmen.
Auf dem Bahnhofsplatz kamen laut Veranstalter rund 250 Menschen zusammen (Foto: agl)
Die zum Teil feindlichen und hasserfüllten Reaktionen, die man auch auf die Ankündigung des ersten Nordhäuser CSD bekommen habe, zeigten das Aktivismus weiter nötig sei, sagt einer der Organisatoren heute Nachmittag auf dem Bahnhofsplatz. In den 1970er und 80er Jahren seien die Vorkämpfer von damals unter schwersten Bedingungen aus den Schatten getreten, heute müsse man dafür kämpfen, dass man nicht in den Schatten der Gesellschaft zurückgedrängt werde. In Zeiten in denen Homophobie und Transphobie wieder in Mode kämen, sei es umso wichtiger, sichtbar zu bleiben. Der Zuspruch in Nordhausen mache Mut, auch Abseits der Metropolen sei man nicht allein, hieß es auf dem Bahnhofsplatz.
Laut Veranstalter kamen rund 250 Personen hier zusammen, bei der Ordnungsbehörde geht man von rund 170 Teilnehmern aus. Durchaus ein Achtungserfolg für den ersten Nordhäuser CSD, denn die Selbstorganisation steckt noch in den Kinderschuhen. Knapp 50 Leute aus Nordhausen und der Umgebung treffen sich regelmäßig, um über queere Themen zu sprechen und nun auch, um den Umzug zu planen. Lob für die Organisation kam auch von außerhalb, die Zusammenarbeit mit den Behörden haben sehr gut funktioniert, meint der zuständige Amtsleiter und Beigeordnete im Landratsamt Dirk Schimm am Rande.
Mit dem deutschen Quer hat der Begriff Queer im übrigen eher weniger zu tun. Das Wort kommt aus dem Englischen und war ursprünglich schlicht ein anderer Ausdruck für schwul. Auch die Abkürzung LGBTQ stammt aus dem angelsächsischen und steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer. Heute dient queer als Sammelbegriff für alle sexuellen Orientierungen Abseits der Heterosexualität und Geschlechteridentitäten, die nicht in das Mann/Frau Raster fallen.
Das sind auch hierzulande nicht wenige Menschen und die sollten, wie es schon der Alte Fritz – bekanntermaßen selber und unter manchem Leid den Männern zugetan – so treffend formulierte, nach ihrer Fasson selig werden können. Und das ohne Drangsal und Diskriminierung, heute und in Zukunft. Auch dazu darf der erste Umzug in Nordhausen als positives Signal betrachtet werden: der Gegenprotest hielt sich in Grenzen. Rund 15 Personen kamen zum Anit-CSD gegenüber des Zuges an der Rautenstraße zusammen und brachten außer Stinkefinger und ein paar rüden Worten gegen die Fotografen nicht viel zu Stande.
Angelo Glashagel