Nach dem Eklat um die Wahl der neuen Verfassungsrichter am vergangenen Freitag wird in der Union zunehmend Kritik an den Koalitionsspitzen laut. Was die Regierungsparteien in den vergangenen zwei Wochen geboten hätten, sei „ein Autounfall in Zeitlupe“, sagte Dennis Radtke, Chef des CDU-Sozialflügels, der Welt am Sonntag. „Vielleicht sollte man in den Fraktionsräumen und Parteizentralen von Union und SPD die Balken vom Wahlabend ausdrucken und aufhängen als Mahnung, dass das Eis verdammt dünn ist, auf dem wir tanzen.“ Die schwarz-rote Koalition müsse sich in der politischen Lage, die laut Radtke einer Sturmflut gleicht, bewähren. 

Kritik an Jens Spahn

Kritik gibt es zudem am eigenen Fraktionschef Jens Spahn. Dieser hatte die Absetzung der geplanten Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin mit Zweifeln an ihrer wissenschaftlichen Integrität begründet. Die „plötzlich auftauchenden“ Plagiatsvorwürfe hätten besser geprüft werden müssen, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß dem Tagesspiegel. Er hätte sich von seiner Partei und der Fraktionsführung in dieser Frage mehr Zurückhaltung gewünscht. 

Neben der eigenen Partei kritisierte Bareiß aber auch den Koalitionspartner: „Beide Seiten haben sich in den letzten Wochen nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“ Besonders gelte das für die Ankündigung der Sozialdemokraten noch am Freitag, an der von ihnen nominierten Kandidatin festzuhalten: „Die SPD belastet damit das weitere Verfahren, und vor allem schadet sie damit auch der Kandidatin selbst.“

Unionsparlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger sagte der Welt am Sonntag: „Jetzt sollten erstmal alle etwas runterkommen, und dann besprechen wir in Ruhe mit der SPD das weitere Verfahren.“ 

© Lea Dohle

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Sein CSU-Stellvertreter Reinhard Brandl sagte, dass Union und SPD das Ziel eine, ein „gemeinsames Kandidaten-Paket“ für das Bundesverfassungsgericht durch den Bundestag zu bringen, und dass dazu in der Koalition die „notwendigen Gespräche“ geführt würden. Die Beteiligten sollten in der Angelegenheit „jetzt erstmal einen Gang runterschalten“.

Streit um SPD-Kandidatin

Z+ (abopflichtiger Inhalt);

Wahl von Verfassungsrichtern:
Karlsruhe (bei Berlin)

Nachrichtenpodcast:
Jens Spahn und der Kulturkampf von rechts

Bundesverfassungsgericht:
Union mahnt nach gescheiterter Richterwahl zur Ruhe

Richterwahl am Freitag gescheitert

Der Bundestag hätte am Freitag über die Neubesetzung von drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht abstimmen sollen. Nur Stunden vor der geplanten Wahl forderte die Union jedoch, die Wahl der Potsdamer Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf zu verschieben – offiziell aufgrund von Plagiatsvorwürfen. Allerdings hatte es schon zuvor Vorbehalte aus der Unionsfraktion gegen die Juristin gegeben: Unionsmitglieder kritisierten vor allem ihre liberale Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen. Schließlich verschob der Bundestag die Abstimmung über alle drei Richterkandidaten.