Eigentlich sollen sie die Insassen schützen, doch sie können zur tödlichen Gefahr werden. Die Rede ist von Airbags der Marke Takata, die von 2000 bis 2015 weltweit und millionenfach in den Wagen fast aller Autohersteller verbaut wurden. Einem Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung“ zufolge, hat der fehlerhafte Airbag bereits 45 Menschenleben gefordert und etliche weitere Autofahrer verletzt.
Die eigentliche Gefahr geht von den Gaskapseln innerhalb der Airbags aus. Diese enthalten als Treibmittel Ammoniumnitrat, welches auch bei der Herstellung von Sprengstoff verwendet wird. Im Airbag soll das Salz dafür sorgen, dass dieser sich in Sekundenschnelle aufbläst. Bei Hitze und Feuchtigkeit wird Ammoniumnitrat jedoch instabil und kann nach einigen Jahren bei einem Unfall unkontrolliert explodieren.
Frankreich erweitert Fahrverbote
Durch die Explosion können Plastik- und Metallteile ins Fahrzeuginnere geschleudert werden, welche die Insassen im schlimmsten Fall tödlich verletzen können. Das geschah erst neulich bei einem Unfall in Frankreich. Am 11. Juni wurde eine 37-jährige Autofahrerin von einem LKW gerammt, ihr Citroën C3 daraufhin in die Leitplanke geschleudert. Der Airbag explodierte beim Auslösen, schleudert Metallteile ins Fahrzeuginnere und kostet die Frau so ihr Leben.
Airbags der Marke Takata sind in Millionen von Autos verbaut. (Foto: AFP)
Die französische Regierung erweiterte daraufhin ein bereits bestehendes Fahrverbot auf rund 1,7 Millionen Fahrzeuge, die mit gefährlichen Takata-Airbags ausgestattet sind. Obwohl die EU-Kommission empfiehlt, dem französischen Modell zu folgen, bestehen in Deutschland keine solchen Verbote. Auf Anfrage des SWR teilt das Bundesverkehrsministerium mit: „Aufgrund der in Deutschland vorherrschenden klimatischen Bedingungen läuft eine Veränderung des Treibmittels nur sehr langsam ab, wodurch sich ein geringeres Sicherheitsrisiko durch die Airbags als z. B. in tropischen Regionen ergibt.“
Autohersteller wussten von der Gefahr
Der tödliche Unfall in Frankreich zeigt nun aber, dass auch in Mitteleuropa das Risiko für die Besitzer von Autos mit den entsprechenden Airbags wächst. Auch der ADAC betont, dass die Airbags sich aufgrund von Alterung durch bestimmte Klimaeinflüsse (Hitze und Feuchtigkeit) verändern und so zu einem „ernsthaften Sicherheitsrisiko“ werden – quasi zu einer tickenden Zeitbombe.
Dabei hätte so manch tödlicher Unfall aber sogar verhindert werden können. Interne E-Mails, die im Zuge US-amerikanischer Untersuchungen publik wurden, zeigen, dass mehrere Autohersteller von den Sicherheitsbedenken wussten, sich aber gegen Lieferstopps entschieden haben.
Auf Anfrage des SWR bestätigten dies einige Hersteller. „Ja, wir haben Takata-Airbag Systeme für die Erstausrüstung in einigen unserer Fahrzeuge auch nach 2009 weiterhin verwendet“, heißt es etwa von Ford. Automobil-Wissenschaftler Stefan Bratzel überrascht das nicht. Schließlich spiele hier der Kostenfaktor eine Rolle, sagt er dem SWR. Die Takata-Airbags waren bis zu 40 Prozent günstiger als die der Konkurrenz. Ein Austausch der Komponenten hätte die Autoindustrie dagegen Milliarden gekostet.
Als die Fehlfunktion der Airbags nach und nach bekannt wurde, kam es zum größten Rückruf in der Geschichte der Automobilindustrie. 2015 startete der größte Einzelrückruf – allein in den USA mussten etwa 33,8 Millionen Fahrzeuge überprüft und Airbags getauscht werden. Recherchen des SWR zeigen, dass der Rückruf hierzulande noch immer schleppend läuft.
Autofahrer Michael Schian etwa erzählt, dass er noch nicht einmal über den Rückruf informiert worden sei. In seinem VW Beetle Baujahr 2014 ist ein Takata-Airbag mit der gleichen Gaskartusche verbaut, wie die, die vor kurzem in Frankreich explodierte. Schon lange bemüht er sich um den Austausch seines Airbags durch VW. Bislang erfolglos.