Sie sind extrem engagiert und haben in ihren relativ kurzen Karrieren schon beeindruckend viel geleistet: Das Team „Berliner Wirtschaft“ des Tagesspiegels stellt insgesamt 40 Macherinnen und Macher aus Berliner Unternehmen und Institutionen vor, die nicht älter sind als 40 Jahre.
Nadin Güner, G-Cars
Nadin Güner, 39, hat es in diesem Jahr gewagt und sich als Gründerin eines Chauffeurdiensts für Frauen selbstständig gemacht. Erfahrung in der Branche hat sie nicht. Zuvor arbeitete als Immobilienmaklerin. Die Idee von ihrem Fahrdienst G-Cars – das „Das G steht für Girls“ – ist folgende: Frauen, die sich in den Öffis oder mit einem männlichen Fahrer im Taxi unsicher fühlen, bestellen in der G-Car-App eine Tour.
Eine Fahrerin ruft daraufhin an, versichert sich, dass eine Frau bestellt hat, fährt vor und bringt die Kundin ans Ziel. Seit April ist Güners Firma in Berlin unterwegs, sie startete mit zwei Autos, seit Juli fahren acht Fahrzeuge durch die Stadt. Kundinnen zahlen weniger als im Taxi, müssen wegen der kleinen Wagenzahl aber meist länger auf ein Auto warten, als wenn sie bei den Fahrtenvermittlern Uber und Bolt bestellen. Nadin Güner ist verheiratet und Mutter von zwei Töchtern. (sims)
Chris Werner, Berliner Stadtwerke Chris Werner führt 155 Mitarbeiter.
© BENJAMIN PRITZKULEIT
Solarenergie fand Chris Werner, 35, Chef der Berliner Stadtwerke schon immer klasse. Gleich nach dem Abitur hat er Elektrotechnik studiert und parallel als Trainee in einem großen Konzern gearbeitet. Werner wurde schon mit Mitte 20 Vertriebschef und führte ein internationales Team. Zehn Jahre später leitet er die Stadtwerke mit inzwischen 155 Mitarbeitern und 500 Solaranlagen im Portfolio.
Die schnelle Karriere stieß immer mal auf Skepsis bei den Kollegen, aber Werner hat einfach Ahnung vom Sujet, in Theorie und Praxis, auch auf der kaufmännischen Seite. „Wenn es nötig war, dann habe ich sogar selbst Solarmodule mit installiert oder Wechselrichter angeschlossen.“ Mit Stadtwerken und den sie begleitenden Politikern hatte er zuvor schon als Berater für erneuerbare Energieprojekte zu tun.
„Ich arbeite mit hoher Geschwindigkeit und großem Gestaltungswillen“, sagt Werner. Deshalb fungieren die Berliner Stadtwerke inzwischen nicht mehr nur als Produzent und Anbieter von Solar- und Windstrom, sondern mischen mit ihrem „virtuellen Kraftwerk“ auch an der Strombörse mit. (loy)
Madina Katter, Grains Madina Katter stellte mit ihrem Start-up Bulletproof Ukraine ballistische Schutzwesten her.
© Bulletproof Ukraine / Johnny Nghiem
Madina Katter ist Geschäftsführerin und Mitgründerin von Grains, einer gemeinnützigen Berufsschule für das Gastgewerbe in der Ukraine. Die Einrichtung nahe Kiew bietet Binnengeflüchteten aus den umkämpften Gebieten eine kostenfreie Ausbildung mit dem Ziel, sie unmittelbar in Hotels und Restaurants zu integrieren. Grains verbindet praktische Ausbildung im Hotelbetrieb mit digitaler Lernsoftware.
Madina Katter wurde in Kasachstan und wohnt in Berlin. Sie verbindet juristische Expertise mit unternehmerischem Gestaltungswillen. Bereits vor Grains gründete sie die Initiative Bulletproof Ukraine, die schusssichere Westen für Zivilisten und Journalistinnen in der Ukraine produzierte.
