Ein geplantes Gesetz soll die Berliner Kleingärten auf landeseigenen Flächen schützen und deren Umwidmung nur noch in Ausnahmefällen erlauben. Für die meisten Berliner Kleingärtner eine gute Nachricht – doch einige bleiben außen vor. Jonas Wintermantel
- Der Berliner Senat will am Dienstag den Entwurf des Kleingartenflächensicherungsgesetzes beschließen.
- Es soll Kleingärten in Berlin Sicherheit bringen und Umwidmungen erschweren.
- Kleingärten in Privat- oder Bundesbesitz sind von den geplanten Neuregelungen nicht betroffen.
Kurt Ewald zieht an einem langen weißen Strang, der aus seinem Gemüsebeet herausschaut. Er ruckelt ein wenig daran, bis unter der Erdoberfläche eine riesige weiße Knoblauchknolle zum Vorschein kommt – jede Zehe so groß wie eine handelsübliche Zwiebel. „So einen Riesenknoblauch habe ich noch nie gehabt“, sagt er zufrieden.
Ewald ist seit 50 Jahren Mitglied der Kolonie „Grüne Aue“ in Schöneberg. Diesen Garten, der voll von Gemüsebeeten und Obstbäumen steht, betreiben er und seine Frau Barbara seit 2013. „Bei aller Arbeit und Freude des Erntens darf man nicht vergessen: Es ist auch Erholung und das soll es bleiben“, sagt sie. Er ergänzt: „Und vor allem wissen wir was drin ist, nämlich keine Chemie oder so ein Dreck.“
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Sicherheit für (die meisten) Kleingärten
Am Dienstag will der Berliner Senat den Entwurf des sogenannten Kleingartenflächensicherungsgesetzes beschließen. Es soll nun Sicherheit für die meisten der rund 70.000 Kleingärten in Berlin bringen.
Konkret verbietet das Gesetz dem Land Berlin den Verkauf seiner landeseigenen Kleingartenflächen. Nutzungsänderungen – etwa die Umwidmung der Gartenflächen für andere Zwecke – sind demnach nur noch bei „überwiegendem öffentlichen Interesse“ möglich – etwa für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder den Bau sozialer Einrichtungen und Verkehrsinfrastruktur. Und sollte eine Fläche doch umgewidmet werden, bedarf es künftig der Zustimmung des Abgeordnetenhauses. Außerdem muss das Land den Kleingärtnern zwingend Ersatzflächen im näheren Umfeld bereitstellen.
Wie viele Gärten sind betroffen?
Aktuell gibt es in Berlin laut Umweltverwaltung 70.702 Kleingärten (Stand 31.12.2024). 56.350 davon befinden sich auf landeseigenem Grund. 14.352 Kleingärten liegen auf privatem oder bundeseigenem Gelände, darunter allein 3.302 auf Bahnflächen. Die Anzahl der Kleingärten in Berlin ist in den letzten Jahren gesunken – 2014 waren es noch mehr als 79.000.
Mit dem 2020 beschlossenen Kleingartenentwicklungsplan (KEP) 2030 wurde bereits ein Großteil der Flächen planerisch gesichert – etwa 82 Prozent sind im Flächennutzungsplan als Kleingartenflächen dargestellt oder durch Bebauungspläne geschützt. Etwa ein Prozent der Gesamtfläche ist laut Senat für Infrastrukturprojekte vorgesehen.
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Überarbeitetes Gesetz nach harscher Kritik
Als im März 2025 der erste Referentenentwurf des neuen Kleingartensicherungs-Gesetzes öffentlich wurde, stieß der auf deutlichen Widerstand – unter anderem bei den Linken und dem Landesverband der Gartenfreunde. Kern der Kritik damals: Der Entwurf würde kaum mehr als den bisherigen Schutz schaffen und zentrale Begriffe in den Ausnahmeregelungen seien zu unpräzise formuliert. Im Entwurf war noch eher allgemein die Rede von „Wohnbedürfnissen“ und „Mobilitätsbedürfnissen“, die die Umwidmung der Gartenflächen erlauben könnten.
Die jetzt überarbeitete Fassung hat diese Ausnahmen präzisiert und eingeschränkt. Es wurde festgelegt, dass eine Umwidmung nur dann erfolgen darf, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht – etwa die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum.
Wir wissen, wir sind in Konkurrenz zum Wohnungsbau.
