Großbritannien gilt als eine der wenigen echten Militärmächte Europas – strategisch schlagkräftig, nuklear bewaffnet und eng mit den USA verbunden. Erst vor wenigen Tagen betonten US-Präsident Donald Trump und Premierminister Keir Starmer vor diesem Hintergrund erneut die „besondere Beziehung“ zwischen beiden Nationen – zumindest vor den Kameras. Doch unter der Oberfläche dieses Bündnisses verbirgt sich eine unbequeme Wahrheit: Großbritannien ist neben Frankreich die einzige Atommacht Europas, aber in vielen Bereichen stark von den USA abhängig – das gilt insbesondere für die Nuklearstrategie. Die Trident-Raketen, das Rückgrat der nuklearen Abschreckung des Vereinigten Königreichs, werden zwar auf britischen U-Booten stationiert, jedoch in den USA hergestellt, gewartet und gelagert.

Diese enge technologische Verzahnung sicherte die Einsatzbereitschaft der Nuklearwaffen und sparte Geld. Es war ein System, das jahrzehntelang funktioniert hat. Doch die Weltordnung ist im Umbruch. Donald Trump stellt den transatlantischen Rückhalt für Europa infrage. „Der hohe Grad an Verflechtung macht Großbritannien sehr, sehr anfällig für eine unvorhersehbare US-Regierung“, sagte Richard Whitman von der University of Kent im Gespräch mit unserer Redaktion.

Britische Experten warnen vor Naivität in Bezug auf die Beziehungen zu den USA

Britische Experten warnen daher verstärkt, dass man es sich trotz der engen Beziehungen zwischen Washington und London, die Starmer derzeit weiterhin beschwört, nicht leisten könne, einfach auf das Beste zu hoffen: Der Verteidigungsanalyst Nicholas Drummond bezeichnete die Vorstellung, dass die USA künftig keine Trident-Raketen mehr liefern könnten, als „beängstigend“ und fügte hinzu: „Jemand, der das vor einem Jahr gesagt hätte, wäre für einen Idioten gehalten worden. Jetzt ist es ein Szenario, auf das wir uns vorbereiten müssen.“

Das britische Trident-Programm ist Teil der Nato-Strategie und besteht aus vier Atom-U-Booten, von denen jedes mehrere Raketen mit nuklearen Sprengköpfen tragen kann. Mindestens ein Atom-U-Boot patrouilliert ständig und ist jederzeit bereit, auf einen ausländischen Atomangriff mit einem Gegenschlag zu reagieren – zur Abschreckung. Jedes Land, das der Nato angehört, würde im Falle eines Angriffs von diesem „Schutzschirm“ der kollektiven nuklearen Fähigkeiten profitieren. Allerdings verfügt Großbritannien nur über einen Bruchteil der Atomwaffen als die Amerikaner und Russen, die mit gewaltigen nuklearen Arsenalen ausgestattet sind. 

Wenn sie die USA zurückziehen, muss London neue Partner suchen

Da sich jedoch in den letzten Wochen immer mehr andeutet, dass sich die US-Politik gegenüber der Nato und der europäischen Verteidigung grundlegend ändert, kommen nun ernsthafte Zweifel an der nuklearen Abschreckungsfähigkeit der Briten und ihrem Beitrag zum Nordatlantikpakt auf. Wenn die USA ihre Unterstützung einstellen, hätte Großbritannien zwar noch Trident-Raketen in Reserve, müsse sich aber neue Partner suchen, um selbst welche zu entwickeln, so Matthew Savill, Experte des Royal United Services Institute (RUSI), einer Denkfabrik für Verteidigung. Er schlug vor, dass sich Großbritannien dafür etwa an die Franzosen wenden könnte, auch um Geld zu sparen.

Tatsächlich, so Whitman, gebe es in der Zusammenarbeit zwischen London und Paris über den 2010 zwischen den Ländern geschlossenen „Lancaster House Treaty“, einem Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen, noch viel Kooperationspotenzial. Sie könnten sich ihm zufolge etwa dazu verpflichten, die Lieferung von Storm-Shadow- beziehungsweise Scalp-Marschflugkörpern an die Ukraine „schnell“ zu erhöhen. Derzeit sei jedoch noch völlig offen, wo und wie Sicherheitsgespräche zwischen europäischen Ländern in Zukunft stattfinden werden, wenn die Nato nicht mehr das Hauptforum sei. Laut dem Militäranalysten Sean Bell ist der einfachste Weg, um die Abschreckung zu erhöhen, ein anderer. Er schlägt vor, dass Frankreich sein Atomwaffenarsenal mit der Nato teilen solle, wie Großbritannien. Zwei europäische Länder bedeuten „mehr Widerstandskraft und Glaubwürdigkeit“.

Frankreich will seine Atomstreitkräfte nicht unter Nato-Kommando stellen

In Frankreich wird eine Bereitstellung der eigenen Atomstreitkräfte der Nato jedoch nicht erwogen, denn diese gelten als „souverän und unabhängig“. Denn obwohl das Land eines der zwölf Gründungsmitglieder des Nordatlantikpakts ist, verweigerte bereits der damalige Präsident Charles de Gaulle 1949, sich als Atommacht unter US-Kommando zu stellen oder Nato-Stützpunkte im eigenen Land zu dulden. Angesichts der Wandlung der USA von einem Partner zu einem potenziellen Gegner wird diese Entscheidung in Paris weniger denn je infrage gestellt. 

  • Susanne Ebner

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