Nun entwickelt Katter mit Grains eine Lösung, die über akute Nothilfe hinausgeht. Ihr Ansatz: Ein nachhaltiges Bildungsangebot, das Betroffene in berufliche Selbstständigkeit führt. Die Gründerin bringt Erfahrung aus der Entwicklung wirkungsorientierter Technologieprojekte in Europa und dem Nahen Osten mit. Die Grains-App soll künftig auch in Deutschland Geflüchteten den Einstieg in das Gastgewerbe erleichtern. (cmk)
Die Serie „40 bis 40 der Berliner Wirtschaft“.
© Tagesspiegel
Das Team „Berliner Wirtschaft“ des Tagesspiegels hat 40 besonders vielversprechende Führungspersönlichkeiten aus Unternehmen und Institutionen identifiziert, die ihr 40. Lebensjahr noch nicht erreicht haben und daher noch über Jahrzehnte viel bewegen dürften in der Hauptstadtregion – und darüber hinaus. Wir stellen sie in einer fünfteiligen Serie vor. Alle bisher erschienen Folgen finden Sie hier.
Jan Brauburger, IG Metall Jan Brauburger hilft der Industriegewerkschaft Metall, bei Digitalunternehmen Fuß zu fassen.
© privat
Jan Brauburger (36) steht für einen Kulturwandel bei der IG Metall Berlin. Als Koordinator des neuen Teams Digitalwirtschaft in Berlin leistet er seit einem Jahr Pionierarbeit – in einer Branche, die mit klassischen gewerkschaftlichen Strukturen wenig anfangen kann. Englisch ist hier Alltag, die Beschäftigten kommen aus aller Welt, Betriebsräte sind oft Neuland.
Brauburgers Team ist die Antwort der IG Metall Berlin auf eine Arbeitswelt, in der Mitbestimmung nicht gewachsen, sondern erklärt werden muss. Statt tariflicher Routine geht es um Aufbauarbeit – von Grund auf. Dass er dafür der Richtige ist, zeigt sein Weg: internationale Gewerkschaftserfahrung, politisches Gespür, ein klarer Kompass. Und die Fähigkeit, Vertrauen zu gewinnen, wo Misstrauen die Norm ist. (alfa)
Marie von der Heydt, Musicboard Berlin Marie von der Heydt vernetzt die Popmusikszene in Berlin.
© Camille Blake
Marie von der Heydt (36) steht seit 2024 an der Spitze des Musicboard Berlin – jener Institution, die die Popmusikszene der Hauptstadt fördern und vernetzen soll. Von der Heydt bringt Verwaltungserfahrung mit, aber auch Gespür für das Milieu: Sie leitete zuvor das Musikreferat der Berliner Kulturverwaltung und war für die Friedrich-Ebert-Stiftung im Kulturbereich tätig. Im Musicboard setzt sie auf klare Prioritäten: Förderung jenseits des Mainstreams, internationale Vernetzung und mehr Sichtbarkeit für Pop als kulturelle Praxis. (alfa)
Heydt denkt Pop nicht in Charts, sondern in Chancen.
Alix Faßmann über die Chefin des Musicboards.
Auch mit knappen Mitteln will sie verlässlich fördern, was laut, unbequem oder noch unbekannt ist. Das Pop-Kultur-Festival und die Fête de la Musique fallen nun ebenfalls in ihren Bereich. Von der Heydt denkt Pop nicht in Charts, sondern in Chancen – für eine Szene, die Berlin weiterhin prägt. (alfa)
Tim Schwaar, Safia Technologie Tim Schwaars Firma entwickelt einen Antikörper-Schnelltest für Schimmelpilze.
© SAFIA Technologies GmbH
Einer, der „lösungsorientiert denkt und dabei immer optimistisch und realistisch bleibt“, sagt eine Kollegin über ihn. Tim Schwaar, 36, gründete vor drei Jahren Safia Technologies, zusammen mit einem Kommilitonen. Hauptprodukt ist ein Antikörper-Schnelltest für Schimmelpilze beziehungsweise deren Gifte, die Mykotoxine.
