Landeseigene Kitas
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Viele Kitas unterbelegt: Berliner Erzieher-Azubis werden teilweise nicht übernommen
Mo 14.07.25 | 08:37 Uhr | Von Anja Herr
dpa/Christoph Soeder
Video: rbb24 Abendschau | 13.07.2025 | Nachrichten | Bild: dpa/Christoph Soeder
Jahrelang suchten Eltern in Berlin verzweifelt Kita-Plätze – jetzt ist es eher umgekehrt: Kitas suchen Familien. Die Folge: Zum Teil kann ausgebildeten Erzieherinnen und Erziehern keine Stelle angeboten werden. Von Anja Herr
Der verzweifelte Kampf um einen Platz in einer Kita gehört in Berlin der Vergangenheit an: Allein in Friedrichshain-Kreuzberg waren im Januar 1.348 Kita-Plätze weniger belegt als vor zwei Jahren, wie Zahlen der Senatsverwaltung für Bildung zeigen. Der Rückgang ist demnach in Friedrichshain-Kreuzberg mit minus 10,1 Prozent am stärksten, gefolgt von Pankow (mit minus 7 Prozent) und Mitte (mit minus 5,4 Prozent).
Die Folge: Einige kleine Kinderläden mussten bereits schließen, wie Roland Kern vom Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) bestätigt. Zu Kita-Schließungen kam es bei den städtischen Kitas noch nicht – aber zu finanziellen Problemen, wie der landeseigene Betrieb Kindergärten City dem rbb auf Anfrage mitteilt. Bis August 2024 habe man stets allen Mitarbeitenden in berufsbegleitender Ausbildung ein Vertragsangebot machen können, seit 2025 sei dies aber nicht mehr möglich.
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Einnahmen nicht mehr kostendeckend
„Die Einnahmen waren auf Grund des Belegungsrückgangs bereits 2024 nicht mehr kostendeckend, dieses Phänomen setzt sich auch in diesem Jahr fort“, schreibt eine Sprecherin von Kindergärten City. Die Übernahme der Auszubildenden müsse aus Rücklagen finanziert werden. „Würde Kindergärten City alle Auszubildenden übernehmen, würde dem Eigenbetrieb mittelfristig die Zahlungsunfähigkeit drohen.“
Die Folge: Von den rund 60 frisch ausgebildeten Erzieherinnen, die in diesem Jahr ihre Ausbildung bei Kindergärten City abschließen oder bereits abgeschlossen haben, kann nur ein Drittel übernommen werden. Im Februar waren es 12 Erzieherinnen und Erzieher, im August werden es 10 sein. Man habe sich diese Obergrenze setzen müssen, so die Sprecherin. Kindergärten City ist einer der fünf Berliner Eigenbetriebe, zuständig für insgesamt 56 Kitas in Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte – und somit besonders stark von zurückgehenden Belegungszahlen betroffen.
Geburten-Rückgang und hohe Mieten als Gründe
Roland Kern vom Dachverband für Kinder- und Schülerläden erklärt sich die sinkende Nachfrage in den Innenstadtbezirken mit den steigenden Mieten. Viele könnten sich keine Wohnung für Ihre Familie leisten und zögen mit ihren kleinen Kindern deshalb an den Stadtrand oder nach Brandenburg, so seine Beobachtung.
Einen weiteren Grund für den Rückgang sieht er darin, dass die Geburten in Berlin zwischen 2021 und 2023 generell stark zurückgegangen sind: um mehr als 5.000 Geburten. Dies könne aus seiner Sicht auch mit der angespannten Weltlage zusammenhängen.
Besonders stark ist die Nachfrage in Pankow gesunken. Die Kita Bambini-Oase im Bötzowviertel in Prenzlauer Berg konnte sich vor einigen Jahren gar nicht vor Bewerbungen retten. Jetzt sind 50 Plätze frei, wie Geschäftsführerin Bianca Kirchner vom gemeinnützigen Träger Mahale, der insgesamt drei Einrichtungen in Berlin betreibt, erzählt. Für die Kita bedeutet das weniger Einnahmen. Ein Teil des Gebäudes wurde mittlerweile leergezogen und an eine andere gemeinnützige Einrichtung übergeben.
