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Betroffene können Spuren sichern lassen, ohne eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Zwei Kliniken bieten Unterstützung rund um die Uhr.

Studien gehen davon aus, dass etwa 85 bis 95 Prozent der Vergewaltigungen nicht angezeigt werden. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe, etwa den, dass 85 Prozent der Opfer von Vergewaltigungen den Täter kennen. Folge der Nichtanzeige: Häufig bleiben die Betroffenen medizinisch unversorgt. An dieser Stelle setzt das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ an. In Wiesbaden beteiligt sich neben den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken (HSK) jetzt auch die Asklepios Paulinen Klinik daran.

Sexualisierte Gewalt wird meistens im Privaten verübt, in vermeintlich sicheren Rückzugsorten wie dem eigenen Schlafzimmer. Und die Täter sind auch meist keine Fremden, sondern Ehemänner, Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen. „Wir erleben immer wieder, dass Betroffene nach einer Vergewaltigung unter Schock stehen und nicht sofort zur Polizei gehen“, berichtet Christopher Wolf, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe in der Asklepios Paulinen Klinik. „Durch die anonyme Spurensicherung können sie sich das in Ruhe überlegen und sich umfassend dazu beraten lassen. Die Tatspuren werden für den Fall einer Anzeige gesichert.“

Hilfe rund um die Uhr

An 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr sind an den beiden Wiesbadener Kliniken Mediziner:innen im Einsatz, um Betroffene nach einer Vergewaltigung zu versorgen. Sie bieten auch eine vertrauliche und kostenlose Spurensicherung an, ohne dass dafür eine Anzeige bei der Polizei gestellt werden muss. Die Spuren werden ein Jahr lang anonym im Rechtsmedizinischen Institut der Universität Frankfurt aufbewahrt. Die Kosten dafür werden vom Kommunalen Frauenreferat übernommen.

Das Modellprojekt wurde 2016 vom Kommunalen Frauenreferat Wiesbaden auf Initiative des Stadtparlaments und in Kooperation mit dem Frauennotruf Frankfurt ins Leben gerufen. Während der dreijährigen Pilotphase wurde die anonyme Spurensicherung in allen Wiesbadener Akutkrankenhäusern angeboten, bevor ab 2020 die HSK das Angebot zentral fortführte. Das Projekt wird von der Kommunalen Frauenbeauftragten geleitet und finanziert. Organisiert wird es gemeinsam mit der Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt Wildwasser Wiesbaden und dem Polizeipräsidium Westhessen, unterstützt vom Berufsverband der Frauenärzte und niedergelassenen Wiesbadener Ärzt:innen.

Auf dem Schlossplatz in Wiesbaden steht ein Ehebett, darauf Bettdecken und Kissen mit grünem Muster. Damit will der Verein Wildwasser auf das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ aufmerksam machen. Mit verschiedenen Aktionen ist in der Vergangenheit auf das Projekt aufmerksam gemacht worden. © Michael Schick