Schwaar hat Chemie an der Humboldt-Universität studiert und danach an der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in der Bioanalytik promoviert. Hier entstand die Idee zum Analysesystem, das vom Prinzip her ähnlich funktioniert wie ein Coronatest. Ursprünglich hatten die Safia-Gründer ihre Analytik für Abwässer konzipiert, aber die Klärwerk-Betreiber zeigten wenig Interesse.
Schimmelpilze müssen sie nicht eliminieren, also hatten sie auch keinen Grund, entsprechende Testkits einzukaufen. Ganz anders sieht es in der Lebensmittelindustrie aus. 2024 wurde das Team um Timm Schwaar mit dem Deep Tech Award ausgezeichnet. Der Chemiker aus Pankow verantwortet bei Safia die Bereiche Business Development, Finanzierung und Vertrieb. (loy)
Manuel Ehlers, Triodos Bank Manuel Ehlers leitet den Bereich nachhaltige Immobilienfinanzierung bei der Triodos Bank.
© Triodos Bank Büro Berlin
Für den Bereichsleiter einer Bank hat Manuel Ehlers (38) wohl einen sehr ungewöhnlichen Arbeitsplatz: in einem Gemeinschaftsbüro mit verschiebbaren Wänden aus Holz in einem ehemaligen Brauereigebäude in Neukölln: dem Impact Hub, das mit recycelten Baustoffen zu einem Coworking-, Veranstaltungs- und Wohngebäude ausgebaut wurde.
Als studierter Wirtschaftsingenieur hat Ehlers zunächst mehrere Jahre als Projektentwickler für Hochtief gearbeitet. Seit fast zehn Jahren leitet er den Bereich nachhaltige Immobilienfinanzierung bei der Triodos Bank, die 2024 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet wurde. Als Nachhaltigkeitsbank finanziert sie genau solche Bauprojekte wie das Impact Hub: Projekte, die andere Banken nicht finanzieren würden, die es aber braucht für die Bauwende, für weniger Müll und weniger CO₂-Ausstoß beim Bauen und für eine sozial ausgerichtete Stadtentwicklung.
Zwar sieht Ehlers ESG-Zertifizierungen wie die von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) kritisch, weil sie zu viele Aspekte von Gebäuden gar nicht einbeziehen, dennoch berät der das Zertifizierungsinstitut seit 2022 im Immobilienbeirat und ist seit wenigen Monaten auch im Fachbeirat des Vereins Bauen im Bestand. (roe)
Polina Sergeeva, Menstruflow Polina Sergeevas Unternehmen entwickelt ein Gerät, das Menstruationsschmerzen besser lindern soll als Schmerztabletten.
© menstruflow
Die 31-jährige Polina Sergeeva trägt bei Konferenzen oft ein Schild mit sich, auf dem groß „Periode ist normal“ steht. Anschließend postet sie auf ihren Internetkanälen Videos der Aktionen, die die verblüfften Blicke der Männer zeigen. Sergeeva will die Menstruation enttabuisieren, nicht nur als Aktivistin.
2023 gründete sie Menstruflow. Das Start-up vertreibt ein sogenanntes TENS-Gerät, das über elektrische Impulse die Schmerzleitung im Körper blockiert. Sergeeva gibt an, sie habe „17 Jahre lang Ibus wie Smarties geschluckt“. Das Gerät soll schonender sein. Sergeeva verkauft es direkt an Kundinnen, hat aber auch Firmenpakete im Angebot: Kaufen Unternehmen ihr Gerät, so die Idee, können deren Mitarbeiterinnen produktiver arbeiten.
Polina Sergeeva wurde in Moskau geboren und zog mit sechs nach Kaiserslautern. Nach einem Dualen Studium bei einem Kommunikationsunternehmen arbeitete sie unter anderem als Vertrieblerin und als Content-Creatorin. (sims)
Alle bisher erschienen Folgen der Serie „40 bis 40 der Berliner Wirtschaft“ finden Sie hier.