Das bisschen Regen hält den Rave nicht auf: Die Techno-Parade „Rave the Planet“ lockte schon in der ersten Stunde tausende Besucherinnen und Besucher auf die Straße des 17. Juni; trotz kurzem Schauer und wolkenverhangenem Himmel.
290 Künstler auf 35 Wagen haben die Straße zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule ab Samstagnachmittag in eine Tanzfläche verwandelt. Gekommen sind Techno-Fans aller Generationen: von gestandenen Raver:innen, die noch die alte Loveparade miterlebt haben bis zu jungen Menschen auf ihrem vielleicht ersten wirklich großen Rave.
Die Veranstalter zeigten sich am Nachmittag zufrieden: Aufgrund des Wetters seien erwartungsgemäß weniger Menschen gekommen, sagte der Geschäftsführer von „Rave The Planet“, Timm Zeiss. Eine sechsstellige Besucherzahl sei gleichwohl erreicht.
Die Polizei meldete am Abend einzelne Festnahmen vor allem wegen Körperverletzungen. Fliegende Händler, die unerlaubt Getränke verkauften, wurden mit Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeit belegt. „Achten Sie bitte, vor allem bei der nun einsetzenden Dämmerung, aufeinander und auch auf Ihre Taschen“, riet sie in sozialen Netzwerken. Sie zählte bis zum späten Abend etwa 100.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Tausende Menschen tanzen am Sonnabend rund um die Siegessäule.
© dpa/Annette Riedl
Die erwarteten 300.000 Teilnehmenden kamen am frühen Nachmittag also noch nicht zusammen, vor allem im hinteren Teil der Parade war noch viel Platz. Die Musik bisher: düster, stampfend, energiegeladen, als wollten die DJs den Regenwolken trotzen.
Der Regen konnte den Teilnehmenden offenbar nichts anhaben.
© dpa/Annette Riedl
Die tanzende Menge soll sich im Tiergarten auf der Straße des 17. Juni zwischen dem Brandenburger Tor und Siegessäule auf den Spuren der Loveparade von Dr. Motte bewegen. Laut Veranstalter sind mehr als 50 Reden sind geplant.
Ausgerüstet mit Schirm: ein Teilnehmer der „Rave the Planet“-Demo.
© AFP/TOBIAS SCHWARZ
Zeitweise gestaltete sich die Anreise zum Rave allerdings schwierig: Der S- und U-Bahnhof Brandenburger Tor und der U-Bahnhof Bundestag sind aus Sicherheitsgründen geschlossen. Und: Am Anhalter Bahnhof war ein Stellwerk kaputt. Alle S-Bahnen, die aus dem Süden kamen, fuhren verspätet oder gar nicht. Eine Folge waren genervte Gesichter vieler Raverinnen und Raver an der Yorckstraße. Sie wollten eigentlich mit der S-Bahn nach Mitte.
Für Tina sind Leipzigs Techno-Fans zu spießig. Deshalb kommt sie gern nach Berlin.
© Tsp / Dominik Lenze
Für Tina aus Leipzig ist „Rave the Planet“ ein alljährliches Event: „Ich lieb’s hier: Keiner ist verklemmt, keiner bepöbelt dich“, freut sie sich. Wie in jedem Jahr hat sie sich ihr Rave-Paradiesvogel-Outfit selbst gebastelt: „Alles selbst genäht und gelötet“, sagt sie. Leipzig ist zwar auch als Anlaufpunkt für gute Technoparties bekannt, doch Tina reicht das nicht: „Die sind da viel zu spießig“, findet sie.
Auch das gehört zum Rave: Knutschen und Regencapes.
© dpa/Annette Riedl
Küsschen von links, Küsschen von rechts.
© Tsp / Dominik Lenze
„Hier ist es endlich mal wieder schön laut“, freute sich ein gestandener Raver. „Beim ,Zug der Liebe’, dem Karneval der Kulturen und der Fuckparade kann man das nicht mehr behaupten.“ Dort würden strenge Lärmschutzauflagen gelten, weil diese Paraden durch Wohngebiete führen.
„Techno ist immer geil“, sagt Raver Daniel. Nur mitten in der Menschenmenge mag Hund Chico nicht sein.