Personalschlüssel soll sich verbessern
Personal entlassen musste Bianca Kirchner noch nicht, aber mehrere Maßnahmen waren nötig: Erzieher haben zwischen den drei Einrichtungen von Mahale je nach Bedarf hin- und hergewechselt und waren bereit, temporär weniger zu arbeiten, um das Überleben der Kita zu sichern. Auch Erzieher Marcel Börner musste seine Arbeitszeit übergangsweise reduzieren. Er schlägt vor, die Entwicklung als Chance zu sehen: Jetzt, da mehr Personal für weniger Kinder zur Verfügung steht, könnte der Personalschlüssel endlich verbessert werden. Dies sei eine Aufgabe für die Politik, findet Börner.
Genau das ist offenbar auch geplant. In einem Referentenentwurf zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes, der dem rbb vorliegt, heißt es, die Personalausstattung soll insbesondere bei der Betreuung der Kinder unter drei Jahren geändert werden. Eine Fachkraft soll dann bei Unter-Zwei-Jährigen durchschnittlich für 2,75 Kinder zuständig sein, nicht mehr wie bisher für 3,75 Kinder. Bei den Unter-Drei-Jährigen soll eine Fachkraft durchschnittlich 3,75 Kinder betreuen, nicht mehr wie bisher 4,75. Die Senatsverwaltung befindet sich derzeit in Ressortabstimmungen mit anderen Verwaltungen zum neuen Kindertagesförderungsgesetz, das zum 1. Januar 2026 in Kraft treten soll.
Staatssekretär Liecke: Personal künftig anders verteilen
Berlins Staatssekretär für Jugend und Familien, Falko Liecke (CDU), sagte am Sonntagabend im rbb, die Senatsverwaltung für Familie wolle vorhandene Fachkräfte im System halten. „Ich glaube nicht, dass wir arbeitslose Erzieher in Berlin haben werden“, betonte der Staatssekretär.
Einen „Umverteilungsprozess“ werde es aber geben. „Da geht es jetzt um kluge Steuerung, die Kräfte dahin zu verteilen, wo sie notwendig sind“, sagte Liecke. Während es innerhalb des S-Bahn-Rings mittlerweile Überkapazitäten gäbe, hätten Kitas am Stadtrand mitunter großen Bedarf. Liecke betonte, durch die Änderung der Betreuungsschlüssel werde „ein deutlicher Qualitätsgewinn“ erzielt.
Auslastung in Spandau am höchsten
Kita-Geschäftsführerin Bianca Kirchner begrüßt die geplante Änderung des Personalschlüssels aus pädagogischer Sicht. Finanziell sei das für ihre Einrichtung aber nicht die Rettung. Problematisch sei vor allem, dass die Sachkostenpauschale, die sie pro Kind vom Land erhält, zu niedrig angesetzt sei. Besuchen weniger Kinder ihre Kita, erhält sie also weniger Geld. Ihre Betriebskosten, um die Gebäude zu bewirtschaften, bleiben jedoch gleich hoch – egal, wie viele Kinder die Kita besuchen. So komme es zu einer erheblichen Finanzlücke. Sie wisse, dass viele Kitas von diesem Problem betroffen seien. „Hier muss die Politik dringend nachsteuern, wenn sie ein Kitasterben vermeiden will“, sagt Kirchner.
In der Tat steht sie mit diesem Problem nicht allein da: In allen Berliner Bezirken liegen die belegten Plätze mittlerweile deutlich unter den angebotenen Plätzen. Die größte Nachfrage gibt es derzeit offenbar in Spandau: Dort ist die Auslastung der Kitas mit 92,7 Prozent berlinweit am höchsten – und trotzdem immer noch weit von einer Vollauslastung entfernt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.07.2025, 19:30 Uhr