AUDIO: Live Aid – das weltgrößte Konzert-Ereignis (57 Min)
Stand: 13.07.2025 06:00 Uhr
Vor 40 Jahren fand mit Live Aid das größte Rockkonzert der Geschichte statt. Musikjournalist Peter Urban erinnert sich im Podcast Urban Pop an das Chaos hinter den Kulissen und die Magie auf der Bühne – ein einmaliges Zeichen globaler Solidarität.
13. Juli 1985. Um 12 Uhr in London und 7 Uhr in Philadelphia startet zeitgleich an diesem denkwürdigen Tag das größte Rockkonzert der Welt. 16 Stunden wird es dauern. Zwei Bühnen, zahlreiche Künstlerinnen und Künstler auf zwei Kontinenten. Übertragen in 150 Länder mit schätzungsweise 1,9 Milliarden Zuschauer. Auch in Deutschland war man live beim Großereignis dabei. Kommentator für den Hörfunk damals: Peter Urban.
„Es ist immer noch Gänsehaut“, erinnert sich der Musikjournalist und Moderator auch noch Jahrzehnte nach dem Konzert. „Das war wirklich so ein unglaubliches, ungewöhnliches Ereignis, das es noch nie gegeben hatte.“ Die afrikanischen Länder bekamen den sogenannten Feed, also das Sendesignal, umsonst – ohne Kosten und konnten somit einfach übertragen. Der Musikfachmann vermutet, dass so rund ein Viertel der Weltbevölkerung das Ereignis verfolgt haben. “Das war so ein Gemeinschaftsgefühl, das war Wahnsinn“.
Vor 40 Jahren, am 13. Juli 1985, fand Live Aid parallel in London und Philadelphia statt, um Geld für einen wohltätigen Zweck zu sammeln.
Aus einer Idee zum größten Rockkonzert aller Zeiten
Geboren wurde die Idee von Bob Geldof und Midge Ure, die nach einer BBC-Reportage über die verheerende Hungersnot in Äthiopien sich entschlossen, Geld für die Menschen dort zu sammeln: „Dadurch entstand die Single ‚Do They Know It’s Christmas‘, ein großer Erfolg zu Weihnachten 1984“, erklärt Urban. Der Song rief in Amerika viele Musikerinnen und Musiker auf den Plan, eine ähnliche Aktion zur Unterstützung zu starten. „We Are The World“, geschrieben von Michael Jackson und Lionel Richie, schoss in die weltweiten Charts.
Damit aber nicht genug. Bob Geldof überredete den größten Konzertveranstalter Englands, Harvey Goldsmith, ein riesiges Konzert auf die Beine zu stellen – mit Erfolg. „Das Gravierende war eben auch“, erinnert sich Musikfachmann Peter Urban, „dass hier endlich mal aus der Popmusik gezeigt wurde, was eigentlich wichtig ist. Die Regierungen in der Welt konnten nicht mehr zögern und mussten diese Hungersnot beenden. Das war eigentlich der Wegweiser für die Politik, die danach sagte, wir können uns da nicht rausstehlen, wir müssen Verantwortung übernehmen. Daher war das ein ganz, ganz bedeutender Zeitpunkt.“
Unvorhersehbare Momente: Ein Ratespiel für Moderatoren
Während die deutschen Zuschauer bei der Übertragung teilweise noch Filme und Reportagen im Fernsehen sahen, konnten die Radiokollegen in Hamburg sämtliche Stars live verfolgen. Der Grund: Es gab keine wirkliche Planung für die Übertragung, verrät Peter Urban: „Es war chaotisch, aber es war von einem Geist der Kameradschaft erfüllt, einfach für den guten Zweck. Das sieht man auch, wenn man jetzt Hintergrundberichte sieht. Die Leute haben sich wunderbar verstanden.“
