Fortschritte und Herausforderungen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa stellen weiterhin eine bedeutende Herausforderung für die gastroenterologische Versorgung dar. In Deutschland sind schätzungsweise über 400.000 Menschen betroffen. Die Erkrankungen verlaufen chronisch-rezidivierend, betreffen häufig junge Erwachsene und erfordern eine langfristige medizinische Betreuung. Trotz erheblicher Fortschritte in der Pharmakotherapie bleiben zentrale Fragen zur optimalen individualisierten Behandlung offen – insbesondere in Bezug auf Therapieansprechen, Risikomanagement und begleitende Maßnahmen wie die Ernährung.
25. Gesprächsforum: Interdisziplinärer Austausch im Zeichen der Individualisierung
Im Rahmen des 25. Gesprächsforums Gastroenterologische Praxis, ausgerichtet von der Dr. Falk Pharma GmbH in Kooperation mit der Falk Foundation e.V., diskutierten Fachärzte aktuelle Entwicklungen in Diagnostik und Therapie von CED. Anlass zum Feiern bot das 30-jährige Bestehen des Berufsverbands Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng), dessen Engagement für die ambulante Versorgung betont wurde.
Zentrales Thema des Forums war die zunehmende Relevanz individualisierter Ansätze – sowohl in der medikamentösen Behandlung als auch in der Ernährungsberatung. Praxisnahe Fallstudien vermitteln Einblicke in reale klinische Situationen, die von Komplikationen immunsuppressiver Therapien bis hin zu differenzialdiagnostischen Herausforderungen reichten.
Fallbasiertes Lernen: Komplikationen unter TNF-Inhibitoren
Dr. Gero Moog (Kassel) präsentierte im Rahmen seines Vortrags „CED-Betreuung und Therapie – läuft auch mal was falsch?“ mehrere Fallbeispiele, die die Komplexität der CED-Therapie verdeutlichten. Ein besonders lehrreicher Fall betraf eine 46-jährige Patientin mit Morbus Crohn, bei der nach erfolgreicher Einleitung einer Anti-TNF-Therapie eine tuberkulöse Infektion auftrat – eine bekannte, wenngleich seltene Komplikation. Der Fall unterstreicht die Bedeutung eines konsequenten Tuberkulose-Screenings, wie es auch in der S3-Leitlinie empfohlen wird.
Ein weiterer Fall offenbarte eine Listerien-Sepsis nach Anti-TNF-Therapie mit neurologischen Symptomen und intensivpflichtigem Verlauf. Auch hier zeigte sich, wie entscheidend die Infektionsprävention unter immunsuppressiver Therapie ist.
Darüber hinaus wurde ein Beispiel diskutiert, bei dem ein Dünndarmlymphom initial fälschlich als Morbus Crohn diagnostiziert wurde. Die korrekte Diagnose erfolgte erst Monate später nach wiederholtem Therapieversagen – ein eindringliches Plädoyer für die Bedeutung histologischer Diagnosesicherung bei atypischem Verlauf und differentialdiagnostischer Abklärung.
Ernährung als stabilisierender Faktor im CED-Management
Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Ernährung bei CED. Dr. Anh Nguyen (Düsseldorf) stellte unter dem Titel „Erlaubt ist, was bekommt!“ praxisorientierte Strategien vor. Die Ernährung müsse individuell an Krankheitsverlauf, betroffene Darmabschnitte und Begleittherapien angepasst werden.
Während bei Morbus Crohn häufig Mangelzustände – insbesondere ein Vitamin-B12-Defizit – zu beobachten sind, gestaltet sich die Situation bei Colitis ulcerosa differenzierter, da hier i. R. das Kolon, nicht jedoch der Dünndarm betroffen ist und dadurch Mangelerscheinungen seltener auftreten. In aktiven Schüben empfiehlt sich eine ballaststoffarme, fettarme Kost mit schrittweisem Aufbau. Kleine Portionen, pürierte Speisen und gedünstetes Gemüse können laut Nguyen die Verträglichkeit verbessern. Wichtig sei zudem eine regelmäßige Kontrolle möglicher Mangelerscheinungen.
Relevanz für die Praxis: Therapieplanung, Aufklärung und Risikominimierung
Die beim Gesprächsforum präsentierten Inhalte zeigen eindrucksvoll, dass eine erfolgreiche CED-Behandlung weit mehr erfordert als die Auswahl des „richtigen Medikaments“. Diagnostische Sorgfalt, patientenindividuelle Risikoabwägung vor Immunsuppression und ein interdisziplinärer Austausch sind essenziell für die Praxis.
Das Forum bestätigte einmal mehr, dass nicht jede Exazerbation eine Krankheitsprogression darstellt – sondern Anlass für eine differenzialdiagnostische Reflexion sein sollte. Auch die Rolle der Ernährung wird zunehmend als stabilisierender Faktor in der langfristigen Krankheitskontrolle erkannt.
Fazit und Ausblick
Das 25. Gesprächsforum Gastroenterologische Praxis unterstrich die wachsende Bedeutung individualisierter und interdisziplinärer CED-Konzepte. Der Erfahrungsaustausch im Kollegenkreis liefert wertvolle Impulse für die ambulante Praxis. Künftig gilt es, die Risikostratifizierung, personalisierte Therapieansätze und die systematische Integration ernährungsmedizinischer Maßnahmen weiter voranzutreiben – mit dem Ziel, die Lebensqualität von CED-Patienten nachhaltig zu verbessern.