1. Startseite
  2. Sport
  3. Fußball

DruckenTeilen

Frankreich hat sich zum zweitbesten Team der Frauen-EM entwickelt und vereint Athletik und Ästhetik.

Basel – Es ist nicht so, dass Trikots mit Schriftzügen von Katoto oder Cascarino auf Schweizer Bahnhöfen allgegenwärtig sind, wenn die französischen Fußballerinnen in Zürich, St. Gallen oder Basel spielen. Jungs wie Mädchen tragen oft ein Jersey mit dem Schriftzug von Mbappé, um ihre Verbundenheit zu bezeugen. Wer zu Frankreich hält – und das tun auch viele Schweizer aus dem französischsprachigen Teil – wird bei diesem Turnier aber gerade von den Frauen bestens unterhalten.

Fußball-Europameisterschaft der Frauen – alle Titelträger im Überblick1984 Schweden: Bei der Turnier-Premiere 1984 setzten sich die Schwedinnen im Elfmeterschießen mit 4:3 gegen England durchFotostrecke ansehen

Viele französische Fans sind mit einem Lächeln aus dem St. Jakob-Park auf den direkt ans Stadion mündenden Bahnsteig gekommen, um nach dem Spektakel gegen die Niederlande (5:2) wieder den Heimweg anzutreten. Eindrucksvoller hätte Frankreichs Ausrufezeichen vor dem Viertelfinale gegen Deutschland an selber Stelle ja kaum ausfallen können.

Frankreich schlägt die letzten Europameister

Die diesmal ganz in Weiß gekleideten „Les Bleues“ hatten DFB-Trainer Christian Wück unter den 34.133 Augenzeugen ihr komplettes Repertoire an Stärken und Schwächen vorgeführt. Klar, es hat erste Halbzeit nicht immer souverän gewirkt, vielleicht ein bisschen zu viel „Laissez-faire“ in der Defensive, aber dafür zündete die Offensive für den zweiten Durchgang halt ein Feuerwerk. Dieses Ensemble kann spielerische Leichtigkeit und körperliche Robustheit – und hat die Europameister 2022 (England) und 2017 (Niederlande) hochverdient besiegt.

Ästhetik und Athletik sind in der Kombination bei der EM ein Alleinstellungmerkmal. Ein Halbfinale gegen Spanien wäre das vorweggenommene Endspiel. Doch erst einmal geht es allein ums Viertelfinale – und den Fakt, bei großen Turnieren nie gegen den achtfachen Europameister gewonnen zu haben. „Deutschland ist eine große Fußballnation. Das ist eine große Herausforderung, aber wir sind ehrgeizig und werden alles geben, um sie zu schlagen“, kündigte Nationaltrainer Laurent Bonadei an. Versprechungen wurden in der Vergangenheit allerdings schon viele gemacht.

Bonadei hat deshalb alte Zöpfe abgeschnitten und die bald 35-jährige Verteidigerin Wendie Renard und die 36-jährige Rekordtorjägerin Eugénie Le Sommer nicht mehr berufen. Irgendwann müssen auch Ikonen weichen. Seitdem wirkt das Ensemble irgendwie befreit, was auch daran liegt, dass es unter dem 55-Jährigen keinerlei Vorgaben für die Angreiferinnen gibt. Warum schablonenartige Spielzüge auf dem Reißbrett entwerfen, wenn sich kreative Begabung entfaltet. Delphine Cascarino als beste Außenstürmerin der EM kann alles: feine Dribblings, enorme Beschleunigung, flotte Kombinationen.

Cascarino überragt

Gegen die Niederländerinnen sorgte die 28-Jährige in Windeseile für die Wende. Bediente Torjägerin Marie-Antoinette Katoto für das 2:2), traf danach doppelt. Gesucht wird immer wieder die mit enormer Physis gesegnete Mittelstürmerin Katoto. Die 26-Jährige hegt eine Menge Respekt vor dem nächsten Gegner: „Sie haben schon viele Titel gewonnen. Bei der letzten EM haben sie uns ausgeschaltet.“

13.07.2025, Schweiz, Basel: Fußball, Frauen: EM, Niederlande - Frankreich, Vorrunde, Gruppe D, 3. Spieltag. Frankreichs Marie-Antoinette Katoto (l) und Frankreichs Delphine Cascarino nach dem 2:3. (zu dpa: „Französinnen lehnen Favoriten-Rolle gegen DFB-Team ab“) Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +Gerade bester Laune: Frankreichs Topstürmerinnen Marie-Antoinette Katoto und Delphine Cascarino. © Sebastian Gollnow/dpa

Was eine der komplettesten Torjägerin der Welt dabei verschwieg: Sie hatte sich 2022 in England im zweiten EM-Vorrundenspiel das Kreuzband gerissen, fehlte bei der Niederlage im Halbfinale und verpasste deshalb auch die WM 2023, wo ihr Ensemble tränenreich im Elfmeterschießen am Gastgeber Australien scheiterte. Ähnlich überflüssig wie das Viertelfinalaus im Elferdrama bei der WM 2015 gegen Deutschland, obwohl die fußballerische Überlegenheit auf dem Kunstrasen von Montreal frappierend wirkte.

Dass es auch bei der Heim-WM 2019 im Viertelfinale gegen die USA schiefging, lag vor allem an der schlechten Stimmung um die unbeliebte Trainerin Corinne Diacre.  Interne Streitigkeiten ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte von Frankreichs Frauen, dabei haben die Männer bei zwei Weltmeisterschaften vorgemacht, dass sich eine Generation vereinen muss, um Großes zu erreichen. Unter diesem Aspekt kann Kylian Mbappé wirklich noch auf den Shirts stehen.