Liebe Leserin, lieber Leser,
plötzlich
stand er da. Gleich hinter der Kurve, mitten auf dem Radweg. Ich zog
scharf nach rechts, konnte gerade so ausweichen und war mächtig
sauer. Aber wen sollte ich anmotzen? Den E-Roller, der da seelenlos
im Weg stand? Der Mensch, der ihn abgestellt hatte, war längst
verschwunden – und auch sonst war niemand in Sicht, der sich
verantwortlich fühlte.
Der
Beinahe-Unfall ist eine Woche her, mein Puls hat sich beruhigt.
Vielleicht kennen Sie solche Situationen. Anfangs musste ich über
achtlos abgestellte Roller noch schmunzeln, sie wirkten wie moderne
Stillleben. Freunden ging es ähnlich. Wir schickten uns Fotos: Tss,
guck mal – ein Roller auf dem Zebrastreifen, im Vorgarten, im
Fahrstuhl. Wer macht denn so was? Haha.
Inzwischen
hat sich der Witz erschöpft. Man ist schlicht abgestumpft, weil der
Anblick so normal geworden ist. E-Scooter sind seit Juni 2019 in
Deutschland zugelassen, also seit genau sechs Jahren. Sie sollen Teil
der Verkehrswende sein, doch im Stadtbild sind sie eher Stolperfallen
– und laut ADAC mittlerweile das größte Ärgernis von Fußgängern.
Aber
hey, jetzt ist das Bundesverkehrsministerium aufgewacht: Die
Abstellregeln sollen bundesweit verschärft werden. Verleih-Scooter
dürfen bald nicht mehr einfach auf Gehwegen oder in Fußgängerzonen
abgestellt werden. Sie gelten dann als „Sondernutzung“ des
öffentlichen Raums. Anbieter müssen mit den Kommunen vor Ort
festlegen, wo das Abstellen erlaubt ist.
Der
Bund ist spät dran, Hamburg ist da schon weiter. Die Stadt hat
längst feste Abstellflächen und Verbotszonen eingerichtet – etwa
rund um die Binnenalster –, in denen die
Apps das Abstellen technisch blockieren. Wer trotzdem quer parkt,
zahlt: 30 Euro fürs Umstellen, 100 fürs Abschleppen. Die Rechnung
geht an die Anbieter und kann an die Nutzer weitergegeben werden.
Mein Eindruck: In der Innenstadt funktioniert das mäßig, dort fahre ich
seltener, aber immer noch ab und an Slalom. In den meisten Wohnvierteln
sieht es schlimmer aus. Gerade dort, wo auch Kinderwägen oder
Einkaufstrolleys übers Pflaster geschoben werden, stehen die Roller noch
kreuz und quer herum.
© ZON
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Manche
fordern nun ein generelles Verbot wie in Gelsenkirchen, wo
Leih-Scooter aus dem Stadtbild verschwunden sind. Ich bin da nicht so
sicher, möchte lieber an klare Regeln als an pauschale Verbote
glauben – und finde, die Stadt schöpft ihre Möglichkeiten noch
lange nicht aus. Warum nicht flächendeckend feste Abstellzonen
einrichten – statt Stückwerk?
Die
Verleiher fürchten, ihr Geschäftsmodell könnte leiden, angeblich
hätten Nutzer keine Lust, erst zur nächsten Rückgabestelle zu
laufen. Aber das Argument finde ich schräg: Bei Leihfahrrädern
funktioniert das Konzept doch auch.
Was
die Verkehrswende sicher nicht braucht, sind neue Hindernisse auf
alten Wegen. Stattdessen
braucht es klare Regeln und eine Platzverteilung, die nicht neue
Konflikte schafft.
Kommen
Sie gut durch die Woche!
Ihre
Annika Lasarzik
WAS HEUTE WICHTIG IST
© Marcus Brandt/dpa
Selina
Storm bildet
ab jetzt zusammen mit Leon Alam
die Doppelspitze im Landesvorstand der Hamburger Grünen. Die
Physikerin und wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion wurde
am Samstag beim Landesparteitag der Grünen ins Amt gewählt. Sie
folgt auf Maryam Blumenthal, die als Schulsenatorin in den Senat
gewechselt ist und das Amt daher abgegeben hat.
