Die Mitarbeiter von ZF am Standort Friedrichshafen sollen noch mehr Verzicht üben als ohnehin schon beschlossen. „Der Betriebsrat will das nicht mehr länger mitmachen“, sagte nun Franz-Josef Müller, Betriebsratsvorsitzender des „Betriebs Z“, nach der Betriebsversammlung der Unternehmenseinheit am Montag in Friedrichshafen. Müller kritisiert scharf, dass der Vorstand nun noch weitere Zugeständnisse vor der Belegschaft einfordert – „und dies, ohne eine Gegenleistung dafür anzubieten“.
Ein ZF-Sprecher bestätigte auf Anfrage von Schwaebische.de solche Pläne mit den Worten: „Ja, es besteht weiterer Handlungsbedarf.“ Konkrete Details oder auch Zahlen, wie viele Millionen Euro zusätzlich eingespart werden müssen, wollte er zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht nennen. Die „Situation in der Welt“ verschärfe sich weiter, betonte der Sprecher. Die Verunsicherung der Verbraucher und folglich deren Kaufzurückhaltung führten zu „sinkenden Umsätzen“ bei dem Zulieferer vom Bodensee, der am 31. Juli seine Halbjahreszahlen vorlegen wird. Besonders bedrohlich für das Geschäft von ZF: Die nun von US-Präsident Donald Trump angedrohten Zölle von 30 Prozent.
„Wir sehen eklatante Management-Fehler“
„Es wird immer nur erzählt, was draußen falsch läuft und wofür man entsprechend nichts kann“, entgegnet Igor Panic, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender des „Betriebs Z“, solchen Argumenten. Mit „Z“ werden die ZF-Zentralbereiche sowie die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen des Unternehmens in Friedrichshafen bezeichnet. „Wir sehen vielmehr eklatante Management-Fehler“, sagt Panic. Durch eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit und damit auch des Einkommens der Mitarbeiter sowie zahlreiche weitere Maßnahmen seien im „Betrieb Z“ schon jetzt rund 30 Millionen Euro eingespart worden, stellt der Betriebsrat klar.
In Anbetracht der Probleme des Gesamtkonzerns muten solche Summen allerdings fast schon wie die berühmten „Peanuts“ des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs Hilmar Kopper an. Im Geschäftsjahr 2024 musste ZF einen Verlust von 1,02 Milliarden Euro hinnehmen. Auch der Umsatz ging 2024 merklich zurück – von 46,6 Milliarden Euro auf 41,4 Milliarden. Und im ersten Halbjahr 2025 dürfte es nicht unbedingt besser aussehen.
Der traditionsreiche Getriebespezialist, der sich immer mehr zum Technologie-Unternehmen wandelt, leidet stark unter der äußerst anspruchsvollen Transformation weg vom Verbrenner hin zum Elektro-Antrieb und einer enormen Schuldenlast von mehr als zehn Milliarden Euro durch frühere Zukäufe – vor allem TRW und Wabco. Dazu kommen noch konjunkturelle Sorgen in der Automobilindustrie sowie Themen wie die im Raum stehenden US-Zölle, die Angst vor CO₂-Strafen in der Autoindustrie und die Knappheit von Rohstoffen wie Seltener Erden. Nicht wenige Experte sehen darin einen „perfekten Sturm“, in dem sich ZF und viele weitere Zulieferer und Autobauer befinden.
Bereits 5700 Vollzeitstellen in Deutschland abgebaut
Im Sommer 2024 hatte ZF angekündigt, bis 2028 bis zu 14.000 Vollzeitstellen streichen zu wollen – allesamt in Deutschland. Rund 5700 Personalkapazitäten sind laut dem ZF-Sprecher bis Mitte dieses Jahres bereits abgebaut worden. Besonderes Augenmerk legt ZF nun auf die kriselnde Antriebssparte – auch „Division E“ – genannt. Diese leidet unter dem nur langsamen Hochlaufen der E-Mobilität und fehlender Wettbewerbsfähigkeit in vielen Segmenten. Das Ergebnis: erhebliche Verluste, die ZF allerdings nicht genauer beziffern will.
Noch im Juli soll der Aufsichtsrat von ZF entscheiden, welche Zukunft die Antriebssparte in dem Konzern haben wird. Dabei kristallisiert sich immer mehr heraus, dass ZF den künftigen Einstieg eines Investors vorbereiten könnte, um die Division wieder zu stärken und vor allem wettbewerbsfähig zu machen. „Ein Komplettverkauf ist kein Thema“, sagte der ZF-Sprecher auf Nachfrage. Dies sei im Übrigen die Meinung des gesamten Vorstands, entgegnet er ganz klar Spekulationen, nach denen es darüber Uneinigkeit in dem Gremium geben solle. Doch auch ohne das Worst-Case-Szenario Verkauf drohen der Antriebssparte ausgesprochen harte Einschnitte, um diese überhaupt für ein anderes Unternehmen attraktiv zu machen.
Betriebsrat will vorerst nicht mehr mit Vorstand reden
Entsprechend schwanke die Stimmung in der Belegschaft „zwischen Unmut und Resignation“, berichtet Panic von der Betriebsversammlung mit mehr als 1500 Teilnehmern in der Messe Friedrichshafen. Bei „Z“ arbeiten 1450 Beschäftigte – vor allem aus der Forschung und Entwicklung -, die direkt der „Division E“ zugeordnet sind. Darüber hinaus wären viele weitere Mitarbeiter – etwa in der Personalabteilung oder im Backoffice – zumindest indirekt von einer Ausgliederung der Antriebssparte betroffen.
Die Ausgliederung solch einer Einheit gleicht „einer Operation am offenen Herzen“, sagt Panic. Die Division sei viel zu sehr mit dem Rest des Unternehmens verwachsen. „Uns fehlt schlichtweg die Phantasie, wie das funktionieren soll – vor allem in der Kürze der Zeit“, betont der Arbeitnehmervertreter. Deshalb wollen die Betriebsräte nun auf Konfrontationskurs zum Vorstand gehen – durch zwei Maßnahmen, wie Franz-Josef Müller berichtet: Erstens, man werde keine Gespräche mehr mit dem Arbeitgeber führen und auch keine weiteren Zugeständnisse machen, bis die Zukunft der „Division E“ geklärt ist. Zweitens, die Betriebsversammlung am Montag wurde nicht beendet, sondern „nur unterbrochen“. Das heißt, sie kann und soll an anderer Stelle und an einem anderen Ort fortgesetzt werden.
Sicherheit der Mitarbeiter – „Das hat sich jetzt geändert“
Bisher hätten sich die ZF-Mitarbeiter am Bodensee – bei allen Einschnitten – immer noch sehr sicher gefühlt, berichtet Müller und fügt an: „Das hat sich jetzt aber geändert. Die Beschäftigten sind heute aufgewacht.“ Für Proteste sei es im Moment noch zu früh, sagt der Arbeitnehmervertreter – allerdings halten sich die Betriebsräte alle Optionen offen. Bei ZF liegt also mächtig Zoff in der Luft.
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