Infografik
Standdatum: 13. Juli 2025.
Autorinnen und Autoren:
Kristian Klooß
ArcelorMittal-Mitarbeiter im Warmwalzwerk, wo Stahlblöcke (Brammen) unter anderem zu Flachstahl ausgewaltz werden.
Bild: dpa | Thomas Trutschel
ArcelorMittals Stahlproduktion leidet nicht nur in Bremen, auch im Rest Europas schmelzen die Gewinne. Doch wie ist es dazu gekommen? Diese Zahlen zeigen den Niedergang.
Seit zwei Jahren schreibt das ArcelorMIttal-Werk in Bremen rote Zahlen.
Bild: picture alliance/dpa | Sina Schuldt
Der Bremer Standort von ArcelorMittal schreibt seit zwei Jahren rote Zahlen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Wobei Bremens Wirtschafts- und Förderpolitik dabei nur eine Nebenrolle spielt. Denn es sind vor allem volkswirtschaftliche Entwicklungen, die den europäischen Stahlmarkt zuletzt geprägt haben: Pandemie, Zollschranken, Billigimporte, Energiekrise und der wirtschaftliche Stillstand Deutschlands.
Wie die europäische Stahlbranche und mit ihr das Bremer Werk in die Krise geraten sind, zeigen diese fünf Grafiken.
1 Entwicklung des Stahlverbrauchs in der EU
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Die Entwicklung des Stahlverbrauchs in der Europäischen Union ist seit einigen Jahren rückläufig. Nach dem Einbruch in der Pandemie, als Baustellen, Autowerke und Fabriken geschlossen blieben, gab es zwar einen kurzfristigen Boom – der baute aber auf Nachholeffekten. Die 152,7 Millionen Tonnen Stahl, die vor der Pandemie im Jahr 2018 in der EU verbaut worden waren, wurden seither nicht mehr erreicht. 2024 waren es stattdessen nur noch 128,7 Millionen Tonnen.
Dem Branchenverband Eurofer zufolge ist der Stahlverbrauch allein 2024 um 4,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Für 2025 erwartet der Verband nochmals ein Minus von 3,3 Prozent. Frühestens 2026 rechnet die Branche mit einer leichten Erholung – und auch nur dann, wenn Risiken wie hohe US-Zölle die Nachfrage nicht erneut ausbremsen.
2 EU-Exporte und -Importe fertiger Stahlprodukte
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Die zweite Grafik zeigt, dass EU-Länder seit Jahren immer mehr Stahlprodukte wie zum Beispiel Bleche, Spulen (Coils), Stangen oder Drähte aus dem Nicht-EU-Ausland importieren. Der positive Handelsbilanzüberschuss bei fertigen Stahlprodukten von 11 Millionen Tonnen im Jahr 2013 ist so innerhalb eines Jahrzehnts im Jahr 2024 in ein Defizit von 10,7 Millionen Tonnen umgeschlagen.
Das bedeutet: Der ohnehin geringe Stahlverbrauch (siehe erste Grafik) wird durch einen hohen Importdruck (siehe zweite Grafik) noch verschärft – durch billigeren und oft subventionierten Stahl aus Ländern wie China, Indien oder der Türkei. Das drückt auch die Preise für den Flachstahl aus europäischen Werken wie Bremen.
3 Wirtschaftswachstum in Deutschland (in Prozent)
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Die in der Grafik oben dokumentierte Konjunkturflaute in Deutschland ist dabei keine Hilfe für das Bremer Werk. Denn kaum eine Branche ist so eng mit dem Wachstum einer Volkswirtschaft verknüpft wie die Stahlindustrie. Sie hängt maßgeblich von Aufträgen aus dem Bausektor, dem Maschinenbau und der Autoindustrie ab.
In Industrieländern wie Deutschland kommen verschiedene Studien der OECD, der World Steel Association und des Ifo-Institut zu dem Schluss, dass ein 1-Prozent-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts die Stahlnachfrage um etwa 1,1 bis 1,3 Prozent wachsen lässt. Bei Null-Wachstum hingegen stagniert diese Nachfrage oder schrumpft sogar. Diese Situation herrscht seit 2023 in Deutschland.
4 Konzerngewinne (Ebitda) von ArcelorMittal
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Die Kombination aus diesen verschiedenen Entwicklungen trifft auch den, gemessen an der Rohstahlproduktion, nach China Baowu Steel zweitgrößten Stahlkonzern der Welt: ArcelorMittal.
Nachdem durch Aufholeffekte im Anschluss der Corona-Pandemie ausgelösten Boom im Jahr 2021 sind die weltweiten Gewinne des Konzerns kontinuierlich gesunken. Lag der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) 2021 noch bei 21,6 Milliarden US-Dollar (18,5 Mrd. Euro), sank er bis 2024 auf 7,1 Milliarden US-Dollar (6 Mrd. Euro).
5 Gewinne (Ebitda) ArcelorMittals nach Weltregionen
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Wie kritisch die Situation im Europageschäft ist, zeigt jedoch erst der genauere Blick in die Bilanz. Denn in Europa macht ArcelorMittal Umsätze, die fast dreimal so hoch sind wie jeweils in den zwei anderen Hauptregionen: Nordamerika und Brasilien. Im Boomjahr 2021 schlug sich dies auch im Gewinnanteil nieder. So trug Europa 2021 noch 6,7 Milliarden Dollar zum Ebitda bei – und lag damit vor Nordamerika (3,125 Mrd.) und Brasilien (4,15 Mrd.).
Seither ist der Beitrag Europas jedoch stark geschrumpft. Während Brasilien und Nordamerika 2024 jeweils rund 1,8 Milliarden Dollar Ebitda erwirtschafteten, lag der Beitrag Europas zuletzt nur noch bei 1,62 Milliarden Dollar (1,38 Mrd. Euro). Auch im ersten Quartal 2025 waren die Werke in Nord- und Südamerika ertragreicher als die europäischen.
Es ist dieser Niedergang des Europageschäfts, der auch im Werk Bremen in den vergangenen zwei Jahren zu roten Zahlen geführt hat.
Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 4. Juli 2025, 19:30 Uhr