Berlin – Der zweite Nord-Süd-Tunnel der Berliner S-Bahn wird dringend gebraucht und seit 1992 geplant. Doch bis heute ist nicht einmal der erste Bauabschnitt fertig. Die weitere Finanzierung ist offen. Es handelt sich um ein kolossales politisches Versagen auf allen Ebenen.

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Worum geht es? Der Hauptbahnhof, der 2006 eröffnet wurde, verfügt über Fernbahngleise in Ost-West- und Nord-Süd-Richtung. Die S-Bahn aber fährt am Hauptbahnhof nur in östlicher und westlicher Richtung.

Geplant wurde deshalb ein Tunnel, der vom Nordring zum Hauptbahnhof und dann weiter nach Süden über Potsdamer Platz und Gleisdreieck zu den Bahnhöfen Yorckstraße und Großgörschenstraße führt.

Diese Linie mit der Bezeichnung S21 ist von größter Bedeutung, denn es gibt nur einen Nord-Südtunnel der S-Bahn (Baujahr 1939), der aber nicht mit dem Hauptbahnhof und dem Nordring verbunden ist.

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Für den zweiten Tunnel (S21) setzte sich die Berliner CDU mit dem Regierenden Bürgermeister Diepgen seit 1992 ein. Der Koalitionspartner SPD war zunächst aus Kostengründen dagegen.

Erst im Jahr 2000 wurde mit dem Bau der Verbindung Nordring-Hauptbahnhof begonnen. Dieser erste Bauabschnitt der S21 sollte erst 2005, dann 2017 und dann 2019 fertig sein. Jetzt zeichnet sich eine weitere Verschiebung der Eröffnung in das Jahr 2026 ab.  

Mit dem zweiten Bauabschnitt (Hauptbahnhof–Potsdamer Platz) wurde bisher nicht begonnen. Der Tunnel soll neben dem Reichstag unter dem Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas hindurchführen. Das Denkmal müsste in der Bauphase versetzt werden. Dagegen wehrte sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Es gab einen acht (!) Jahre langen Rechts- und Planungsstreit.

Der wurde beigelegt und Anfang 2024 konnte die Bahn endlich den Bauantrag für den zweiten Bauabschnitt (Hauptbahnhof–Potsdamer Platz) einreichen. Seitdem schlägt sich das Eisenbahnbundesamt mit 60 (!) weiteren Einwendungen gegen den zweiten Bauabschnitt herum. Der Planfeststellungsbeschluss ist noch lange nicht fertig.

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Noch schlimmer steht es um den dritten Bauabschnitt (Potsdamer Platz bis Yorckstraße/Großgörschenstraße). Für diesen Abschnitt konnte bisher nicht einmal mit den konkreten Planungen begonnen werden, denn ein neues Gerangel um die Finanzierung kam dazwischen. Der Senat schloss bisher keine Finanzierungsvereinbarung mit der Deutschen Bahn ab. Es wird darum gerungen, wie hoch der Anteil des Senats an der Finanzierung ist.

Wir fassen zusammen: Ab 1992 wurde Berlins zweiter S-Bahn-Tunnel für notwendig erachtet und geplant. Heute, 33 Jahre später, ist nicht einmal der erste Abschnitt fertig, der zweite nicht genehmigt und der dritte bislang nicht einmal fertig geplant. 

Was soll man davon halten? Berlin ist die Hauptstadt der dritt- oder viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Und es gelingt in 33 Jahren nicht, einen S-Bahn-Tunnel zu bauen?

Berlin spricht von der „Verkehrswende“, die Politik fordert zum Umstieg auf Bus und Bahn auf. Aber das S-Bahn-Netz wird nicht entsprechend ausgebaut, das U-Bahn-Netz auch nicht. Was ist hier los?

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de