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Deutschland strebt mehr Unabhängigkeit von China und USA an – mit Blick auf Afrika. Ein Experte erklärt, wo es auch auf deutscher Seite noch Probleme gibt.

Unabhängig von China, USA und Russland werden: Für deutsche Unternehmen bedeutet das unter anderem, neue Standorte im Ausland zu finden. Etwa in afrikanischen Ländern. Märkte in Kenia, Südafrika oder etwa Ghana zu erschließen, sei gar nicht so einfach, sagt Philipp von Carlowitz im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA. Doch abwarten sollten Deutschland und deutsche Unternehmen ebenfalls nicht, rät der Afrikaexperte der Hochschule Reutlingen. Denn China, USA oder Indien sind bereits viel weiter in ihren Afrika-Strategien.

Wirtschaft in afrikanischen Ländern: „Die Märkte wachsen zwar schnell, sind aber unbeständig.“

Von Carlowitz forscht seit über 15 Jahren zu Themen wie „Business in Afrika“. „Unsere angewandte Forschung bezieht ihre Fragestellung aus realen Fragestellungen der Privatwirtschaft. Das heißt, wir schauen aus Perspektive der Unternehmen auf die afrikanischen Märkte.“ Es gehe darum, wie etwa Unternehmertum vor Ort durch sogenannte Innovation- und Tech-Hubs gefördert und nachhaltig gestaltet werden könne.

„Man muss ganz klar sagen, die Märkte – gerade in Subsahara-Afrika – sind sehr klein. Das Bruttoinlandsprodukt von ganz Afrika, von 54 Ländern, ist kleiner als das von Deutschland“, erklärt von Carlowitz. Ob ein Unternehmen erfolgreich sei, hänge häufig von der Finanzierung der Geschäfte ab. „Die Märkte wachsen zwar schnell, sind aber unbeständig. Ostafrikanische Länder sind relativ stabil in der wirtschaftlichen Entwicklung, während westafrikanische Märkte stark abhängig von den Weltmarktpreisen für Rohstoffe, etwa für Rohöl, Gold und Diamanten, sind.“

Und dann gebe es politischen Risiken. „Die sind immer da, wie in vielen nicht-afrikanischen Märkten auch. Deren Auswirkungen auf das Geschäft sind unterschiedlich, je nachdem, ob man vor Ort präsent ist oder die Produkte in Form von Exporten in den Markt absetzt.“

Trumps Abzug von USAID: Entwicklungshilfe ohne nachhaltige Strukturen hinterlässt Probleme

Vor Ort gebe es andere Hürden, sagt der Afrika-Experte: „Im Bereich der Fachkräfte sehen wir häufig ein ‚Mismatch‘ von Anforderungen der Unternehmensseite und Fachfähigkeiten der lokalen Arbeitskräfte. Die Menschen kommen sehr theoretisch ausgebildet in die Betriebe, es fehlt aber an praktischer Erfahrung.“ Eine Kehrseite sei zudem das deutsche Lieferkettengesetz, das ohnehin schon zögernde Unternehmen durch Bürokratisierung eher von einer Investition in den afrikanischen Markt abhalte.

Philipp von CarlowitzPhilipp von Carlowitz ist Afrikaexperte und forscht an der Hochschule Reutlingen unter anderem zu Thema Wirtschaftsstandort Afrika. © Johannes Meger

Dabei sei der Beitrag der Privatwirtschaft zur Armutsreduktion nicht nur das Schaffen von Arbeitsplätzen, sondern auch die Bereitstellung von günstigen und qualitativen Produkten, wie zum Beispiel Medikamenten. „Wir reden ja immer von Augenhöhe in der Partnerschaft mit Afrika: Die meisten Menschen in afrikanischen Ländern sind bereit, Produkte zu einem fairen Preis zu kaufen, denn einen Preis zu verlangen ist ja erstmal nicht ausbeuterisch. Wenn Unternehmen dann auch Gewinn machen, bleiben Jobs und die Verfügbarkeit von Produkten bestehen“, sagt von Carlowitz. „Im Gegensatz dazu sieht man am Beispiel der Schließung der USAID jetzt sehr gut, wie es schieflaufen kann, wenn plötzlich ein Hilfsprojekt wegfällt, das keine nachhaltigen Strukturen schafft.“

USA und China sind Vorreiter: „Deutsche Wirtschaft ist noch stark mit Handbremse unterwegs.“

Dass es zum Risiko werden kann, sich auf etablierte Märkte zu verlassen, hat Deutschland in den vergangenen Jahren zu spüren bekommen. Das sagt auch von Carlowitz: „USA ist schwierig, China noch schwieriger, Ukraine und Russland sind weg. Obwohl Afrika als Markt noch sehr klein ist, bietet sich in diesen schwierigen globalen Zeiten ein Markteintritt jetzt an. In Bezug auf das wirtschaftliche Engagement in Afrika hängt Deutschland da trotzdem hinterher. Andere Länder sind viel aggressiver: Indien, Japan, Korea, Türkei, die führen alle regelmäßige Afrikagipfel durch.“

Das Problem auf politischer Ebene in Deutschland: „Die Ministerien und zuständigen Stellen in Deutschland haben mehrere strategische Papiere erarbeitet, die allerdings nicht untereinander abgestimmt sind und somit keine gemeinsame Richtung im Umgang mit Afrika vorgeben. Es müsste alles aus einem Guss kommen, um in Afrika als Partner an Gewicht zu gewinnen.“ Der Experte ist überzeugt: „Afrika wartet nicht auf Deutschland. Wir stehen in Konkurrenz mit mindestens 20 anderen Ländern und die deutsche Wirtschaft ist noch stark mit Handbremse unterwegs.“