Ein Berliner Palliativarzt soll schwerkranke Patienten getötet haben. Der Prozess begann jetzt mit 15 Fällen – doch es könnten deutlich mehr Opfer sein.
Unter großem Medien- und Publikumsandrang hat in Berlin der Mordprozess gegen einen Palliativarzt begonnen. Der 40-Jährige soll 15 Patienten im Zeitraum von September 2021 bis Juli 2024 getötet haben. Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft dem Arzt Mord aus Heimtücke und sonstigen niedrigen Beweggründen vor.
Ohne „medizinische Indikation und ohne deren Wissen und Zustimmung“ soll er zwölf Frauen und drei Männern jeweils ein „tödliches Gemisch verschiedener Medikamente“ verabreicht haben. Parallel zum Prozess prüft die Staatsanwaltschaft Dutzende Verdachtsfälle.
Der verheiratete Vater eines Kindes hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert, wie es übereinstimmend von Verteidigung und Staatsanwaltschaft heißt. Sein Anwalt Christoph Stoll sagte am Montag, sein Mandant werde sich vor Gericht zunächst nicht äußern.
„Viele Täter sagten, sie hätten im Sinne der Patienten gehandelt“
15 Patienten soll ein Palliativarzt ermordet haben, der sich ab Montag vor dem Berliner Landgericht verantworten muss. Wie kommt es, dass Ärzte und Pflegende, die Leben retten sollen, Patienten Gewalt antun? Das erforscht der Psychiater Karl Beine.mehr
Staatsanwaltschaft: Angeklagter habe sich als „Herr über Leben und Tod“ aufgespielt
Der Angeklagte habe unter Missachtung des Lebens und der Selbstbestimmung gehandelt und sich als „Herr über Leben und Tod“ aufgespielt, hieß es in der von Staatsanwalt Philipp Meyhöfer verlesenen Anklage. Er habe seine Patientinnen und Patienten unter dem Vorwand ärztlicher Fürsorge aufgesucht und Hausbesuche angekündigt. Dabei habe er bereits eine Tötungsabsicht gehabt. Der Angeklagte habe „bewusst ausgenutzt, dass ihm als Arzt vollstes Vertrauen entgegengebracht wurde“, sagte Meyhöfer.
Der Mediziner, der unter anderem bei einem auf Palliativversorgung spezialisiertem Kreuzberger Pflegedienst angestellt war, verabreichte den Patientinnen und Patienten der Anklage zufolge ohne medizinische Indikation ein Narkoseeinleitungsmittel und anschließend ein Medikament, das die Muskeln entspannt.
Dieses sogenannte Muskelrelaxans führte jeweils zu einer Lähmung der Atemmuskulatur und dann innerhalb weniger Minuten zu Atemstillstand und Tod. Meyhöfer zufolge wusste der Mediziner von dieser Wirkung und davon, dass die Medikamente ohne Beatmung unweigerlich zum Tod führen würden. Dem Staatsanwalt zufolge waren in einigen wenigen Fällen sogar Angehörigen vor Ort, während der Angeklagte die tödlichen Medikamente verabreichte. In mindestens fünf Wohnungen legte er den Ermittlern zufolge Feuer, um seine Taten zu vertuschen.
Prozess gegen Palliativarzt wegen 15-fachen Mordes beginnt
Ein Palliativmediziner steht in Verdacht, Patienten getötet zu haben. Wegen 15 Fällen steht der Arzt ab Montag vor Gericht. Die Ermittlungen gehen aber weiter, denn es könnten noch viel mehr Opfer sein. Von Ulf Morlingmehr
Haftbefehl immer wieder um neue Tatvorwürfe erweitert
Der ursprünglich gegen den Mediziner erlassene Haftbefehl wurde immer wieder um neue Tatvorwürfe erweitert. Während die Ermittler anfangs von vier Opfern ausgingen, stieg deren Zahl bis heute. Die Opfer der nun angeklagten Taten waren zwischen 25 und 94 Jahre alt. Sie lebten in den Stadtteilen Tempelhof, Neukölln, Britz, Schöneberg, Köpenick, Gropiusstadt, Kreuzberg und Plänterwald.
Der Staatsanwaltschaft zufolge gibt es bei insgesamt 96 Fällen einen Anfangsverdacht. Dazu zählt auch der Tod der Schwiegermutter des Angeklagten. Im Zuge der Ermittlungen wurden bereits 15 mutmaßliche Opfer exhumiert.
Palliativarzt unter Mordverdacht: Ermittler prüfen Tod der Schwiegermutter
Am Montag beginnt der Prozess gegen ein Berliner Palliativarzt, der mindestens 15 Menschen getötet haben soll. Insgesamt geht die Staatsanwaltschaft mehr als 90 Verdachtsfällen nach – auch im familiären Umfeld.mehr
Zunächst 35 Verhandlungstage angesetzt
Das Landgericht Berlin hat für das Verfahren zunächst 35 Verhandlungstermine bis zum 28. Januar 2026 geplant. 13 Angehörige von Gestorbenen sind nach Gerichtsangaben als Nebenkläger vertreten. Zu jedem Fall gibt es mehrere Zeugen, insgesamt könnten rund 150 Menschen vor Gericht gehört werden.
Der Mediziner soll die Taten bei seiner Tätigkeit für einen Pflegedienst in Berlin begangen haben. Palliativärzte begleiten schwerstkranke Menschen, um deren Schmerzen zu lindern.
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