Blick auf eine Baustelle mit Gebäuden im Rohbau und einer Erdbohrung im Zentrum der Gebäude

Im Berliner Quartier Kokoni One kommt die Wärme- und Kälteversorgung der Gebäude bereits aus der Erde. (Quelle: INCEPT GmbH)

Berlin plant, in den nächsten Jahren mehr klimaneutrale Wärme aus tiefer Geothermie zu nutzen. Ab Juli 2025 wird das Potenzial tiefer Erdschichten für die Wärmeerzeugung im Stadtgebiet erkundet, um die Wärmewende wissenschaftlich zu untermauern.

15.07.2025 – Berlin will in den kommenden Jahren verstärkt Erdwärme zur Versorgung von Stadtquartieren und Industrieanlagen mit klimaneutraler Wärmeenergie aus der Tiefe nutzen – um bis 2045 klimaneutral zu werden und um eine sichere, bezahlbare und klimafreundliche Wärmeversorgung zu gewährleisten.

Hierfür hat die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (SenMVKU) nun einen Auftrag zur Erkundung des geothermischen Potenzials an DMT, ein Unternehmen der TÜV NORD GROUP, vergeben. Das Projekt ist Teil der Roadmap Tiefe Geothermie Berlin, die den beschleunigten Ausbau der Erdwärmenutzung aus großer Tiefe fördert und damit die Wärmewende der Bundeshauptstadt bis 2030 mitgestalten will.

Die Pilot-Messungen starten laut DMT im Juli 2025 und umfassen zunächst Messlinien mit einer Gesamtlänge von rund 17 Kilometern in den Bezirken Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf. Ein weiteres optionales Messgebiet sei im Bezirk Treptow-Köpenick geplant.

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Sogenannte Vibro-Trucks von DMT senden seismische Impulse in den Untergrund, die von den Gesteinsformationen reflektiert und über ein Netz aus ausgelegten Empfängermodulen (Geophone) aufgefangen werden. Das eingesetzte Verfahren liefere wichtige Informationen zur Beschaffenheit des Untergrundes bis in mehrere Kilometer Tiefe, erläutert das Unternehmen. Zusätzlich sollen weitere Erkenntnisse über die Anforderungen und Herausforderungen solcher Messungen im großstädtischen Raum gewonnen werden.

Zukunftsweisendes Pilotprojekt – Blaupause für andere Städte

DMT unterstützt die SenMVKU in der Planung, Entwicklung und Realisierung von Tiefengeothermie-Projekten und will damit einen Beitrag zur nachhaltigen Wärmeversorgung, Dekarbonisierung und Energieunabhängigkeit der Hauptstadt leisten. Die Ergebnisse des Pilotprojekts könnten auch für künftige Projekte in anderen Großstädten richtungsweisend sein, so DMT, denn viele Städte stehen bei der Umsetzung von seismischen Messungen vor ähnlichen Herausforderungen – etwa durch unterirdische Infrastrukturen wie U-Bahnschächte und Versorgungsleitungen oder oberirdische Verkehrsachsen – die die seismischen Messungen anspruchsvoll machen.

Nach Abschluss und Auswertung der Pilot-Messung in Berlin erfolgt laut DMT im nächsten Schritt eine weitere Messkampagne, die Auskunft über die Nutzbarkeit der Erdwärme aus großer Tiefe für das gesamte Hauptstadtgebiet geben wird.

Zentrale Rolle der Geothermie in der Energiepolitik

Auch deutschlandweit spielt die tiefe Geothermie eine zentrale Rolle in der künftigen Energie- und Wärmepolitik. Die neue Bundesregierung hebt in ihrem Koalitionsvertrag die strategische Bedeutung dieser erneuerbaren Wärmequelle hervor und stelle großvolumige Fördermöglichkeiten für nahezu alle Projektschritte bereit, berichtet das Unternehmen.

„Tiefe Geothermie ist ein Schlüsselelement für die nachhaltige und unabhängige Wärmeversorgung. Sie ist unverzichtbar, wenn Deutschland seine Ziele zur Realisierung der Wärmewende erreichen will“, sagt Maik Tiedemann, CEO DMT GmbH & Co. KG und CEO der TÜV NORD GROUP Business Unit Energy & Resources. Auch der politische Rahmen sei klar: „Geothermie soll künftig eine tragende Säule der klimafreundlichen Wärmeversorgung bilden. Mit der Pilotseismik in Berlin setzen wir genau dort an – wir schaffen die geowissenschaftliche Grundlage, um das Potenzial tiefer Erdschichten auch im urbanen Raum nutzbar zu machen.“

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Tiefe Geothermie hochskalieren„Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Wärmewende realisieren. Das können wir nur, indem wir die Lösungen nutzen, die wir heute schon sehen und haben. Geothermie ist eine Lösung, die verfügbar ist und hochskaliert werden kann.“

Dr. Herbert Pohl, Gründer und CEO von Deutsche ErdWärme GmbH.

Dr. Herbert Pohl, Gründer und CEO von Deutsche ErdWärme GmbH

Als Generalplaner und -unternehmer für Tiefengeothermie unterstützt DMT deutschland- und europaweit zahlreiche Projekte – bspw. mit Machbarkeitsstudien, Betriebsplänen, Permittings, Standorterkundungen, POS-Studien, Reservoire-Erschließung bis zur Planung und dem Bau der Heiz(kraft)werke. Geothermie-Projekte wie in München oder im Oberrheingraben zeigen bereits, wie Planungs- und Erkundungsarbeiten auch in komplexen städtischen Räumen erfolgreich durchgeführt werden können.

Erdwärme fürs Quartier

Gelungene Beispiele der Erdwärmenutzung gibt es bereits – etwa im Berliner Quartier Kokoni One. Die Wärmeversorgung im Quartier erfolgt mittels eines Geothermie-Nahwärmenetzes. In einer Tiefe von etwa 100 Metern unter dem Quartier entziehen 68 Erdwärmesonden dem Erdreich auf konstantem Temperaturniveau von etwa 10 Grad Celsius Wärmeenergie. Zwei zentrale Wärmepumpen heben die Temperatur dann auf 40 Grad an. Ein 1.200 Meter langes gedämmtes Niedertemperatur-Nahwärmenetz bringt die Heizenergie in die Gebäude.

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  • Enormes Potenzial: Nach Angaben des Bundesverbands Geothermie könnten mit tiefer Geothermie mindestens 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs gedeckt werden.
  • Städtische Vorreiter: München deckt zwischen 20 und 30 Prozent seines Fernwärmebedarfs mit Geothermie und plant, bis 2040 nahezu vollständig klimaneutral zu heizen.
  • Förderprogramme: Die Bundesregierung stellt bis 2030 über 1,5 Milliarden Euro für den Ausbau tiefer Geothermie bereit. Das neue Förderprogramm „Tiefe Geothermie für Wärmenetze“ (BMWK) unterstützt gezielt kommunale Projekte.
  • CO₂-Einsparung: Die Nutzung tiefer Geothermie kann laut Umweltbundesamt pro Jahr bis zu 40 Millionen Tonnen CO₂ in Deutschland einsparen.
  • Akzeptanz: Laut aktuellen Umfragen (z. B. Fraunhofer IEG, 2024) befürworten über 60 Prozent der Deutschen den Ausbau von Geothermie, insbesondere wenn Belastungen für Anwohner gering bleiben.