© Tsp / Dominik Lenze
Daniel, 46 Jahre alt, ist seit 1996 dabei: Der Berliner ravt seit Loveparade-Zeiten. Inzwischen sitzt er im Rollstuhl – doch das hält den Technofan von gar nichts ab. „Damals wie heute, kein Unterschied: Techno ist immer geil“, sagt er sichtlich gut gelaunt. Als Feierkameraden hat er seinen Hund Chico mitgebracht – für den Vierbeiner ist es der erste Rave. Und wie gefällts ihm? „Also direkt in die Menschenmenge und zur lauten Musik können wir nicht, aber ich glaube, er ist entspannt“, sagt Raver-Herrchen Daniel. An den Musikwagen zeigt Chico tatsächlich kein Interesse, dafür schnuppert er neugierig an vorbeilaufenden Teilnehmern der Parade.
Für den Koffein-Pegel sorgt ein Coffee-Bike mit Daniel (links).
© Tsp / Dominik Lenze
Am Rand der Parade reihen sich Essens- und Getränkestände. Darunter ist der Espresso-Stand vom Coffee-Bike, dass auf Festivals in ganz Deutschland Kraft und Koffein für Feiernden bereit hält. „Total entspannt hier, super Leute, es macht richtig Spaß zu arbeiten“, sagt Battista Daniel. Letztes Jahr sei es zwar deutlicher voller bei „Rave the Planet“ gewesen, doch das tue dem Spaß keinen Abbruch.
Auf „Rave the Planet“ wurde am späten Nachmittag „Rain the Planet“.
© Tsp / Dominik Lenze
Gegen 17 Uhr setzt wieder Regen ein. Die Tanzenden lassen sich davon nicht stören. Hier und da werden Regenschirme aufgespannt, die meisten tanzen einfach weiter. Die Freunde Sascha, Franz und Sarah nutzen die Abkühlung für eine kurze Rave-Pause unterm Schirm auf dem Stromkasten. Hier in Berlin kann man zwar mindestens jedes Wochenende ekstatische Raves erleben, „Rave the Planet“ ist für die drei trotzdem etwas Besonderes: „Weil’s ‘ne ganz andere Dimension ist, jeder Wagen ist ja quasi ein eigener Club“, sagt Franz. Was ihm besonders gefällt: „Jeder kann hier mitfeiern, egal ob reich oder arm.“
Wie die legendären Berliner Techno-Paraden in den 1990er-Jahren ist der Umzug als Demonstration angemeldet. Das Motto lautet „The Future is now“ (Die Zukunft ist jetzt). Die Veranstalter wollen durch gemeinsames Handeln, Zusammenhalt und Haltung ein Zeichen gegen Hass und Spaltung setzen.
„Unsere Kultur ist nicht nur laut, sie ist auch nachhaltig, inklusiv und verbindend“, sagte Dr. Motte, der mit bürgerlichem Namen Matthias Roeingh heißt, im Vorfeld.
290 Künstler und 35 Wagen sind laut Veranstaltern dabei.
© Tsp / Dominik Lenze
Wegen der Demo waren zahlreiche Straßen im Bereich Tiergarten gesperrt.
© REUTERS/NADJA WOHLLEBEN
Verkehrsteilnehmer müssen sich auf Umleitungen und Staus einstellen. Von Freitagabend bis Sonntagmorgen sind zahlreiche Straßen im Bereich des Tiergartens gesperrt. Die Polizei begleitet das Techno-Spektakel nach eigenen Angaben mit etwa 1000 Beamtinnen und Beamten. Am Nachmittag bezeichnete ein Polizeisprecher die Stimmung als friedlich und „absolut unauffällig“.
Party-Wochenende in Berlin „Deutlich unter den Spenden der Vorjahre“ Ist die Techno-Parade „Rave The Planet“ in Gefahr? Line-up, Sperrungen, Anreise Techno-Parade „Rave the Planet“ zieht durch Berlin Lollapalooza 2025 in Berlin Tickets, Timetable und Line-up – was Besucher jetzt wissen sollten Schauer und Gewitter in Berlin Regnerisches Wochenende erwartet
Gleichzeitig finden in Berlin am Wochenende weitere Großveranstaltungen statt: Auf dem Olympiagelände in Charlottenburg läuft das Lollapalooza-Festival – die Veranstalter rechnen mit mehr als 50.000 Teilnehmenden jeweils an beiden Tagen. Außerdem steigt auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof das Formel-E-Rennen – nach Angaben der Verkehrsinformationszentrale werden hier täglich circa 10.000 Fans erwartet. (mit dpa)