Seit Monaten wird heftig um die Aufnahmen von afghanischen Staatsbürgern durch die Bundesrepublik gestritten. Zuletzt hieß es aus dem Auswärtigen Amt, man wolle sich an gemachte Zusagen halten. Nun lief ein an Berlin gestelltes Ultimatum aus – und die pakistanischen Behörden machen Ernst.

Nach Ablauf eines Ultimatums zur Aufnahme von rund 2500 in Islamabad befindlichen Afghanen hat sich ein diplomatischer Konflikt zwischen der Bundesregierung und der pakistanischen Regierung weiter zugespitzt.

Wie WELT AM SONNTAG aus Diplomatenkreisen erfuhr, forderte Islamabad Berlin bereits Ende 2024 auf, Probleme bei den verschiedenen Aufnahmeprogrammen für afghanische Staatsbürger zu lösen. Deutschland hatte seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 Zehntausenden Afghanen Aufnahmezusagen erteilt, sie aber nicht direkt eingeflogen. Stattdessen mussten sie zunächst nach Pakistan ausreisen, wo Bundespolizei, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BamF) und Verfassungsschutz abschließende Checks vornahmen.

Weil der Prozess viel länger als geplant dauert – im Schnitt warten die Afghanen aktuell rund acht Monate auf ein endgültiges „Go“ – und die Visa für Pakistan nur drei Monate gültig sind, befinden sich die Menschen illegal im Land – ein Zustand, den die Regierung in Islamabad nicht weiter akzeptieren will.

Berlin sollte die von der GIZ angemieteten Gästehäuser zunächst bis zum 31. März räumen; auf deutsches Drängen wurde die Frist auf den 30. Juni verlängert – doch wieder geschah nichts. Nach Informationen von WELT AM SONNTAG sind derzeit keine für die letzten Prüfungen benötigten BamF-Mitarbeiter vor Ort, da sie wegen des indisch-pakistanischen Konflikts im Mai aus Sicherheitsgründen ausgeflogen wurden.

Wenige Tage vor Ablauf der Frist begannen pakistanische Behörden mit Razzien in den Gästehäusern und brachten einzelne Afghanen mit abgelaufenem Visum ins Haji-Abschiebelager nahe Islamabad. Laut Informationen dieser Redaktion schlugen GIZ-Mitarbeiter Alarm und informierten die deutsche Botschaft. Deutsche Beamte bemühten sich, Abschiebungen in die Heimat zu verhindern – meist erfolgreich. Mehrfach wurden Betroffene in den vergangenen zwei Wochen zurück in die Gästehäuser gebracht.

„Es herrscht Chaos“

Nach Informationen von WELT AM SONNTAG hat die pakistanische Polizei ihre Einsätze gegen das deutsche Aufnahmeprogramm aber zuletzt deutlich ausgeweitet. „Es herrscht heilloses Chaos“, sagte eine mit der Lage vertraute Person in Islamabad: „Unabhängig davon, wie man zu den Aufnahmeprogrammen steht, ist es ein Wahnsinn, wie mit dem Schicksal von Menschen umgegangen wird.“

Das Auswärtige Amt (AA) erklärte vergangene Woche, die „aufenthaltsrechtliche Situation“ afghanischer Staatsbürger habe sich „seit Herbst 2023 verschlechtert und seit Anfang April 2025 erneut verschärft“. Man stehe „in engem und hochrangigem Kontakt mit der pakistanischen Regierung“, um Abschiebungen von Afghanen mit gültiger Aufnahmezusage zu verhindern, die sich zum Zwecke der Visumsprüfung in Islamabad aufhielten.

Am 2. Juli teilte das Auswärtige Amt mit, ihm seien die Festnahmen zweier betroffener Familien bekannt. Aktuellere Zahlen nannte es diese Woche nicht. Nach Recherchen von WELT AM SONNTAG wurden seit Beginn der Einsätze rund 150 Afghanen mit Aufnahmezusage in Lager gebracht; ihr Verbleib ist teils unklar. Bemerkenswert ist, wie Berlin in solchen Fällen reagiert: Weil Abgeschobene oft ihre Pässe zurücklassen müssen, bemühen sich deutsche Stellen, die Dokumente per Kurier auf die afghanische Seite der Grenze zu bringen. Dort können sie die Betroffenen wieder in Empfang nehmen – für eine legale Wiedereinreise nach Pakistan.

Die neue Bundesregierung will laufende Aufnahmeprogramme beenden und keine neuen starten. Außenminister Johann Wadephul (CDU) kündigte jedoch an, sich an bestehende Aufnahmezusagen für in Pakistan festsitzende Personen halten zu wollen – sofern diese rechtlich bindend sind. Dass dem so zu sein scheint, zeigt ein erstinstanzliches Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von Dienstag: Die Bundesregierung muss einer afghanischen Familie mit Aufnahmezusage ein Visum für die Einreise nach Deutschland erteilen.

Nachdem mehrere Personen Klage eingereicht hatten, argumentierte das AA in einer WELT AM SONNTAG vorliegenden Erwiderung am 26. Juni noch, Afghanen mit Aufnahmezusage verfügten über „einen Schutzbrief, den die Deutsche Botschaft ausgestellt hat“. Außerdem stünde man in ständigem Kontakt mit den pakistanischen Behörden, die ihr Verständnis dafür erkennen lassen hätten, „dass ein Abschluss der Ausreisen in den humanitären Aufnahmeprogrammen (…) nicht bis zum Monatsende möglich sein wird“. Das AA schrieb: „Eine konkrete Abschiebungsgefahr für die Antragsteller:innen ist (…) nicht dargetan.“

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