1. Startseite
  2. Politik

DruckenTeilen

Zum französischen Nationalfeiertag überlegt Präsident Emmanuel Macron, wie er zehn Jahre in Paris weiterregieren könnte. Eine Analyse.

Paris – Emmanuel Macron mag diese Momente, wenn sich alles um ihn dreht. Von Verfassung wegen Oberbefehlshaber der Streitkräfte nimmt er an diesem Montag die Parade auf den Pariser Champs-Élysées ab. 55 Flugzeuge, 22 Hubschrauber, 5600 Soldatinnen und Soldaten und 200 Pferde defilieren vor dem Staatschef.

Nationalfeiertag in Frankreich: Emmanuel Macron kämpft mit immensen Schulden

Die Botschaft des zweistündigen Umzugs, der US-Präsident Donald Trump zur misslungenen Nachahmung im Juni stimulierte: Frankreich ist wehrhaft, stark – und bereit für alle Eventualitäten.

Jenseits der bunten Schau sieht es für die Grande Nation weniger glorios aus. Frankreichs Staatsschulden sind im Juni auf 3350 Milliarden Euro geklettert, von denen 1000 Milliarden in Macrons Amtszeit fallen. Der Zinsdienst beansprucht 67 Milliarden Euro – mehr als die nationalen Verteidigungsausgaben.

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron (Mi.) beim Nationalfeiertag 2023 in Paris.Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron (Mi.) beim Nationalfeiertag 2023 in Paris. © IMAGO / ABACAPRESSPolitik in Frankreich: Machtblöcke blockieren sich in der Nationalversammlung

Politisch geht es Frankreich nicht besser. In der Nationalversammlung blockieren die drei Machtblöcke der Linken, Rechten und Macronisten einander. Ohnmächtig schaut Premier François Bayrou zu, wie sich der nächste Regierungssturz – seiner – anbahnt.

Schuld an alldem ist Macron selbst: Er hatte im Juni 2024 ohne Not Neuwahlen angesetzt. Und verloren. Seither sind Politik und Wirtschaft handlungsunfähig. Dynamisch ist nur noch die Banlieue-Jugend: Jeder Vorwand – Nationales Fest der Musik, Fußballsieg von Paris Saint-Germain … – reicht, um Autos in Brand zu stecken, Läden zu plündern, Polizeiwachen anzugreifen. Um so etwas an diesem Quatorze Juillet zu verhindern, sind 11.000 Mann Polizei im Einsatz.

Macron ignoriert die Krawalle elegant, aber der Rest der Nation vermag das nicht. Fatalismus breite sich aus: Der Wahlsieg von Marine Le Pen oder ihrem Sekundanten Jordan Bardella bei den Präsidentschaftswahlen 2027 sei ohnehin nicht zu verhindern, besagen Umfragen. Die Beliebtheitswerte des Staatschefs sind auf 20 Prozent gesunken. Schlagzeilen machte er nur noch mit einer „Ohrfeige“ – in Wahrheit wohl eher ein Stubser – durch seine Frau Brigitte, als ihr Flugzeug in Vietnam gelandet war. Und mit einem von rechten Propagandisten erfundenen Säckchen Kokain im Zug nach Kiew.

Emmanuel Macron: Frankreichs Staatschef denkt in größeren Dimensionen

Es hat aber gereicht, auch die letzte Domäne, in der Macron brilliert, zu beschädigen: Weltpolitik. Im Nahen und Mittleren Osten, wo Frankreich früher dank des Protektorats Libanon Gewicht besaß, wird Le Président nicht mehr um seine Meinung gefragt. Im Krieg in der Ukraine erniedrigte er sich vor zehn Tagen, als er Wladimir Putin anrief und ein „Njet“ nach dem anderen erntete. Auch der „Buddy“ Trump nimmt den Franzosen nicht mehr sehr ernst. „Er liegt ständig daneben“, spottete der Amerikaner nach seiner Abreise vom jüngsten G7-Gipfel. „Er hat keine Ahnung.“

An Macron prallt alles ab. Umfragetief, Wahlfiasko, Krawalle, Staatsschuld oder Trumps Spott: Solche Widrigkeiten nimmt er nicht ernst oder nicht wahr. Macron glaubt weiter an sich. Vor einer Woche trat er überraschend bei einem Treffen seiner Parteijugend auf die Bühne und appellierte mit Furor: „Ich brauche euch für zwei Jahre, für fünf Jahre, für zehn Jahre!“.

Viele glaubten sich verhört zu haben, doch mitnichten: Der Präsident braucht die „jeunes avec Macron“ (die Jungen mit Macron) für die letzten zwei Jahre seiner Amtszeit, und dann für ein weiteres Fünf-Jahre-Mandat, wenn nicht für noch eins. „Macron Président!“, skandierten sie in dem Pariser Zirkus wie einst, als Macron noch ein Zampano der Politik gewesen war.

Frankreich: Präsident oder Präsidentin darf keine drei Amtszeiten hintereinander regieren

Mit der Perspektive von zwei, fünf oder zehn Jahren bedeutet Macron Freund wie Feind, dass er über die Misstrauensvoten, Regierungswechsel und Amtsenthebungsversuche im Parlament erhaben ist. Lieber denkt er darüber nach, ein „Putin-Szenario“ nachzuspielen. Die französische Verfassung untersagt wie früher die russische mehr als zwei Präsidentschaftsmandate in Serie. Putin hatte deshalb 2008 seinen Strohmann Dmitri Medwedew für ein vierjähriges Interregnum im Kreml platziert, wo er dann 2012 wieder einzog.

Macron könnte einen Getreuen wie Gabriel Attal unterstützen und dann 2032 selbst wieder ans Ruder. Dann wäre er erst 54 – jung genug für weitere zehn Jahre im Élysée. Aber macht er die Rechnung nicht ohne den Wirt, das Stimmvolk? Wirklich gefährliche Rivalen sind nicht in Sicht, wenn man von Marine Le Pen absieht, doch sie kann vielleicht gar nicht mehr zu Wahl antreten.

Die Linksabgeordnete Mathilde Panot meinte zu seinen Zukunftsplänen mit vier Mandaten: „Warum nicht gleich das Imperium von Emmanuel I. errichten?“. In einer jüngeren Umfrage äußerten 47 Prozent, dass sie gar nichts gegen die Rückkehr des Kaisers hätten, um die Unordnung im Land zu bekämpfen. Nur hatten sie nicht Macron im Sinn, sondern Napoleon I.