„Bitte leise, wir haben was ganz Zartes vorbereitet!“, ruft eine Geigerin in den blau beleuchteten, riesigen Keller der ehemaligen Sektkellerei Rilling hinein. Langsam verstummen die vielen Zuhörer, die sich für diesen Auftritt unter Tage begeben haben. Als alles leise ist, spielen Schülerinnen und Schüler des Kepler-Gymnasiums, die sich in einem großen Kreis aufgestellt haben, ihre Wassermusik.
Genau genommen sind es Wasserklänge. Es tropft und klopft und gurgelt – am Ende ist die Rilling-Unterwelt mit einem wundersamen Klangteppich bedeckt. Es gibt Applaus und alles strebt wieder an Tageslicht, wo die nächsten Programmpunkte warten: Rumänische Volkstänze, angestimmt vom 17-köpfigen Stuttgarter Kammerorchester (SKO), eine Hip-Hop-Session und deutsch-ukrainischer Alternative-Rock, bei dem auch das Kammerorchester seine Instrumente im Spiel hat – ganz nach dem bewährten Motto des SKO und seines Geschäftsführenden Intendanten Markus Korselt: bloß keine Berührungsängste!
Auf dem Rilling-Gelände trat auch ein Streichsextett des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums auf. Foto: Jan Sellner
Zuvor hatte, von der Cannstatter Altstadt kommend, ein Umzug der Grünschüler der Altenburg-Gemeinschaftsschule mit „Klangmobilen“ stattgefunden, ehe der Posaunenchor Bad Cannstatt vom Dach der an der Brückenstraße gelegenen Kellerei das Neckarfest eröffnete und junge Blechbläser des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums (Ebelu) und später Mitglieder des Ebelu-Sinfonieorchesters ihr Können zeigten und damit die seit März 2024 bestehende Partnerschaft zwischen dem SKO und dem Ebelu musikalisch untermalten.
Apropos malen. Dafür sind an diesem Sonntagnachmittag Kinder zuständig. Angeleitet von Menja Stevenson, der Leiterin der Jugendkunstschule, besprühen sie den Asphalt des ehemaligen Werksgeländes, wo im Herbst 2023 nach 135 Jahren die Produktion eingestellt wurde, bunt mit Noten und Sternen.
Künftig könnte hier am Neckarufer Musik produziert und aufgeführt werden. Musikalisches Crossover, gemeinsames Musizieren für ein Stuttgart, das sich gut anfühlt und gut anhört, das hat sich das Kammerorchester auf seine Fahnen geschrieben: „Von Purcell bis Nirvana“ ist da zu lesen. Es bringt zum Ausdruck, was sich das SKO im Verein mit den Stuttgarter Philharmoniker und der Internationalen Bachakademie auf dem Rilling-Areal vorstellt: „einen Musikort für alle“.
Rund 120 Millionen Euro würde dieses Konzertforum nach heutigem Stand kosten. Korselts Hoffnung ist, dass sich trotz der Stuttgarter Finanznöte ausreichend viele Stadträtinnen und Stadträte von dem Vorhaben überzeugen lassen und sich im Doppelhaushalt 2026/27 für das Konzertforum aussprechen. Das Kammerorchester sieht darin auch eine Maßnahme zur Entwicklung des Quartiers mit Hilfe der Kultur. Das Neckarfest am Sonntag bot dafür einen Vorgeschmack.
Diskussion um den Standort
Der Standort ist allerdings umstritten. Während der SKO-Intendant auf etliche Großspender und auf breite Zustimmung speziell auch aus Bad Cannstatt verweist, kritisierte der frühere Grünen-Bezirksbeirat Peter Mielert jüngst wieder, das an sich wünschenswerte Vorhaben passe nicht zu der „kleinteiligen Struktur der Neckarvorstadt“. Es gebe geeignetere Standorte, wie den Neckarpark oder eine Fläche neben der König-Karl-Brücke.