Die Hamburger Helm AG beliefert die globale Chemie-, Agrar- und Energiestoffindustrie, unter anderem mit Düngemitteln oder Stoffen für die PET-Produktion. Ein Viertel ihres Handels tätigt sie in den USA. Axel Viering ist Vorstand der Chemiesparte des Unternehmens.  

ZEIT ONLINE: Herr Viering, wie ist die Stimmung bei Ihnen?

Viering: Die Stimmung ist grundsätzlich gut. Das ist nicht die erste
Situation mit Unwägbarkeiten. Krisen hat es auch in der Vergangenheit gegeben, den
Ukrainekrieg, die Pandemie, den Arabischen Frühling, die Finanzkrise oder
die Asienkrise.

ZEIT ONLINE: Schon, aber Sie tätigen immerhin ein Viertel Ihrer
Verkäufe in den USA, unter anderem durch Export.

Viering: Das ist richtig. Aber noch ist nicht allzu viel geschehen. Die
US-Regierung hat sich mit Zöllen positioniert. Jetzt warten wir, wie sich andere
Länder positionieren, um das komplette Bild zu haben.

Axel Viering, Vorstand der Chemiesparte der Helm AG © Helm AG /​ Robin Schmiedebach

ZEIT ONLINE: In Hamburg fährt man mit der S-Bahn zwischen Bahnhof und
Hammerbrook an ihrem Hauptsitz vorbei, das rot-weiße Logo dürften viele kennen.
Können Sie einmal erklären, was Sie machen?

Viering: Wir sind ein Handelsunternehmen mit weltweit 2.000
Mitarbeitern. Wir haben eigene Dependancen in allen Regionen der Welt, in denen
Chemikalien, Dünge- und Pflanzenschutzmittel produziert und verbraucht werden. In
die USA exportieren wir hauptsächlich Dünge- und Pflanzenschutzmittel, die wir
vorher aus vielen Teilen der Welt, unter anderem aus Asien, Afrika, dem Mittleren Osten
und Nordamerika, einkaufen. In den USA liegen entlang des
Mississippi große landwirtschaftliche Nutzflächen.
Dort, im Corn Belt, werden in den USA die meisten Düngemittel verbraucht. Die stickstoff-
oder kaliumbasierten Mittel bringen wir in fester, flüssiger oder gasförmiger
Form per Schiff ins Land. Wir schlagen sie in unseren eigenen Terminals um und bringen
sie dann mit dem Lkw oder mit Flussschiffen den Mississippi entlang zu den
Kunden. Diese Produkte werden unter anderem für den Mais- und Weizenanbau verwendet.

© ZON

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ZEIT ONLINE: Was hat sich seit der Wende in der US-Zollpolitik für Sie verändert?

Viering: Vergleichsweise wenig. Alle Marktteilnehmer, Lieferanten,
Verbraucher, Transportunternehmen und Händler, verschaffen sich gerade erst mal
einen Überblick. Die Produkte werden gebraucht, sie müssen also weiterhin
importiert werden.  Perspektivisch kann
man davon ausgehen, dass wir Einfuhrzölle, die über das bisherige Niveau gehen,
an die Kunden weiterreichen müssen. Dann wird sich zeigen, was passiert.

ZEIT ONLINE: Womit rechnen Sie?

Viering: Warenströme werden sich verändern. Wenn die USA etwa weiterhin
keine Zölle auf russische Düngemittel erheben, kann es dazu führen, dass die russischen
Düngemittel, die derzeit nach Europa geliefert und dort genutzt werden, in die
USA gehen, weil das Preisniveau in den USA attraktiver wird. Was an Menge
in Europa fehlt, muss dann von anderen Unternehmen und aus anderen Ländern
geliefert werden. Insgesamt ergibt sich dadurch schon eine volatile Lage. Am
Ende werden wir als Verbraucher die höheren Preise bezahlen müssen.

„Da kommen wir ins Spiel“

ZEIT ONLINE: Und in dieser volatilen Lage sehen Sie Ihre Chance?

Viering: Korrekt. Wenn sich Warenströme verändern, ist das für uns
eine Gelegenheit, neue Handelsbeziehungen zu knüpfen. 

ZEIT ONLINE: Wie läuft es für Ihr Chemikaliengeschäft?

Viering: Für uns sind die USA sowohl Absatzmarkt als auch Lieferant.
Unser US-Geschäft versorgen wir überwiegend mit lokaler Ware. Aus den USA verbringen wir zum Beispiel das Produkt Monoethylenglycol,
ein Faserrohstoff, der für Polyester oder PET-Flaschen genutzt wird. Hier ist
China der weltgrößte Verbraucher und importiert sehr viel. Zwischen den USA und
China gab es schon in der Vergangenheit Handelskonflikte mit Strafzöllen, sodass
wir Produkte woanders abgesetzt haben, zum Beispiel in Korea. Wir sind das
gewohnt.

ZEIT ONLINE: Hat die Zolleskalation zwischen den USA und China denn
jetzt schon Auswirkungen auf Ihr Geschäft?

Viering: Aktuell nicht. Wenn der Zollstreit aber weiter eskaliert,
müssen sich etwa Lieferanten neue Märkte suchen, solche, wo sie mit weniger
Handelshemmnissen zu tun haben und konkurrenzfähig sind. Da kommen wir und andere Handelsunternehmen ins Spiel. Mit Lieferketten-
und Logistikkompetenz, Infrastruktur wie Schiffen, Löschtanks und Lkws.

ZEIT ONLINE: Klingt, als profitierten Sie sogar davon?

Viering: Zumindest intensivieren sich in einer Zeit wie dieser die
Handelsbeziehungen mit unseren Partnern, wir sind täglich im Austausch. In der
aktuellen Situation kann aber niemand etwas Gutes sehen. Weil niemand Klarheit
darüber hat, was die zukünftigen Rahmenbedingungen sind. Sicher ist aber, dass die Menschen weiter konsumieren
werden, es wird weiter produziert und weiter verbraucht.

„Das eine ist Politik, das andere ist Wirtschaft.“

ZEIT ONLINE: Was also hat sich durch die aktuelle Zoll-Politik der USA
für Sie verändert?

Viering: Länder wie Indien und Brasilien schützen ihre heimische
Wirtschaft seit Jahrzehnten mit hohen Einfuhrzöllen. Nur waren Zölle in der
Vergangenheit eher ein branchenspezifisches Thema – es ging um einzelne
Produkte. Jetzt ist es allumfassend. Was sich verändert hat, sind das Ausmaß
und die Komplexität.

ZEIT ONLINE: Hatten Sie Vorkehrungen getroffen für den Fall der Wiederwahl
von Trump?

Viering: Nein. Risikomanagement und veränderte Marktbedingungen sind unser
täglich Brot, das ändert sich nicht durch einen Regierungswechsel. Und es gibt
ja keine konkreten Aussagen. Da die internationale Politik derzeit
offensichtlich nicht in der Lage ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen
man planbar wirtschaften kann, ist es umso wichtiger, einen kühlen Kopf zu bewahren.

ZEIT ONLINE: Die USA sind nicht nur der wichtigste Handelspartner für
deutsche Unternehmen, es gibt auch eine Verbundenheit darüber hinaus – spüren
Sie eine besondere Beziehung zu den USA, oder ist das Land für Sie eines wie
jedes andere?

Viering: Das eine ist Politik, das andere ist Wirtschaft. Die USA
sind für uns ein wichtiger Absatzmarkt und auch Lieferland für Produkte, und das
werden sie auch bleiben.