Der Vergabe der Michelin-Sterne im Juni hat das Küchenteam im Hirsch in Fellbach-Schmiden (Rems-Murr-Kreis) mit einem durchaus bangen Blick entgegen gesehen. Nicht, weil Michael Oettinger und seiner Crew plötzlich Zweifel an der eigenen kulinarischen Kreativität gekommen wären. Sondern, weil allgemein bekannt ist, dass die Tester des renommierten Restaurantführers neben Finesse auf dem Teller vor allem Verlässlichkeit schätzen.

Die gastronomische Empfehlungsliste des französischen Reifenherstellers sollte übers Land fahrenden Touristen schließlich zuverlässig den Weg zu besonders guten Adressen weisen. Vor diesem Hintergrund wird bei dem bereits im Jahr 1900 aus der Taufe gehobenen Guide sehr geschätzt, wenn in den in Wort und Bild beschriebenen Lokalen eine ausgesprochen hohe Kontinuität herrscht.

Qualität und Verlässlichkeit sind Pflicht – und die Michelin-Tester nachtragend

Dass Reisende vor verschlossener Tür stehen könnten, weil ein Restaurant seine Öffnungszeiten geändert hat, gilt auch im digitalen Zeitalter als ebenso unverzeihlicher Fauxpas wie Abstriche am kulinarischen Konzept. Wer im Guide Michelin einen Stern trägt, hat auch die ausgezeichnete Qualität zu liefern – ein Punkt, in dem die verdeckt arbeitenden Prüfer als spaßbefreit und überaus nachtragend gelten.

Insofern haben Sternekoch Michael Oettinger und sein für den Hotelbetrieb verantwortlicher Bruder Martin durchaus sorgenvolle Wochen hinter sich. Denn quasi mit Drucklegung des als klarer Meinungsführer in der Gastro-Branche geltenden Restaurantführers musste der Hirsch in Schmiden gleich zwei Personalwechsel auf zentralen Posten verkraften – nebst einer unfreiwilligen Schließzeit von gut zwei Wochen.

Küchenchef-Wechsel im Hirsch:Kay Lurz verlässt Schmiden

Denn das fast zwei Jahre lang erfolgreich laufende Experiment mit dem als Küchenchef geholten Kay Lurz muss als gescheitert betrachtet werden. Der 36-jährige Franke, im September 2023 gekommen, als innovativer Kopf bekannt und kulinarisch mit einer Portion Wagemut ausgestattet, hat den Herd im Hirschen schon wieder verlassen. Ende April quittierte Lurz den Dienst in Schmiden – dem Vernehmen nach nicht im Streit, sondern im beiderseitigen Einvernehmen.

Weil die Chemie mit dem als Nachfolger auserkorenen Küchenchef nicht hundertprozentig stimmte, steht Michael Oettinger jetzt wieder selbst am Herd. Dass er sein Handwerk versteht und als Jahrgang 1979 auch noch nicht zum alten Eisen gehört, ist keine Frage. Doch der Vater von drei Kindern wollte beruflich eigentlich etwas kürzer treten und nicht mehr als Küchenchef im Rampenlicht stehen. „Ich will auch mal auf eine Schulvorführung gehen oder mich für einen Elternabend loseisen können“, sagte er vor knapp zwei Jahren als Erklärung.

Geschadet hat die Kehrtwende in der Küche übrigens nicht: Der Hirsch in Schmiden trägt auch weiterhin seinen Michelin-Stern, übrigens als einzige Adresse in der einst mit gleich drei Sterneköchen gesegneten Stadt unterm Kappelberg. Weil Michael Oettinger in der Küche wieder Regie führt, gibt es im Restaurant ebenfalls eine personelle Änderung. Als Lokalleiter gekommen ist der Sommelier Jonas Erhardt, der zuletzt im Restaurant & Bar 993 in Hannover sowie im Hotel Hohenhaus tätig war. Begonnen hatte seine Ausbildung übrigens 2010 im Lamm in Hebsack, zu den Stationen seiner Karriere zählen unter anderem das Colombi in Freiburg und das Restaurant Lea Linster in Frisange.