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Auch Neukaledoniens Nationalisten spielen Petanque – unter den Augen der Polizei.Auch Neukaledoniens Nationalisten spielen Petanque – unter den Augen der Polizei. © Sebastien Bozon/AFP

Die pazifische Ex-Kolonie soll ein assoziierter Staat werden. Für die Inseljugend zählt aber sozialistische Nostalgie mehr.

Die französische Regierung und eine Abordnung der Urbevölkerung des Übersee-Départements Neukaledonien einigten sich in der Nacht auf Samstag in Bougival bei Paris auf ein „historisches Abkommen“, wie sich Beteiligte ausdrückten. Um es in Kraft zu setzen, bedarf es noch einer Änderung der französischen Verfassung. Zustimmen müssen auch die 270.000 Menschen auf den InseIn im Pazifik, von denen die pro-französischen Loyalisten heute noch eine knappe Stimmenmehrheit bilden.

Das Abkommen sieht laut Text die Bildung eines „Staates“ vor, der „in Frankreich integriert“ sein soll. Neukaledonien soll eine Fahne, Hymne und einen eigenen Namen erhalten. Die angestammte Bevölkerung (45 Prozent) spricht schon heute von „Kanaky“. Das aktuelle Autonomiestatut soll dann durch eine tatsächliche Selbstverwaltung ausgewechselt werden. Kompetenzen wie Polizei und Justiz sollen an die Inselbevölkerung übergehen.

Eigene Währung für Neukaledonien, aber französische Wirtschaftshilfe bleibt

Das ist essenziell, weil junge Kanaken 2024 schwere Krawalle mit Attacken auf französische Firmen losgetreten hatten. 14 Tote waren zu beklagen. Die französische Regierung musste aus dem 17.000 Kilometer entfernten Paris Gendarmerie und Militär heranholen.

Neukaledonien, wo mit dem pazifischen, an den Euro gekoppelten Franc bezahlt wird, soll auch eine eigene Währung erhalten. Frankreich will aber seine Wirtschaftshilfe fortsetzen, nachdem es schon heute für ein Drittel des kaledonischen Haushalts aufkommt.

Trotz Diskussionen: Neukaledonien-Abkommen ist Erfolg für Frankreichs Regierung

Juristisch würde „Neukaledonien“ oder „Kanaky“ ein mit Frankreich assoziierter Staat. Dieses Statut ist im Pazifik verbreitet: Palau ist zum Beispiel den USA verbunden, die Cookinseln sind Neuseeland angeschlossen.

Präsident Emmanuel Macron ließ sich von diesem Modell inspirieren, als er Loyalisten und Separatisten vor einer Woche nach Frankreich zu Verhandlungen einlud. Das Abkommen ist ein Erfolg für ihn und Überseeminister Manuel Valls, den sozialistischen Ex-Premier.

Die beiden setzten vor allem die Vertreter der „Kanakischen und sozialistischen nationalen Freiheitsfront“ (FLNKS) unter massiven Druck. Noch um vier Uhr in der Früh hatte die am Samstag ein Abkommen abgelehnt; um 6.58 Uhr unterzeichnete es die Beteiligten offensichtlich völlig erschöpft.

Wichtige Ressourcen: Neukaledonien bleibt für Frankreich wichtige Rohstoffquelle

Über den Berg ist die Einigung allerdings noch nicht. Der neue FLNKS-Präsident Christian Tein, der wegen Beteiligung an den letztjährigen Krawallen eigentlich eine Haftstrafe verbüßt, aber im Hintergrund mitverhandelte, nannte die Einigung „interessant“ – mehr nicht. Der gemäßigtere FLNKS-Ex-Präsident Roch Wamytan will das Abkommen immerhin seiner Organisation unterbreiten.

Vor allem die Jugend strebt weiterhin die völlige Unabhängigkeit an. Mit dem Argument, „Kanaky“ brauche das Milliarden-Manna aus Paris nicht, da ihre Insel über die größten Nickelvorkommen der Welt verfüge. Frankreich wird aber nicht freiwillig auf diese Rohstoffquelle verzichten. Macron hat zudem öfter betont, Neukaledonien sei strategisch wichtig angesichts des Begehrlichkeiten Chinas im Pazifik. Die FLNKS pflegt indessen Kontakte zu China und zu Aserbaidschan.

Paris wird mit Unterstützung Australiens alles unternehmen, um einen geostrategischen Seitenwechsel seiner einstigen Kolonie zu verhindern. Ein wirklich unabhängiger Staat dürfte Neukaledonien nicht so schnell werden. (Stefan Brändle)