Berlin. 2024 hat die BVG die Notbremse gezogen und einen Strategiewechsel vollzogen. Eine erste Zwischenbilanz zeigt, es geht langsam bergauf.
Ein halbes Jahr ist es her, dass die BVG einen strategischen Kurswechsel vollzogen und „Stabilität vor Wachstum“ gestellt hat – Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der BVG, sieht die Verkehrsbetriebe auf einem guten Weg. „Die Stabilisierung braucht Zeit, aber erste Fortschritte sind sichtbar“, sagte er. „Die Richtung stimmt.“
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In allen drei Verkehrsbereichen – Bus, Tram und U-Bahn – ist die Zuverlässigkeit im ersten Halbjahr 2025 im Vergleich zum zweiten Halbjahr 2024 gestiegen. Bei der Tram fuhren 97,3 Prozent der Züge wie geplant (+1,5 Prozentpunkte), bei der U-Bahn 93,6 Prozent (+ 1,6 Punkte) und bei den Bussen 99 Prozent der Fahrzeuge (+ o,6 Punkte).
Die BVG-Chefs Henrik Falk, der Vorstandsvorsitzende, und Jenny Zeller-Grothe, die Personalvorständin, haben neue Zahlen zur Zuverlässigkeit vorgestellt.
© FUNKE Foto Services | Reto Klar
Berlin: Busse kommen zuverlässig – aber nicht mehr so oft
Bei den Bussen ist das langfristige Ziel der Stabilitätsstrategie (Zuverlässigkeit von 99 Prozent) damit zumindest kurzfristig erreicht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Busfahrpläne 2023 ausgedünnt worden sind. Die Zuverlässigkeitswerte sind also auch das Ergebnis verringerter Taktungen. Daran soll sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern. „Das Hauptaugenmerk bleibt, dass der aktuelle Fahrplan eingehalten wird“, sagte BVG-Chef Falk. Ein Grund dafür: Nach dem Abschluss des Manteltarifvertrages 2024, der unter anderem längere Wendezeiten für die Fahrer beinhaltet, brauche man 100 zusätzliche Busfahrer für dieselbe Leistung. Natürlich wolle man wieder wachsen, aber es ergebe gegenwärtig keinen Sinn, Versprechungen abzugeben, die dann nicht eingehalten werden.
BVG-Chef Henrik Falk verteidigt Stabilitätskurs: „Das Hauptaugenmerk bleibt, dass der aktuelle Fahrplan eingehalten wird.“
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Bei der U-Bahn ist Falk trotz einer zuletzt wieder leicht gestiegenen Zuverlässigkeit noch lange nicht zufrieden. Eigentlich müsste die U-Bahn das stabilste aller Systeme sein, sagte er. Denn die zum Teil unvorhergesehenen Einflüsse des Straßenverkehrs sind im untergründigen Schienennetz kein Hindernis. Die Gründe für die mangelnde Zuverlässigkeit sind andere: veraltete Fahrzeuge, fehlende Fachkräfte, überlastete Werkstätten und eine insgesamt marode Infrastruktur.
Neue U-Bahn-Züge sollen „spürbare Verbesserungen“ bringen
In Form neuer Züge ist immerhin aber ein wenig Besserung in Sicht. Im März wurden die ersten zwölf Schulungsfahrzeuge für die Linien U1 bis u4 geliefert. Aktuell läuft ein simulierter Fahrgastbetrieb mit den neuen Zügen, ab September sollen sie auf der Linie U2 im Regelbetrieb fahren. 140 neue Fahrzeuge sollen bis Ende des laufenden Jahres im Einsatz sein. Sie sollen für „spürbare Verbesserungen“ ab Herbst dieses Jahres sorgen.
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Parallel laufen seit Ende 2024 erste Tests mit neuen Fahrzeugen für die Linien U5 bis U9. Hier kommen andere, breitere, Fahrzeuge zum Einsatz als auf den Linien 1 bis 4. Der Start des Fahrtgastbetriebes ist für den Sommer 2026 geplant. Bis Anfang 2027 sollen 237 neue Wagen im Einsatz sein. Dass die Zuverlässigkeit auch ohne die neuen Fahrzeuge aktuell immerhin leicht steigt, wertet Falk als Beleg dafür, „dass der Pfeil in die richtige Richtung zeigt“. Im vergangenen Jahr fiel noch jede 17. U-Bahn aus – so viele wie seit fünf Jahren nicht mehr.
