„Wir ernten, was wir säen.“ Mit diesem Slogan wirbt der Verein „Laut gegen Nazis“ auf T-Shirts, die am Freitag beim Konzert der Fantastischen Vier im IGA-Park Rostock verkauft wurden. Der Verein setzt sich für Demokratie und Vielfalt ein und begleitet die Hip-Hop-Band derzeit auf ihrer Deutschlandtour. Im Interview erklärt Thomas Kruse-Strack, Aktivist und Mitglied der Initiative „SüdheideBUNDT“, die Hintergründe dieses Engagements.

Thomas, wie kam es dazu, dass ihr einen Stand bei den Fantastischen Vier habt?

Die Band unterstützt seit Jahren den Verein „Laut gegen Nazis“, der vom Hamburger Musikmanager Jörn Menge gegründet wurde. Er lädt regelmäßig andere Vereine und Initiativen, die sich für Demokratie und Vielfalt einsetzen, ein, um Sichtbarkeit für deren Arbeit zu schaffen. Unsere Initiative, „SüdheideBUNDT für Demokratie und Vielfalt“, ist seit einiger Zeit dabei. Deshalb begleiten wir die Tour. Die Bandmitglieder tragen selbst „Laut gegen Nazis“-Shirts, und auch die Konzertbesucher kennen uns inzwischen.

Wie wurde eure Initiative Teil der „Laut gegen Nazis – Familie“ ?

Vor anderthalb Jahren organisierte die AfD ihren Landesparteitag in unserem Dorf in Niedersachsen. Wir mobilisierten etwas über zweitausend Menschen zu einem Protest. Im Rahmen der Vorbereitungen nahmen wir Kontakt zu „Laut gegen Nazis“ auf und haben seither die Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen intensiviert.

Wie sieht diese Zusammenarbeit konkret aus?

Heute zum Beispiel sind wir zusammen mit dem Mecklenburger Verein Rock gegen Rechts unterwegs. Viele von Ihnen stehen zusammen mit uns hier mit den „Pfand gegen Nazis“-Tonnen auf dem Platz und sammeln Becherpfand als Spenden ein, um unsere jeweiligen Projekte zu finanzieren.

Welche Ziele verfolgt ihr?

Thomas Kruse-Strack vom Verein Vielfalt Südheide sieht alle Extreme, ob links, rechts, religiös oder im Bereich Umweltschutz, als potenziell gefährlich an.Bild vergrößern

Thomas Kruse-Strack vom Verein Vielfalt Südheide sieht alle Extreme, ob links, rechts, religiös oder im Bereich Umweltschutz, als potenziell gefährlich an. (Foto: Georg Scharnweber)

Unser Fokus liegt auf der Förderung demokratischer Werte, mit Blick vor allem auf die jungen Menschen. Wir sind überparteilich und setzen uns für Vielfalt und Demokratieschutz ein. Mit den Einnahmen aus den Konzerten finanzieren wir diese Arbeit.

Wie sieht die Arbeit konkret aus?

Wir versuchen zum Beispiel deutlich zu machen, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und Verletzung der Rechte anderer liegt. Es geht darum, zu verstehen, dass Worte ganz reale Konsequenzen haben. Das ist besonders bei jungen Menschen, die sich oft nur online informieren und verstärkt auch radikalisieren, essenziell.

Ist es für einen Dialog nicht besser, einfach zu sagen, was man denkt?

Der Grat ist schmal. Populisten nutzen diese Grauzone, um zu spalten. Verletzend wird es, wenn Äußerlichkeiten oder Überzeugungen rhetorisch überhöht werden. Dialoge dieser Art sollten immer sachlich bleiben – aber ganz ehrlich, das ist echt hart.

Dialoge dieser Art?

Smudo (vorne) und Thomas D geben alles – die beiden sind die bekanntesten Fantas. Insbesondere Smudo hat in den Medien wiederholt seine Haltung gegen rechte Gewalt und Rechtsextremismus zum Ausdruck gebracht.Bild vergrößern

Smudo (vorne) und Thomas D geben alles – die beiden sind die bekanntesten Fantas. Insbesondere Smudo hat in den Medien wiederholt seine Haltung gegen rechte Gewalt und Rechtsextremismus zum Ausdruck gebracht. (Foto: Georg Scharnweber)

Naja, es macht ja einen Unterschied, ob ich mich öffentlich äußere und zum Beispiel jemand Wildfremdem abfällig oder sogar mit offenem Hass begegne oder ob ich mich einfach beim Bierchen im Garten mit Freunden auch mal kontrovers unterhalte.

Das klingt leider furchtbar abstrakt.

Ja, das ist auch ein Problem des öffentlichen Diskurses, vor allem in den Medien, eigentlich aller Art. Hier wird kaum noch differenziert zwischen öffentlicher Meinungsäußerung und Stammtisch. Da setzt die Arbeit von Initiativen wie unserer an. Wir arbeiten konkret, über die Erfahrungswelt: Was sehe und erlebe ich, ganz persönlich und konkret in meiner Alltagswelt.

