Es ist keine akute Krisenmission, zu der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Montagmorgen in die USA aufbricht. Schließlich ist die Gefahr vorerst gebannt, dass Donald Trump das Schutzversprechen für Europa zurücknehmen könnte, ohne das der alte Kontinent aktuell nicht verteidigungsfähig ist.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar schien sie noch real, als sein Vize JD Vance den weiteren militärischen Schutz offen infrage stellte.
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Der Antrittsbesuch von Kanzler Friedrich Merz (CDU) Anfang Juni im Weißen Haus nährte die Hoffnung, dass es nicht so schlimm kommen würde. „Ja, das werden wir tun. Das ist kein Problem“, antwortete Trump auf die Frage einer Reporterin, ob er die US-Truppen in Deutschland lassen werde.
Ende des Monats, beim Nato-Gipfel in Den Haag, bei dem die Deutschen und die anderen Europäer künftige Sicherheits- und Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zusagten, garantierte Trump schließlich weiteren Nato-Beistand bis zum Ende seiner Amtszeit 2029.
Die Neuorientierung Richtung Pazifik bleibt
Das heißt aber nicht, dass sich gar nichts ändern wird. Eine Reduzierung der amerikanischen Streitkräfte in Europa steht immer noch auf der Tagesordnung, weil im Pentagon die sogenannte „Global Posture Review“ läuft, deren Ergebnisse Ende des Sommers veröffentlicht werden könnten. Die US-Militärs wollen ihre weltweite Truppenpräsenz neu justieren – mutmaßlich stärker in Richtung des Indopazifik zur Eindämmung des Rivalen China.
Ein Ziel von Pistorius wird daher sicherlich sein, von seinem US-Amtskollegen Pete Hegseth mehr über den Stand der Dinge zu erfahren. Er dürfte auf ausführliche Gespräche dringen, sobald die Amerikaner sich festgelegt haben.
Schon im März, als Amerikas weiteres Engagement in Europa noch gänzlich zur Disposition stand, hatte er Hegseth gebeten, für den Truppenabzug „einen Fahrplan zu entwickeln, um Lücken bei den militärischen Fähigkeiten zu vermeiden, die Lastenteilung schrittweise zu organisieren und zu wissen, wer was macht“. Von der „Pistorius Roadmap“ war anschließend unter Nato-Diplomaten die Rede.
Den Wunsch nach einem abgestimmten Verfahren gibt es immer noch – auch wenn nun im Verteidigungsministerium nicht mehr befürchtet wird, dass die USA über Nacht nicht zu schließende Löcher in die militärische Abschreckung Europas reißen werden.
„Die Vereinigten Staaten waren und sind unser bedeutendster militärischer Partner. Sie werden auch in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen“, lautet nun die Einschätzung von Carsten Breuer, dem Generalinspekteur der Bundeswehr. Er äußert auf Anfrage des Tagesspiegels zugleich Verständnis dafür, dass Washington „seine Interessen mehr und mehr Richtung Pazifik verschiebt“. Dies sei „auch in unserem Interesse“, da dort „eine der größten sicherheitspolitischen Herausforderungen“ bestehe.
Das bedeutet nicht, dass die USA ihre Schlüsselfähigkeiten aus Europa abziehen, im Gegenteil.
Generalinspekteur Carsten Breuer
Deutschlands oberster Soldat will zudem Zusicherungen erhalten haben, dass es keinen Verlust militärischer Kernkompetenzen der Amerikaner geben wird. Die Neuorientierung Richtung China, so Breuer, „bedeutet nicht, dass die USA ihre Schlüsselfähigkeiten aus Europa abziehen“.
Ganz im Gegenteil stehe er im engen Austausch mit seinem amerikanischen Counterpart, General Dan Caine, „auch zum Beispiel zur anstehenden Stationierung weitreichender Waffensysteme in Deutschland, um Russland abschrecken zu können“.
Es bleibt bei der Raketenstationierung
Lange hatten er, die Bundeswehr und die Bundesregierung auf diese offizielle Bestätigung gewartet. Es bleibt bei der noch von den beiden Vorgängerregierungen unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden für das kommende Jahr vereinbarten Verlegung von Tomahawk-Waffensystemen nach Deutschland.
Abgezogen werden könnten demnach vor allem Einheiten, die die Deutschen und andere Europäer in der mittleren Perspektive ersetzen können. Dazu aber muss Deutschland, wie Breuer sagt, „zum Motor der Verteidigung Europas werden“. Mit der Lockerung der Schuldenbremse im Rücken geht es nun um die Beschaffung neuen Geräts, um Fähigkeitslücken zu schließen, aber mit dem Gesetz für einen neuen Wehrdienst eben auch um deutlich mehr Personal.
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Weil all das auch im Interesse der Amerikaner ist, darf Pistorius wie schon Merz mit einem durchaus warmen Empfang rechnen in Washington. Und vielleicht beinhaltet der auch mehr Details zur künftigen Aufstellung der US Army in Grafenwöhr, Ramstein, Stuttgart oder Wiesbaden.