Der späte Vormittag ist ein guter Zeitpunkt für Liebeserklärungen. Auf großer Bühne selbstverständlich. Darunter geht es bei der Verleihung des Kurt-Meisel-Preises im Residenztheater an diesem Sonntag zumindest nicht. Höhenangst und Texthänger müssen dann auch egal sein: Lea Ruckpaul soll mit dem Publikumspreis ausgezeichnet werden – und ihre Kolleginnen und Kollegen haben sich bei der Verleihung mächtig ins Zeug gelegt.
Und so schwebt Vincent zur Linden aus dem Schnürboden herab, auf dem Thron, der aktuell im „Brandner Kaspar“ zum Einsatz kommt. Er trägt sein Romeo-Kostüm und singt einen umgedichteten Peter-Maffay-Song, halb Schmachtender, halb Kollege. „Ich höre dich auch ganz ohne Worte“, lässt er Lea Ruckpaul wissen. Lacht, verhaspelt sich, improvisiert. In diesem herrlich unperfekten Moment liegt ein schöner Kontrast zu der sehr klaren, überaus genauen Spielweise der Geehrten.
Die „Freunde* des Residenztheaters“ zeichnen einmal im Jahr ein Ensemblemitglied mit dem Kurt-Meisel-Preis aus, der mit 5000 Euro dotiert ist. Die Verleihung ist eine Gala, geprägt von der Kreativität und Musikalität des Hauses. Neben dem Hauptpreis werden zwei Förderpreise vergeben, die diesmal an Thomas Hauser und Niklas Mitteregger gehen. Leider, so sagt Marissa Biebl, Vorsitzende des Freundeskreises, können immer nur drei aus diesem „großartigen Ensemble“ ausgezeichnet werden. Alle Schauspielerinnen und Schauspieler am Residenztheater seien herausragend, „sonst wären sie nicht hier“.
Für seine Kollegin Lea Ruckpaul schwebt Vincent zur Linden singend aus dem Schnürboden herab. (Foto: Stephan Rumpf)
Niklas Mitteregger, geboren 1991 in Graz, hat zuletzt in „Das gelobte Land“ beeindruckend gezeigt, wie er eine Figurenentwicklung in nur wenigen Momenten nachvollziehen kann, vom schüchtern Verliebten zum geradlinigen Ehemann. Emotionen pulsieren durch seine Figuren, sein Laudator, Hausregisseur Alexander Eisenach, bezeichnet ihn als Geschenk für seine Kollegen, wegen seiner künstlerischen Neugier und seiner Persönlichkeit, „seinem unvergleichlichen Lachen“.
Ein so warmherziges Lob formuliert auch Hausregisseurin Nora Schlocker in ihrer Laudatio auf Lea Ruckpaul. Eine „couragierte, wahnsinnig schlaue Schauspielerin und aufregende Autorin“ mit ansteckendem Schaffensdrang sieht sie in der 1987 in Berlin geborenen Schauspielerin. Blickt man auf Ruckpauls Romandebüt „Bye, bye, Lolita“, auf ihr Solo „Prima Facie“ oder auf ihre kraftvolle Julia in „Romeo und Julia“, so dürfte auch tatsächlich jedem klar sein, was Schlocker als „diese Wucht“ bezeichnet, „die Lea aus jeder ihrer Körperzellen verströmt“.
Voll trockenem Witz attestiert Katja Jung ihrem Kollegen Thomas Hauser einen „eigenen Kopf“ und fragt amüsiert, wie der 1992 Geborene so einen bemerkenswerten Weg gehen konnte. Sie findet eine Antwort in: „Wer queer in Bayern aufwächst, der muss so sein.“ Am Ende gehören Thomas Hauser, dem ein eigenes Leuchten innewohnt, die berührendsten Worte der Gala. Vom Publikum bekomme er die Anerkennung, die ihm im realen Leben nicht immer gespiegelt werde. An manchen Orten nachts in München fühle er sich nicht mehr wohl. Aber auf der Bühne arbeite er daran, dass die Räume nicht enger werden, sondern die Welt offen bleibe. Das Residenztheater, „dieser riesige Tanker“, sei dafür der richtige Ort.