Berlin – Um 9.54 Uhr sagte die Richterin: „Guten Tag, Herr Doktor …“ Dann ging es nur noch um den Tod von 15 Patienten. Es könnten sogar noch viel mehr sein. Der Berliner Arzt Dr. Johannes M. (40) ist mutmaßlich der schlimmste deutsche Nachkriegs-Serienmörder!
Kriminalgericht, Saal 700 am Montag: zum Bersten volle Zuschauerbänke. Kamerateams und Medien aus aller Welt in der ersten Reihe. Der Doktor sitzt hinter Panzerglas: Undercut, blond gelockt, weißes Hemd (dezent gemustert), schwarzes Sakko. Helle Augen, er lächelt sogar. Später packt er Akten in eine durchsichtige Tragetasche, die er mit in seine Einzelzelle nimmt. Er wirkt so locker, als hätte er irgendeinen Fachvortrag gehört und nicht eine Horror-Anklage.
Vor Prozessbeginn, wenn Fotografieren erlaubt ist, blieb die Anklagebank von Johannes M. leer. Er betrat den Saal erst, als die Fotografen wieder weg waren
Foto: Olaf Wagner
Nur eine Kleinigkeit verrät, wie konzentriert und angespannt er wirklich ist: Er beißt sich dabei auf die Zunge.
Das ist der mutmaßliche Killer-Arzt
Medizinisch gesehen schien Johannes M. ein Überflieger. Promoviert, Facharzt für Strahlentherapie, Facharzt für Allgemeinmedizin, Weiterbildung in Arbeitsmedizin und vor allem ein geschätzter Palliativarzt – alles mit gerade mal 40 Jahren. Auch privat stimmte scheinbar alles: verheiratet, ein Kind, Domizil in Berlin-Wilmersdorf. Als Palliativmediziner betreute er unheilbar kranke Menschen, denen nur noch wenig Zeit im Leben bleibt.
Anklage: Hausbesuche, um heimtückisch zu töten
„Um seine eigenen Vorstellungen vom Sterben und Zeitpunkt des Lebensendes zu verwirklichen“, soll Dr. Johannes M. zum Mörder geworden sein. „Aus eigensüchtigen Motiven als Herr über Leben und Tod“, heißt es in der Anklage. Demnach habe er Hausbesuche gemacht, nur um heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten.
Dutzende Medienvertreter stehen vor dem Saal, das öffentliche Interesse an dem Fall ist groß
Foto: Olaf Wagner
Seine mutmaßlichen Opfer: 12 Frauen, 3 Männer. Die jüngste 25, die älteste 87 Jahre alt. Alle schwer krank. Keiner wollte sterben. Sie ahnten nicht, dass die Spritze des netten Doktors tötet, sagt die Anklage. In weiteren 71 Fällen wird noch ermittelt.
Lebenslange Haft droht – Arzt schweigt
Dem Arzt droht lebenslange Haft mit besonderer Schwere der Schuld (keine Entlassung nach 15 Jahren möglich). Berufsverbot. Sicherungsverwahrung. Und was sagt Dr. Johannes M. dazu? Nichts.
Nach drei mutmaßlichen Opfern 2021/22 gab es 18 Monate Pause (er war angeblich zur Weiterbildung). Im Januar 2024 ging es weiter. Mehrfach brannte es nach seinen Hausbesuchen. Einem Mann (75) gab er im Juli 2024 unter den Augen der Tochter die mögliche Todesspritze. Eine Frau (76) war sogar bei der Polizei beschäftigt. Der Arzt schien sich sehr sicher zu sein.
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Am 27. Juli 2024 ging die Chefin des Pflegedienstes, für den er in Berlin unterwegs war, zur Polizei. Verhaftung am 5. August 2024 auf dem Flughafen, er kam gerade aus dem Familienurlaub. Auf die Frage, wo er wohne, nennt der Arzt im Gericht die Moabiter Haftanstalt. Prozessfortsetzung am 23. Juli. Urteil am 28. Januar 2026.
In der Neuen Krugallee wird die Leiche von Gisela B. (72) abtransportiert
Foto: Olaf Wagner
Darum gibt es keine Gerichtsfotos des Angeklagten
Zur Berichterstattung über Gerichtsverfahren gehört in der Regel auch das Fotografieren des oder der Angeklagten. Als die Presse jedoch am Montag den Saal betrat, fehlte der Angeklagte. Fotos dürfen aber nur vor Verhandlungsbeginn gemacht werden. Warum gibt es keine Fotos von dem Angeklagten im Gericht wie sonst fast immer?
Die Erklärung: Der Vorsitzende Richter muss auch den Schutz der Persönlichkeitsrechte von Verfahrensbeteiligten und betroffenen Dritten sicherstellen. Laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von Berlin von 2018 darf der Richter Angeklagte nicht dazu verpflichten, sich fotografieren zu lassen. Das würde deren allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzen.