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Für die DFB-Frauen geht’s im Viertelfinale gegen Frankreich in der Frauen-EM um mehr als nur ums Weiterkommen – das weiß auch Nia Künzer.
Zürich/Basel – Nia Künzer ist schon an vielen Weggabelungen des deutschen Frauenfußballs aufgetaucht. Als Aktive, als Expertin oder inzwischen als Sportdirektorin des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Ihre vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2029 kurz vor der EM diente als Signal, wie wichtig dem Verband der Frauen- und Mädchenfußball ist.
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Von fast genau acht Millionen Mitgliedern sind neuerdings 1,34 Millionen weiblich. Wirklich aktiv spielen allerdings nur knapp 100.000 Frauen und rund 119.000 Mädchen. Der Großteil ist passiv – meist über die mitgliederstarken Lizenzvereine.
Im EM-Viertelfinale gegen Frankreich in Basel (Samstag 21 Uhr/ZDF) geht’s für die DFB-Frauen auch um Sichtbarkeit, Aufmerksamkeit und Vorbilder, die mit einem Halbfinale und im besten Fall mit einem Finale wie 2022 in England kreiert werden könnten. Doch schon im St. Jakob-Park ist der achtfache Europameister nicht mehr Favorit. „Wir haben alle gesehen, über welche Qualitäten Frankreich verfügt, über welche Dynamik, welches Tempo“, sagte Künzer, um allerdings anzumerken: „Auch wir haben Stärken.“
Spielerinnen sind selbst Kritikerinnen
Während die Spielerinnen bei wechselhaftem Wetter ihren fußballfreien Tag in Zürich und Umgebung genossen, versuchte die 45-Jährige im Pressezentrum am Kalanderplatz eine ausgewogene Standortbestimmung. Niemand müsse vom Team plakativ eine Trotzreaktion einfordern, denn: „Die größten Kritikerinnen sind die Spielerinnen selbst. Die Mädels wollen sich das selbst beweisen.“ Natürlich sei das Resultat gegen Schweden „eine Enttäuschung“ gewesen, „aber fast 30 Minuten haben wir ein gutes Spiel gemacht.“ Und: „Wir sind in einem stark besetzten Turnier im Viertelfinale. Ich finde uns immer noch konkurrenzfähig.“
In diesem Zusammenhang erinnerte die Sportdirektorin an das erreichte Finalturnier der Nations League – Gegner übrigens im Herbst auch die Französinnen – und Olympia-Bronze 2024. Nach einem 1:0 gegen Spanien war Künzer aus der Führungsriege die einzige Person, die zur Plakette aus Paris auch die spielerischen Defizite ansprach: „Dieses Auftreten hätten uns vor wenigen Monaten die Wenigsten zugetraut. Aber wir wissen auch, dass es weitere Entwicklungsschritte braucht, um uns dauerhaft auf internationalem Top-Niveau zu etablieren.“
Ein EM-Aus nach einem weiteren Kontrollverlust wie bei der Lektion im Letzigrund würde auch die Sportchefin beschädigen, die sich nach dem Menschenfänger Horst Hrubesch für den Nachwuchscoach Christian Wück entschied. Der Bundestrainer muss sich für eine Spielweise entscheiden, die nicht mehr bei jedem Ballverlust die Kompaktheit kostet.
Positive Bilanz gegen Frankreich
Künzer ließ offen, ob sie selbst oder die Co-Trainerinnen Saskia Bartusiak und Maren Meinert das Korrektiv bilden. Nur so viel: Man habe nicht umsonst Assistentinnen mit „erfolgreicher Erfahrung“ installiert. Künzer riet: „Die Französinnen nicht ins Spiel kommen lassen, sie selbst stressen und unangenehm für sie sein. Das mögen sie dann vielleicht auch nicht.“
Mut macht eine positive Bilanz (13 Siege, vier Unentschieden, sechs Niederlagen) – und das gewonnene EM-Duell 2022: Das Halbfinale in Milton Keynes entschied ein Doppelschlag von Alexandra Popp als Ausdruck deutscher Entschlossenheit. Kann das Team einen Kraftakt mit den aktuellen Charakteren wiederholen? Auch Künzer schien am Montag nicht restlos überzeugt.
Als Aufbauhelferin gefragt: Sportdirektorin Nia Künzer. © IMAGO/Bernd Feil / MiS
Es ist auffällig, dass die in Wetzlar beheimatete Sympathieträgerin öffentliche Äußerungen genau abwägt. Gleichwohl: Sie übt keine beißende Kritik, andererseits neigt sie auch nicht zur gefährlichen Schönfärberei. Ein Problem speziell im Frauenfußball, der vom DFB lange wie ein Naturschutzgebiet behandelt wurde.
Im Nachwuchsbereich gibt es Defizite
Künzer kam auch deshalb, um die kritische Binnenbetrachtung aufrechtzuerhalten. Und natürlich weiß sie: Spanien ist im Nachwuchsbereich so gut aufgestellt, dass deren Vorsprung noch weiter wachsen statt schrumpfen dürften. Und weil sich Deutschland mit seinen U 17 und U 19-Juniorinnen nicht mal mehr für die EM qualifiziert hat, stehen Nationen wie Italien und Portugal schon in den Startlöchern.
Beide wollen übrigens gerne die EM 2029 ausrichten. Genau wie Dänemark und Schweden in einer Doppelbewerbung. Oder Polen, das kürzlich gerade als Neuling seinen ersten EM-Sieg gegen Dänemark (3:2) frenetisch feierte. DFB-Boss Bernd Neuendorf hat in Zürich zuletzt wieder kräftig dafür getrommelt, dass Deutschland im Dezember vom Uefa-Exekutivkomitee den Zuschlag fürs nächste Turnier erhält.
Natürlich schauen seine Funktionärskollegen drauf, wie sich die Nationalteams der Bewerberländer präsentieren. Auch darum geht’s also, wenn am Wochenende die Weichen für die Zukunft gestellt werden.