Henry Dinter, der Vorsitzende des Kleingartenvereins „Grüne Aue“ auf dem Südgelände in Schöneberg begrüßt das neue Gesetz. „Für die Berliner Kleingärtner ist das natürlich positiv zu sehen“, sagt Dinter. Das neue Gesetz schaffe vor allem mehr Transparenz – etwa, weil künftig das Abgeordnetenhaus einer möglichen Umwidmung zustimmen müsste.
„Wir wissen, wir sind in Konkurrenz zum Wohnungsbau. Wenn das Land Berlin Sozialwohnungen baut oder Kitas oder Schulen, dann denke ich, wird da eine Akzeptanz da sein.“ Immerhin sei auch den Kleingärtnern klar, dass Berlin dringend Wohnraum benötigt. „Wenn aber irgendwer kommt und meint, er kann hier billig Land und Boden für irgendwelche Eigentumswohnungen erwerben: Da würden wir natürlich auf die Straße gehen.“
Kleingärten dienen vielen Zwecken
Dinters Kleingartenanlage hat 213 Parzellen – natürlich kennt er alle Pächterinnen und Pächter persönlich. Auf dem gesamten Areal des Schöneberger Südgeländes sind es mehr als 2.700 – in diesem Ausmaß einmalig in Berlin. „Das macht klimatisch gesehen eine Menge aus. Auch für die Artenvielfalt und die Biodiversität, die wir hier fördern“, sagt Dinter. Er steht inmitten des „Klimaschaugartens“ gleich neben dem Vereinshaus. Hier wird praxisnah vermittelt, wie klimaangepasstes Gärtnern in der Stadt funktioniert. Die Besucher:innen – oft Schulklassen oder Kitagruppen – erfahren etwa, welche Pflanzen besonders resistent sind oder wie Regenwasser effektiv gesammelt und genutzt werden kann.
Kleingärten dienen der Erholung, Entspannung, Begegnung und – hier in Schöneberg – auch der Integration. Seit 2024 betreibt der Verein „Schöneberg hilft“ einen Garten für Geflüchtete. Gleichzeitig haben sie einen immensen ökologischen Wert für die Stadt. Auch und gerade deshalb soll das Gesetz diese grünen Lungen Berlins schützen und erhalten.
Gesetz schützt nicht alle Gärten
Wilfried Buettner kann sich dagegen nicht wirklich über das neue Gesetz freuen. Buettner ist Vorsitzender der Kleingartenanlage Tempelhofer Berg mit 33 Parzellen. Die Anlage ist eine sogenannte Bahn-Landwirtschaft – sie liegt zwischen dem alten Flughafen Tempelhof und einer Bahntrasse auf bundeseigenem Bahnland und fällt damit nicht unter den Schutz des neuen Berliner Gesetzes. Das bezieht sich ausschließlich auf landeseigene Flächen.
Die KGA Tempelhofer Berg gehört damit zu den etwa 20 Prozent der Berliner Kleingartenflächen, die trotz des neuen Kleingartenflächensicherungsgesetzes weiterhin ohne verbindlichen Schutz bleiben. Oft trifft das auf Flächen der Deutschen Bahn und des Bundeseigenbahnvermögens (BEV) zu. Das BEV ist gesetzlich dazu verpflichtet, nicht mehr betriebsnotwenige Flächen meistbietend zu veräußern. Damit könnten auch die Bahn-Grundstücke versteigert werden, auf denen bislang Kleingärten sind. Ein ständiges Risiko für betroffene Kleingartenanlagen und die Pächter:innen.
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Politische Lösung für nicht-landeseigene Flächen gefordert
Um dem zuvorzukommen, hat die KGA Tempelhofer Berg bereits 2014 ein spezielles rechtliches Konstrukt geschaffen. Die Kleingärtner gründeten zwei Eisenbahninfrastrukturunternehmen und legten beim Eisenbahn-Bundesamt Einspruch gegen die Entwidmung der bahnrechtlichen Widmung der angrenzenden Bahnstrecke ein. „Weil wir nicht warten wollten, ob die Verantwortlichen in Berliner Politik und Verwaltung den Schutz der wertvollen Berliner Flächen im Sinne von uns Nutzer:innen von wohnortnahem Grün bewerkstelligen würden“, sagt Buettner.
Solange die Fläche bahnrechtlich gewidmet ist, unterliegt sie nicht der kommunalen Planungshoheit. Das schützt sie zwar vor Bebauung, schließt sie aber auch vom Geltungsbereich des neuen Landesgesetzes aus. Buettner fordert als politische Lösung daher eine Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land Berlin und dem Bund, um die Flächen langfristig zu sichern.
Nach der Sommerpause muss das Abgeordnetenhaus über den Entwurf beraten und final entscheiden.