Auf den beiden Bühnen, in Londoner Wembley Stadion und dem John F. Kennedy Stadium in Philadelphia, traten abwechselnd die meisten der internationalen Topstars der damaligen Musikszene auf. Mit dabei waren unter anderem: Bryan Adams, The Beach Boys, David Bowie, Duran Duran, Bob Dylan, Madonna, Queen, Sade, Simple Minds, Tina Turner, The Who, U2 und viele viele andere. Überraschenderweise nahmen Michael Jackson, Bruce Springsteen und Prince nicht daran teil. Die Abfolge der Künstlerinnen und Künstler war aber vollkommen unklar. „Man hörte die gesamten Regie und die Bühnen, alles in einem Kopfhörer“, erinnert Moderator Peter Urban zurück. „Und dann sagte irgendeiner: ‚In einer Minute die‘ und ‚In einer Minute der‘. Dann sagte jemand aus Philadelphia: ‚Ja, aber wir haben das noch.‘ Und manchmal rieten wie einfach nur, wer das da auf der Bühne ist.“
Schwierigkeiten auf der Bühne und ikonische Momente
Prinzessin Diana, Prinz Charles, Sänger Bob Geldof und dessen Frau Paula Yates mit Tochter Pixie beim Live Aid-Konzert im Londoner Wembley-Stadion 1985
Das Programm war eine wilde Mischung der aktuellen Popszene der 80er-Jahre unter anderem mit den britischen Synthie-Bands. Die hatten dann auf dieser großen und schnellwechselnden Bühne schon ihre Probleme. „Es waren schon schwierige Situationen für die Künstler, wenn du nur so wenig Zeit hast, ohne große Proben. Es gab keine großen Soundchecks. Da ist es ein großes Wagnis, das zu tun, und das hat meistens sehr gut geklappt. Sade und Sting klangen wunderbar. Spandau Ballet ging auch, aber einige andere waren so ein bisschen wackelig.“
Pop-Sterne fingen wieder an zu leuchten, wie der von Sting, der am Anfang seiner Solo-Karriere stand, oder aber auch Queen. „Die waren gar nicht mehr so präsent. Was die aber mit dem Auftritt da gemacht haben, hat die Band zur Weltgeltung katapultiert. Damit wurden sie eine der größten Stadion-Rockbands der Welt“, findet Peter Urban. „Egal ob man Queen mag oder nicht, das ist einfach faszinierend, wie der Mann mit dem Publikum spielt, es mitsingen lässt und sein Charisma. Alle sagen, das war einer der größten Auftritte, die es gibt.“
Das Vermächtnis einer Musikbewegung
Über 120 Millionen Dollar kamen damals zusammen. Allerdings gab es später Vorwürfe, ob auch wirklich alle Spenden den Bedürftigen in Äthiopien zu Gute kamen. Live Aid zog weitere wichtige Benefitz-Konzerte nach sich, die auch politisch ausgerichtet waren. Eins der wohl wichtigsten war das Konzert für die Freilassung von Nelson Mandela 1988. mit dem legendären Auftritt von Tracy Chapman. „Sie hat diese Chance genutzt, als nämlich Stevie Wonders Technik versagte und auf einmal eine Lücke war“, erzählt Peter Urban, der auch die Moderation für dieses Mega-Konzert für die ARD übernommen hatte. „Da wurde sie wieder auf die Bühne geschickt, konnte nochmal mehrere Songs singen. Vor ihren Auftritten hatte sie 250.000 Platten verkauft – eine Woche später 2,5 Millionen. Das war wirklich der Start ihrer großen Karriere.“
Ob solch ein Mammut-Konzert wie das Live Aid heute noch möglich ist? Musikexperte Peter Urban glaubt eher nicht: „Die Zeit ist vorbei. Das kann es nicht mehr geben, weil auch die Verbreitung von Musik anders ist. Also Live-Musik als großes Gemeinschaftsereignis. Heute kannst du dir alles abrufen, zu Hause, überall, auf dem Handy. Also ich glaube, dann ist es für so ein großes Ereignis heute zu spät.“
Welche unerwartetenden Reunions, welche große Pannen und welcher Star auf beiden Kontinenten aufgetreten ist und am Ende beschuldigt wurde, den Auftritt der Band versaut zu haben – all das gibt es in der dazugehörigen Folge von Urban Pop zu hören.
Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen.