Seit Mai ist Katharina Fegebank Hamburgs Umweltsenatorin. Sie setzt auf Präsenz, technische Lösungen und ein positives Narrativ für Umweltpolitik. Doch ihr Stil stößt nicht überall auf Zustimmung – und einige Altlasten warten noch auf Aufarbeitung.
Katharina Fegebank bringt zur Baustelle der Klärschlammverbrennungsanlage Vera 2 am Köhlbrandhöft ihren Helm, Sicherheitsschuhe und Warnweste selbst mit. Das ist jetzt häufig ihr Rüstzeug im neuen Job als Hamburgs Umweltsenatorin. Ausgestattet wurde sie damit bereits einige Tage vorher, als sich die 48-Jährige nur wenige Hundert Meter entfernt ein weiteres Großprojekt angesehen hatte: die Abwasserwärmepumpe auf der Dradenau, die künftig bis zu 39.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen soll.
„Der Helm passt perfekt zum heutigen Termin“, scherzt eine Journalistin. Auf dem blauen Grund prangt das Logo von Hamburg Wasser. Fegebank lacht und antwortet: „Sie haben recht. Ich brauche eigentlich von jedem Unternehmen, für das ich jetzt zuständig bin, einen Helm mit Logo.“ Ein lockerer Moment, der bildhaft für eine Senatorin steht, die sich ihre neue Rolle Termin für Termin aneignet.
Als Fegebank Anfang Mai 2025 das Amt der Umweltsenatorin übernahm, war das mehr als ein Wechsel. Die Personalrochade, ausgelöst durch das gesundheitlich bedingte Ausscheiden ihres Vorgängers Jens Kerstan, sollte laut der Grünen ein politisches Signal mit Symbolkraft sein. Die Botschaft: Die Klima- und Umweltpolitik wird bei den Grünen Chefinnensache. Fegebank, die weiterhin Zweite Bürgermeisterin bleibt, gab ihre bisherige Zuständigkeit an die langjährige Grünen-Landeschefin Maryam Blumenthal ab – das einzige neue Gesicht im Senat.
Der Wechsel sorgte für Irritationen. Fegebank war beliebt und erfolgreich als Wissenschaftssenatorin, wurde dreimal zur Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt. Blumenthal, von Beruf Lehrerin, hingegen hatte bislang wenig Bezug zur Hochschulpolitik. Es wurde gemunkelt, das Großressort, zu dem neben Umwelt- und Klimaschutz auch Energie- und Agrarpolitik gehören, sei Blumenthal zu komplex. Fegebank selbst stellt es anders dar. Es sei wichtig, die Klimapolitik des Senats an höchstmöglicher Stelle anzusiedeln.
Seit mehr als zehn Jahren ist Fegebank Zweite Bürgermeisterin in Hamburg und damit die Grüne mit dem höchsten Regierungsamt. Diese Erfahrung und ihr Netzwerk kann sie in ein Ressort einbringen, das angesichts der Klimakrise mehr denn je im Fokus steht. „Ich will Hamburg zur Vorreiterin für urbane Klimapolitik machen“, sagte sie bei ihrer Amtseinführung.
Seht her, was möglich ist
Dabei verfolgt sie nach eigener Aussage ein neues Narrativ: Klimaschutz soll nicht länger über Schreckensszenarien vermittelt werden, sondern über Begeisterung für das, was entstehen kann. Statt Überschwemmungen, Dürre und Kipppunkte in den Vordergrund zu stellen, will Fegebank zeigen, wie innovative Technik, neue Allianzen und konkrete Projekte das Leben in der Stadt verbessern und die Stadt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung verändern können. „Seht her, was möglich ist, wenn wir Umweltschutz konsequent mitdenken“, lautet ihre Botschaft.
Ihre Besuche auf Baustellen, in technischen Anlagen und bei Unternehmen sind Teil dieser Erzählung. Sie sollen zeigen, wie Fortschritt sichtbar wird und wie greifbar Verbesserungen in der Umweltpolitik sind.
Der Vor-Ort-Termin auf der Vera-2-Baustelle am Köhlbrandhöft ist aber auch Ausdruck eines Führungsstils, der auf Präsenz und persönlicher Anschauung beruht. Fegebank will nicht nur informiert werden, sie will verstehen. Statt sich wie viele Politikerinnen nah bei anderen Funktionsträgern aufzuhalten, setzt sich Fegebank bei ihrem Baustellenbesuch lieber in die Reihen der Journalisten. Vermutlich, weil sie von dort die Präsentation von Hamburg-Wasser-Interimsgeschäftsführer Michael Beckereit zur Klärschlammverwertung am besten verfolgen kann.