Mit Echtzeitdaten: BVG will besser über Verspätungen und Ausfälle informieren
Um Ausfälle und Verspätungen besser zu kommunizieren, setzt Falk künftig auf Live-Ansagen. Aktuell kranke das System noch daran, „dass wir in ganz vielen Bereichen keine Echtzeitdaten haben“, sagte er. Die digitalen Anzeigen in den U-Bahnhöfen etwa basieren lediglich auf Fahrplandaten, aktuelle Verspätungen werden nicht direkt an die Fahrgäste weitergegeben. Das führt oft zu Frustration. In den Leitstellen werden deshalb Mitarbeiter geschult, um ab Mitte des Jahres mit Live-Ansagen schneller reagieren zu können. Auf der Linie U2 sollen außerdem an fünf Bahnhöfen Live-Anzeigen mit Echtzeitdaten getestet werden. Wegen der technischen Ausstattung ist dieser Service nur bei den neuen Fahrzeugtypen möglich. Außerdem wird im Sommer 2026 eine neue Fahrgast-App vorgestellt, die – ähnlich wie bei Taxi-Apps – den Standort der BVG-Fahrzeuge live anzeigen soll.
Auch wenn sie künftig besser kommuniziert werden sollen – Verspätungen und Ausfälle sollen natürlich die Ausnahme sein. Damit das gelingt, ist die BVG neben neuen Fahrzeugen vor allem auf ausreichend Personal angewiesen. Insgesamt arbeiten rund 17.000 Menschen für die Verkehrsbetriebe. Um dieses Niveau nur zu halten, müssen laut Falk rund 1.500 Menschen pro Jahr neu eingestellt werden. Und die besonders rentenstarken Jahrgänge kommen erst noch.
Positive Auswirkungen des neuen Tarifvertrages auf Bewerbungen und Einstellungen
Gute Arbeitsbedingungen sind also wesentlich, um neue Arbeitnehmer zu gewinnen. Seit Juni gilt ein neuer Tarifvertrag bei der BVG, auf den sich die Verkehrsbetriebe im Mai mit Verdi geeinigt haben. Laut Jenny Zeller-Grothe, Personalvorständen der BVG, wirken sich die höheren Löhne positiv auf Bewerbungszahlen und Neueinstellungen aus. Seit dem Tarifabschluss sind die Bewerbungszahlen für den Fahrdienst um 27 Prozent gegenüber 2024 gestiegen, 463 Menschen haben bereits neu angefangen. „Die Maschine Rekrutierung läuft“, sagte Zeller-Grothe.
Jenny Zeller-Grothe, BVG-Vorständin für Personal: „Die Maschine Rekrutierung läuft.“
© DPA Images | Sebastian Gollnow
Auch die Krankenstände haben sich zuletzt im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozentpunkte verringert. 2026 stehen mit Verdi erneut Verhandlungen über einen neuen Manteltarifvertrag an. Dabei soll es vor allem um flexiblere Arbeitszeiten gehen. Man wolle von starren Schicht- zu individualisierten Dienstplänen kommen, sagte Zeller-Grothe.
„Stabilität vor Wachstum“ – die BVG sieht sich mit dieser Maxime auf dem richtigen Weg aus der Krise. Noch mindestens bis Ende 2027 soll sie gelten. Zum hundertjährigen Jubiläum soll das Stabilitätsprogramm abgeschlossen sein. 2028 wird die BVG 100 Jahre alt, denn 1928 wurden auf Betreiben von Ernst Reuter, dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister von Berlin, die Verträge unterschrieben, die den Grundstein für die BVG in ihrer heutigen Form legten. „Spätestens zu diesem Geburtstag wollen wir wieder stabil sein“, sagte Falk. „Das sind wir Ernst Reuter und dieser Stadt schuldig.“