Im Qualifying konnte Pascal Wehrlein den Schwung des Vortages mitnehmen. Der Deutsche sicherte sich auf dominante Weise seine dritte Saison-Pole-Position. Porsche-Kunde Dan Ticktum und Werksfahrer António Félix da Costa komplettierten die Top 3. Fünf Straf-Plätze ließen Oliver Rowland nur vom achten Platz aus ins Rennen gehen.

Der Sonntagslauf war deutlich mehr auf Energiesparen ausgelegt. Fast die gesamte erste Hälfte bestand aus einem großen Rudel, in dem keiner länger führen wollte. Eine der wenigen Konstanten stellten jedoch Porsche-Antriebe an der Spitze dar. Neben Wehrlein sammelten beide Kiro-Kunden Führungsmeter.

Direkt als die Aggressivität im Feld wuchs, musste das Safety-Car zum ersten Mal ausrücken. Sébastien Buemi (Envision-Jaguar) konnte nicht aus eigener Kraft weiterfahren. Zum Zeitpunkt des Restarts lag McLaren-Fahrer Taylor Barnard vor dem Porsche-Werksduo in Führung. Der englische Youngster wählte das Risiko und bog sofort für seinen eröffnenden Attack-Mode ab. Eine Entscheidung, für die er bestraft werden sollte.

Formel E 2024/2025 - Berlin Rennen 2 - Start

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Die erste Hälfte sah ein Peloton, auf das vielleicht sogar die Tour de France neidisch gewesen wäre. Porsche leistete anfangs Führungsarbeit, aber…

Zweites Safety-Car entfacht Chaos

Ein schnelles zweites Safety-Car kostete Barnard wertvolle Attack-Mode-Zeit. Der Grund für die Neutralisierung ist ausgerechnet sein Teamkollege Sam Bird gewesen, der mit dem überambitionierten Nico Müller (Andretti-Porsche) kollidiert war. Der Schweizer konnte allerdings weitermachen. Die Top 5 beim Restart bestanden aus Barnard, Wehrlein, Da Costa, Mitch Evans (Jaguar) und Robin Frijns (Envision-Jaguar).

Die zügig genommenen, weil noch reichlich vorhandenen Attack-Modes über das ganze Feld hinweg stellten das Rennen anschließend auf den Kopf. Während die vorherigen Spitzenrenner zurückfielen, kämpften sich die Autos aus den Niederungen des Felds schrittweise nach vorne. Besonders bitter lief es für Pascal Wehrlein, der sich für die Aufteilung von 2+6 Minuten entschieden hatte. Was auf dem Papier einen guten Schlussspurt versprach, endete dramatisch.

Zu Beginn des letzten Viertels der 41 Runden (drei davon wegen Overtime) fiel er aus den Top 10. Anstatt dass es besser wurde, wurde es schlimmer. Plötzlich fand Wehrlein sich nur noch auf dem 19. Rang wieder. Oliver Rowland positionierte sich gleichzeitig in den Top 5 und hatte seinen ersten Titel in greifbarer Nähe.

Formel E 2024/2025 - Berlin Rennen 2 - Nick Cassidy - Jaguar

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Der Regen des Morgens war endlich verschwunden, trotzdem ließ es Sieger Cassidy feucht-fröhlich zugehen.

Extra-Boost kann Wehrlein nicht retten

Die zweite Welle an 350-Kilowatt-Power brachte die Entscheidung. Nick Cassidy, der sich nur auf der 20. Position qualifiziert hatte, sprang spektakulär in die Führung. Der Neuseeländer hatte dementsprechend höchstes Lob für seine Jaguar-Truppe. „Die Saison bisher war wirklich nicht gut, aber die Siege gestern und heute zeigen, was wir wirklich strategisch draufhaben.“

Auf dem zweiten Platz lief Jake Dennis (Andretti-Porsche) ein. Der frühere Weltmeister kam vom 16. Rang. Etwas absehbarer ist hingegen der Drittplatzierte Jean-Éric Vergne (DS Penske) gewesen. Schon früh konnte er von P18 aus an den Rand der Top 10 eilen. Nach dem ersten Chaos des zweiten Restarts lag er erstmals auf der dritten Position. Im Schlussspurt ging es für den Franzosen darum, die gute Ausgangslage zu verteidigen.

Pascal Wehrlein wirkte nach dem Rennen ratlos. „Der Verlauf steht gut für unsere gesamte Saison: Manchmal sind wir so dominant, manchmal tun wir uns so schwer. Ich bin sprachlos, dass ich von der Pole auf die 15. Position abgerutscht bin.“ Für eine genaue Analyse war es noch zu früh. Als Hausaufgabe definierte der Deutsche allerdings die Attack-Mode-Strategie mit den anfänglichen zwei Minuten und den Reifenverbrauch. Grundlegend war ihm aber klar: „Unsere Pace reichte nicht aus.“

Champion Rowland will nach Ibiza

Herzlich egal war dies natürlich Oliver Rowland. Dank Platz vier hatte er den Job zwei Rennen vor Schluss beendet. Der erstmalige Weltmeister jubelte: „Zur Feier des Tages werde ich meine Ingenieure für ein paar Tage nach Ibiza einladen. Das Preisgeld kommt da genau richtig – ich habe mir gerade ein neues Haus gekauft. Ich bin sehr froh, dass ich in dieser Saison mein ganzes Potenzial zeigen konnte.“ Morgens hatte er jedoch noch Bammel.

„Pascal startete so gut in den Sonntag, dass die Titelfrage für mich vertagt erschien. Aber nach den zwei Minuten Attack-Mode fiel er extrem zurück. Es hinterließ den Eindruck, als ob er einen Reifenschaden gehabt hätte.“ Obwohl Rowland schon mal nach Flugtickets und schönen Hotels suchen kann, ist seine Mission noch nicht beendet. Beim abschließenden Doubleheader in London (26./27. Juli) geht es um die Team- und Hersteller-Wertung.

Im Kampf der Mannschaften hat Porsche solide 22 Zähler Vorsprung. DS Penske muss die aufkommenden Jaguar für den dritten Rang abwehren. Deutlich enger zeigt sich das Marken-Tableau: Porsche hat mickrige sieben Zähler Vorsprung auf Nissan. Dort konnte Jaguar die DS-Mutter Stellantis bereits überholen. Etwas Spannungspotenzial bietet zudem noch die Fahrer-WM, denn dort will McLaren-Youngster Barnard dem entthronten Champion Wehrlein die Vize-Ehren mopsen.