Unpassenderweise hat Lara Grossmann ihre Bachelorarbeit im Winter geschrieben. Eigentlich die falsche Jahreszeit fürs Thema. Denn das, was die Stuttgarter Studierende untersucht hat, ist die Hitzeinsel namens Pariser Platz im Europaviertel in Stuttgart. „Er war ein perfektes Beispiel“, sagt Lara Grossmann.
Der Platz steht immer wieder in der Kritik. Weil man bei der Planung den Sonnenschutz offensichtlich nicht mitgedacht hatte. Das ganze versiegelte Europaviertel mit seinen Glasfassaden ist nicht gerade die Kulisse, die man sich in Klimawandelzeiten vorstellt. Vor allem die Freien Wähler im Gemeinderat fordern seit Längerem einen Hitzeschutz für den Platz.
Der Pariser Platz im 3D-Modell
Lara Grossmann hat gerade an der Hochschule für Technik (HfT) in Stuttgart ihren Bachelor im Studiengang Klimaengineering abgeschlossen. Und für ihre Arbeit hat sie den Pariser Platz anhand eines 3D-Modells in einer Simulationsumgebung so abgebildet, dass sie mit verschiedenen Optionen experimentieren konnte. Wie wäre die Aufenthaltsqualität auf der Freitreppe, wenn direkt dahinter eine Baumreihe stünde? Was brächte ein Sonnensegel direkt über der Treppe? Was ein hellerer Bodenbelag? Was wäre, wenn daneben kein Glaspalast stünde, sondern ein typischer Stuttgarter Innenstadt-Altbau?
Sebastian Fuss, Lara Grossmann und Jan Cremers (von l.) am Pariser Platz Foto: Ferdinando Iannone
„Bäume sind klare Winner“, sagt Sebastian Fuss, ein Mitstudierender von Lara Grossmann, der für seine Bachelorarbeit ebenfalls einen Stuttgarter Platz untersucht hat: den Wilhelmsplatz in der Innenstadt. Von den Erkenntnissen her unterscheiden sich die beiden Plätze gar nicht groß.
Bäume bringen wegen ihrer Schattenwirkung und Transpirationskühlung am meisten. 237 belastende Hitzestunden im Sommer weniger, so das Ergebnis. Das entspreche einer Verbesserung von 15 Prozent. Wobei es natürlich auch sein kann, dass ein Sonnensegel an einem bestimmten Sitzplatz einen noch größeren Effekt hat. „Man muss sich verschiedene Situationen anschauen“, sagt Lara Grossmann.
Wie stark Bäume bei Hitze helfen
Dass Bäume und Sonnensegel gegen Hitze helfen, ist keine überraschende Erkenntnis. Genaue Zahlen dazu, was sie bringen, auch im direkten Vergleich zum Status quo oder anderen Maßnahmen, das sei indes durchaus neu, sagt Jan Cremers.
Der Professor und Dekan der Fakultät Architektur und Gestaltung an der HfT kennt den Pariser Platz schon allein deshalb gut, weil er in der Nähe wohnt und oft hier vorbeikommt. Auch am 2. Juli, als es in der Stuttgarter Innenstadt sehr heiß war. „Ich war aber auch schnell wieder weg“, sagt er. „Bei uns heißt der Pariser Platz intern nur Bratpfanne.“
Orte wie der Pariser Platz, aber auch andere in Stuttgart, werfen bei dem Professor eine grundsätzliche Frage auf: „Wie ernst nimmt man das Ganze?“ Cremers meint den Schutz gegen Hitze. „Ich habe den Eindruck: Andere Städte sind da weiter.“ Neulich sei er zum Beispiel in Kopenhagen gewesen, berichtet er. „Man hat den Eindruck: Da steht die ganze Stadt dahinter.“
Das Modell vom Pariser Platz Foto: privat
Die von den beiden Absolventen erarbeiteten Daten haben sie auch der Stadt Stuttgart zur Verfügung gestellt. „Wir freuen uns über Kooperationsmöglichkeiten“, sagt Cremers. Die Studierenden haben zum Beispiel auch das Jahr 2050 modelliert – und gehen auf der Grundlage heute vorhandener Daten von einer gefühlten Temperatur von bis zu 45 Grad in Stuttgarts Innenstadt aus. Für umso relevanter halten die HfT-Vertreter ihre Ergebnisse.