Vertrauliche
Gespräche des rot-grünen Senats mit den Initiatoren des
Zukunftsentscheids
für mehr Klimaschutz sind
gescheitert. Ziel sei es gewesen, mit Blick auf den für Oktober
geplanten Volksentscheid noch einen Kompromiss zwischen Regierung und
Initiative auszuloten, sagte die Zweite Bürgermeisterin und
Umweltsenatorin Katharina Fegebank. Ein dazu von der Stadt
vorgelegtes Angebot sei jedoch abgelehnt worden. Der „Hamburger
Zukunftsentscheid“ will erreichen, dass die Stadt bereits bis 2040
klimaneutral wird – fünf Jahre früher als vom rot-grünen Senat
geplant.
Der Hamburger Carlsen Verlag wehrt sich gegen
fragwürdige „Conni“-Memes
im Internet. „Wir
drohen nicht mit Klagen, sondern fordern in bestimmten Fällen dazu
auf, das jeweilige Meme aus dem Netz zu löschen“, erklärte der
Verlag im LinkedIn-Netzwerk.
Konkret gehe es dabei um menschenverachtende, rassistische,
gewaltverherrlichende und pornografische Verwendungen der
Conni-Figur. Die große Beliebtheit der Kinderbuchfigur findet
Ausdruck in zahllosen, meist KI-generierten Memes
in den sozialen Netzwerken. Aus Sicht des Carlsen Verlags handelt es
sich dabei „in vielen Fällen um unwissentliche Verletzungen von
Urheber-, Marken- und/oder Titelrechten“.
In aller Kürze
• Im
Prozess um die mutmaßliche Entführung zweier Kinder der
Hamburger Unternehmerin Christina Block hat
deren Verteidiger die Vorwürfe gegen seine Mandantin am Freitag
zurückgewiesen – ZEIT-Kriminalreporterin Anne Kunze war am ersten
Prozesstag im Gericht, ihre Beobachtungen finden
Sie hier
(Z+) •
Der Aufsichtsratsvorsitzende
des Hamburger Hafenlogistikers HHLA, Rüdiger Grube, hat
seinen Rücktritt angekündigt – sobald voraussichtlich Ende Juli
die Nachfolge der scheidenden Vorstandsvorsitzenden Angela Titzrath
geklärt ist, will er seinen Posten abgeben. •
Der Bundesliga-Aufsteiger HSV hat
am Samstag ein Testspiel beim FC Kopenhagen mit 0:1 verloren
THEMA DES TAGES
© Georg Wendt/dpa
„Es macht keinen Sinn mehr, deutsche Eichen in die Stadt zu pflanzen“
Sind
Hamburgs Alleen zu retten? Der Baumschul-Geschäftsführer Bernhard
von Ehren fordert mehr Artenvielfalt – auch mit Bäumen aus anderen
Klimazonen. Lesen Sie hier einen Auszug aus dem Interview mit
Bernhard von Ehren, der in fünfter Generation eine Baumschule
leitet. Die Fragen stellte ZEIT:Hamburg-Autorin Kristina Läsker.
DIE
ZEIT: Herr
von Ehren, in Hamburg
ist es gerade oft heiß und trocken. Wie geht es da den Bäumen in
der Stadt?
Bernhard
von Ehren: Das
ist dramatisch, viele Bäume sind gestresst. Im Februar, März und
April hatten wir fast keinen Niederschlag. Bäume mit flachen Wurzeln
hatten viel zu wenig zu trinken. Man kann das sehen: Die Blätter
sind kleiner als sonst, sie werfen weniger Schatten. Die Bäume
stagnieren, sie überleben bloß.
ZEIT:
Gilt
das für alle Bäume?
Von
Ehren: Nein.
Die älteren Bäume Hamburgs sind oft vitaler, die jüngeren
versterben öfter.
ZEIT:
Warum
ist das so?
Von
Ehren: In
Hamburg wurde vor und nach dem Zweiten Weltkrieg richtig viel
gepflanzt, deshalb ist Hamburg heute so grün. Die Stadtplaner haben
den Bäumen damals noch große Wurzelräume gegönnt, daher können
sie bei Dürre und Hitze besser Wasser aus der Tiefe aufnehmen. Man
sieht das auch an den grünen Lungen der Stadt: im Stadtpark, rund um
die Alster, auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Vergleichen Sie das mal mit
den jungen Bäumen an mehrspurigen Straßen: Die müssen mit winzigen
Baumgruben klarkommen, ringsherum sind schwarzer Asphalt und hohe
Fassaden. Da steht die Hitze. In der HafenCity etwa stehen Bäume in
sandigen Böden. Die Baumgruben werden mit Substrat aufgefüllt, aber
die Bäume können das Wasser dort trotzdem nicht halten. Sie müssen
auch nach 20 Jahren noch gewässert werden. Für die Bäume ist das
so, als hätte man sie in die Wüste gepflanzt.