Im konkreten Gespräch können wir nachhaken und sichtbar machen, wo die Ängste herkommen und ob sie wirklich etwas mit dem einen Menschen im Dorfsupermarkt mit Migrationshintergrund zu tun haben oder sie nicht vielleicht irgendwo anders her gründen. Gesellschaftliche Resilienz gegen Extremismus in welcher Form auch immer – rechts, links, religiös, im Umweltbereich oder zu welchem Thema auch immer – ist und bleibt eben eine Frage des konkreten, sachlichen und faktenbasierten Dialogs auf Augenhöhe.

Spielst du auf den Populismus an?

Ja, zum Beispiel. Wir sehen es leider mittlerweile nicht mal mehr nur bei der AfD immer wieder, dass Dialoge bewusst an die Wand gefahren werden. Strohmann-Argumente und Co. meine ich. Die „Dialoge“ werden zunehmend in der Art gestaltet, dass sie keine sinnvolle Antwort mehr ermöglichen, oder sie mit der Motivation geführt werden, zu spalten.

Spaltung ist ja mittlerweile schon zum Kampfbegriff geworden, oder?

Verständlich. Schließlich ist es ja das, was passiert. Dass man sich immer öfter plötzlich in der Falle wiederfindet, die Demokratie zu rechtfertigen. Dort verläuft final die Spaltung. Meiner Ansicht nach ist das Spektrum demokratisch legitimierter Meinungsäußerung und Politik sehr, sehr weit. Also das reicht von mega konservativ, das was rechts ist, aber nicht rechtsextrem, bis zu ganz links, von Geschlecht, über Hautfarbe bis hin zu dem Milieu, in dem man sich bewegt, alles davon ein Spektrum. Und verlassen wird dieser immer vielfältig werdender Raum im Extremen, um eben zu hetzen, nicht zu gestalten.

Populistische Akteure verschieben immer wieder die Grenze dessen, was gesagt werden „darf“. Sie schwadronieren bei Kritik und klarer Grenzsetzung durch Grundgesetz oder Menschenrechte wiederholt von angeblicher Spaltung und werben für die angebliche freie Meinungsäußerung. Da muss man sich aber auch genauso vor dem „Toleranz“-Paradoxon hüten.

Was ist denn das?

Da wird auf der einen Seite Toleranz gefordert, aber man ist auf der anderen Seite nicht bereit, diese selbst zu geben oder sich an grundlegende Spielregeln zu halten. Das gibt es von beiden, oder besser: allen Seiten, ohne Frage. Echte Toleranz erfordert, Unterschiede auszuhalten. Und das geht leider immer auch mit Schmerzen einher.

Wofür Vielfalt und Toleranz eigentlich steht, ist, bei gleicher Sichtbarkeit einfach in Ruhe gelassen zu werden.

Thomas Kruse-Strack, Aktivist und Mitglied der Initiative „SüdheideBUNDT“

Was meinst du?

Na zum Beispiel steht ja der CSD an. Ich fände es am schönsten, wenn wirklich alle, absolut alle, gemeinsam beim CSD auf der Straße feiern. Ich habe es als hetero und Cis-Mann persönlich noch nie erlebt, dass ich aus der queeren Community heraus komisch angeguckt wurde. Auch frühsexualisiert wird da nichts.

Das ist, wenn man die Debatte ehrlich führen würde, bei einem klassischen Schützenfest viel dramatischer, zumindest meiner Erfahrung nach. Da gibt es sehr stark sexualisierte und bis zum Korsett verengte Rollenbilder und zugehörige Verhaltensweisen, die – und das ist das Schlimme, wo der CSD beispielsweise ansetzt – als vermeintlich „normal“ von den Menschen abverlangt werden. Wofür Vielfalt und Toleranz eigentlich steht, ist, bei gleicher Sichtbarkeit einfach in Ruhe gelassen zu werden.

Andrea Päpke (l.) und Steffi Sobczak (r.) sammeln „Pfand gegen Nazis“. Damit wird die Arbeit ihres Vereins „Rock gegen Rechts“ finanziert.Bild vergrößern

Andrea Päpke (l.) und Steffi Sobczak (r.) sammeln „Pfand gegen Nazis“. Damit wird die Arbeit ihres Vereins „Rock gegen Rechts“ finanziert. (Foto: Georg Scharnweber)

Hier prallen Welten aufeinander, die unvereinbar scheinen. Wie sollte Dialog möglich sein, wenn doch das jeweilige Fundament selbst infrage gestellt wird?

Es gibt Unterschiede zwischen realer Politik und dem, was ich ganz konkret mache. Worauf basiert meine Meinung, wie finde ich zu meinen Informationen, was kann ich wirklich in Sachen globaler Politik überblicken? Und dann findet man in den Überlegungen schnell zu der Frage, welche Werte sind es, die ich mir wünsche. Politisch kann das bedeuten, für bestimmte Parteien zu werben. Es kann aber auch heißen, klare persönliche Grenzen – oder eben Handreichungen – gegenüber meinem Nachbarn beispielsweise zu setzen.

Und momentan sehe ich eine dramatische und gefährliche Entwicklung, bei der erkämpfte Werte, auf die man sich geeinigt hat, zurückgenommen werden, statt diese weiterzuentwickeln. Der Blick geht also in eine vergangene Zeit, die es gar nicht mehr geben kann, aus Angst, im globalen Kontext als Verlierer dazustehen. Meiner Ansicht nach müssen wir uns für Offenheit und Toleranz einsetzen, um ein weiteres Auseinanderdriften als Gesellschaft zu verhindern.