Dabei hört sie nicht nur zu, sondern fragt auch nach. Warum Kommunen erst ab einer Größe von 100.000 Haushalten zur Klärschlammverbrennung verpflichtet seien, will sie wissen. Beckereit antwortet trocken: „Das ist meines Wissens eine rein politische Entscheidung.“ Eine Antwort, die Fegebank wohl nicht zu gefallen scheint, weil sie keinen Fortschritt für den Naturschutz bedeutet. Aber ihr Nachfragen zeigt: Sie will den Dingen auf den Grund gehen – auch wenn das bedeutet, sich mit unbequemen Realitäten auseinanderzusetzen.
Altlasten machen den Start komplizierter
Denn das Großprojekt Vera 2 ist ein schwieriges Erbe, das sie von Vorgänger Kerstan übernommen hat. Die Kosten für die neue Klärschlammverbrennungsanlage stiegen von ursprünglich 196 auf knapp 297 Millionen Euro. Kerstan erklärte, zu spät über die Kostensteigerungen informiert worden zu sein. Es kam zu internen Querelen bei Hamburg Wasser, in deren Folge beide Geschäftsführer das Unternehmen verließen. Für ein städtisches Unternehmen war das ein veritabler Skandal, begleitet von öffentlicher Kritik. Fegebank selbst nannte die Situation rückblickend „nicht nur bedauerlich, sondern auch wirklich ärgerlich“.
Dass sie heute genauer hinschaut, ist also nicht nur eine Frage des Stils, sondern auch eine Lehre aus der Vergangenheit. Von der neuen Umweltsenatorin wird nun erwartet, das Projekt erfolgreich zu Ende zu bringen. Bislang bleibt jedoch offen, wie sie die Projektsteuerung konkret verbessern will. Auch eine öffentliche Aufarbeitung der Fehler aus der Vergangenheit steht aus. Kritiker bemängeln, dass Fegebank zwar Präsenz zeigt, aber noch keine strukturellen Konsequenzen gezogen hat.
Zum Glück gibt es Projekte, die besser laufen. Bereits zwei Tage zuvor hatte die 48-Jährige die Baustelle der größten Abwasserwärmepumpe Deutschlands auf der Dradenau besucht. Zwischen Rohrleitungen und technischen Aggregaten ließ sie sich den Baufortschritt zeigen. Fegebank sprach von einem „Meilenstein für Hamburgs Wärmewende“ und betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit der städtischen Unternehmen sei, um die Klimaneutralität möglichst noch vor dem gesetzlich festgelegten Jahr 2045 zu erreichen.
Ihre Agenda ist ambitioniert. Fegebank möchte Hamburgs ökologische Transformation vorantreiben. Dazu gehört der Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere durch Fernwärme, Abwasserwärme und Wasserstoff. Gleichzeitig setzt sie auf enge Kooperation mit der Industrie, sie will Partnerin im Wandel sein. Ihre Devise: Klimaschutz und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit müssen zusammen gedacht werden. Dafür muss sie Vertrauen schaffen: bei Bürgerinnen und Bürgern, bei den städtischen Unternehmen, in der Verwaltung. Auch dazu sollen die Besuche vor Ort dienen. Dass Medien dazu eingeladen sind, ist für Fegebank ein Vehikel, um Transparenz zu schaffen.
In der Umweltbehörde wird das öffentliche Auftreten der neuen Senatorin hingegen mit gemischten Gefühlen betrachtet. Dass die Umweltpolitik bei der Zweiten Bürgermeisterin angesiedelt ist, wird goutiert. Allerdings heißt es hinter vorgehaltener Hand, Fegebanks Fokus auf öffentliche Auftritte sei übertrieben. Und auch in der Stadt erntet Fegebank für ihren Angang an Umwelt- und Klimapolitik nicht nur Lob. In Teilen der Umweltbewegung etwa werden ihr Fokus auf Technik und der Versuch, die Wirtschaft eng einzubeziehen, skeptisch gesehen. Interne Kritiker mahnen, dass Fegebanks Politik zu wenig basisgrüne Elemente enthalte.
Nach zehn Jahren in der ersten Reihe der Politik lässt sich die Umweltsenatorin davon nicht beirren. Auf die Frage, ob sich ihre neue Rolle sehr von ihrer Zeit als Wissenschaftssenatorin unterscheide, antwortet sie ohne Zögern: „Ich bin begeistert von dem, was Hamburg in Sachen Energiewende und Nachhaltigkeit auf die Beine stellt.“ Und sie sieht eine Verbindung zwischen ihren alten und neuen Aufgaben: „Mir war immer wichtig, möglichst viele Menschen für Wissenschaftsthemen zu gewinnen. Das ist auch bei den neuen Themen in der Umweltbehörde so. Hamburg hat so viele herausragende Projekte. Für die will ich begeistern.“
Redakteurin Julia Witte genannt Vedder arbeitet in der Hamburg-Redaktion von WELT und WELT AM SONNTAG. Seit 2011 berichtet sie über Hamburger Politik.