ZEIT:
Das
klingt nicht gut.
Von
Ehren: Hamburg
ist oft purer Stress für Bäume, an vielen Standorten. Es wird viel
gebaut und gebuddelt. Beim Verlegen von Kabeln, Leitungen und Rohren
werden häufig Wurzeln beschädigt. Auch wenn Autos oder Räder auf
Baumscheiben parken oder im Winter zu viel Salz verstreut wird, mögen
die Pflanzen das nicht.
ZEIT:
Wie
groß ist der Schaden durch den Klimawandel?
Von
Ehren: Seit
gut zehn Jahren spüren wir in Hamburg die Dürre- und Hitzeperioden.
Wir hatten hier schon über 40 Grad, das gab es in meiner Kindheit
nie! Manche heimischen Arten wie Eiche, Linde oder Ahorn kommen damit
nicht gut zurecht. Geschwächte Bäume bekommen leichter Krankheiten.
Durch den Klimawandel wandern auch neue Schädlinge ein: Pilze,
Bakterien, Viren, Insekten. Die Erreger befallen unsere heimischen
Pflanzen. Eichen, eine der Hauptarten in Hamburg, leiden stark unter
dem Eichenprozessionsspinner. Ein Pilz bei Eschen führt zum
sogenannten Eschentriebsterben. Kastanien bekommen ein Stammbluten,
es droht der Verlust der Art.
Was
man dagegen tun kann, welche Bäume besonders gut mit Hitze und
Trockenheit klarkommen und ob Hamburg genug für den Schutz der Bäume
tut, lesen
Sie weiter in der ungekürzten Fassung auf zeit.de.
DER SATZ
© Jelka Lerche/ ZEIT-GRAFIK
„Manche
von uns campen mit dem Auto an der Nordsee, andere fahren zu ihren
Großeltern oder bringen einen neuen Esstisch nach Hause, den sie bei
Kleinanzeigen ergattert haben.“
ZEIT-Autorin
Stella Lueneberg teilt sich in Hamburg ein Auto – mit 30 anderen
Menschen. Wie Carsharing im Freundeskreis funktioniert, welche Vor-
und Nachteile das hat und mit welchen Tipps das Modell im Alltag
funktioniert, hat Lueneberg in einem Online-Artikel zusammengefasst –
den ganzen
Text lesen Sie hier.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Das
MARKK widmet sich im zweiten Teil seiner Reihe „Essen“ folgenden
Fragen: Was nährt die Seele? Was stillt den Durst des Geistes in
einer Welt voller Lärm, Verlust und Fragmentierung? Es geht an
diesem Abend also nicht allein um Nahrungsaufnahme, sondern um
Nahrung für die Seele. Die multidisziplinäre Künstlerin Chouf
gestaltet den Abend als literarische Performance.
„Essen“, 17. Juli, 19 Uhr; Museum am Rothenbaum, Rothenbaumchaussee
MEINE STADT
POST vom Ufo (gesehen bei der Alten Oberpostdirektion) © Uschi Wolf
HAMBURGER SCHNACK
Mit
dem neuen Gebrauchtwagen – 20 cm länger als sein Vorgänger –
konnte ich (Ü70) endlich die dringend benötigte siebenstufige
Leiter kaufen. Doch dann die böse Überraschung: Der Sitz ließ sich
nicht so weit nach vorne klappen wie gedacht, das Monstrum stieß ans
Armaturenbrett und hing hinten raus. Ich war ratlos. Da kam ein Punk
über den Parkplatz des Baumarkts, mindestens so alt wie ich,
tätowiert und gepierct an allen sichtbaren Stellen, zog wortlos die
Leiter wieder raus, öffnete die Beifahrertür, kurbelte den Sitz in
die andere Richtung nach hinten und schob sie jetzt völlig
waagerecht ins Auto. Passte genau! Ich bedankte mich glücklich und
sagte: „Ich wusste gar nicht, dass der Wagen Liegesitze hat.“
Darauf er: „Jou, jetz kannst in Urlaub fahren.“
Gehört
von Margit Tabel-Gerster
Das war
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