Fast sein ganzes Berufsleben, seit 1992, hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Wohnung in München. Zuerst in Giesing gegenüber vom Stadion, wo er den Löwen-Fans beim Trauern zuschauen konnte – beinahe so oft, wie er es von seinem Club in Nürnberg kennt. Später hatte er seinen Wohnsitz in Neuhausen, da habe es ihm besonders gut gefallen.

Doch die AZ ist nicht raus in die Parkstadt Schwabing gekommen, um in der CSU-Landesleitung mit Söder über Damals zu sprechen. Sondern: über München heute und morgen, seine Vision für die Stadt, die Frage, wie sehr er damit hadert, dass sich der Freistaat auf René Benko eingelassen hat – und die Kritik, die er für die Regenbogenfahne zum CSD bekommen hat.

„Größter München-Fan außerhalb Münchens“: Markus Söder im großen AZ-Interview

AZ: Herr Söder, als Franke, womit fremdeln Sie in München?
MARKUS SÖDER: Mit gar nichts. Ich bin der größte München-Fan außerhalb Münchens, weil unsere Landeshauptstadt einfach schön ist. Allerdings wäre sie ohne den Freistaat Bayern nicht so erfolgreich. Denn wir investieren pro Jahr fünf Milliarden Euro zur Verschönerung, Verbesserung und Verstärkung Münchens.

Vor kurzem haben Sie das Konzept für Olympische Spiele in München vorgestellt. Als Mitbewerber gelten Madrid und Rom. Kann München mit solchen Metropolen mithalten?
Natürlich! Aber zunächst müssen wir in München die Bürger begeistern. Dann müssen wir uns national durchsetzen gegenüber Rhein und Ruhr, Hamburg und Berlin. München und Bayern haben einen großen Vorteil: Wir können Großveranstaltungen organisieren – das hat man bei den European Championships gesehen. München ist die sicherste Großstadt Deutschlands. Und wir bieten eine hohe Lebensqualität. Die Olympischen und Paralympischen Spiele könnten direkt ins Oktoberfest münden. Das wäre ein schöner Sommer.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Termin mit der AZ in dieser Woche in seinem Büro in der CSU-Landesleitung.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Termin mit der AZ in dieser Woche in seinem Büro in der CSU-Landesleitung.
© Ben Sagmeister

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Termin mit der AZ in dieser Woche in seinem Büro in der CSU-Landesleitung.

von Ben Sagmeister

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Es heißt immer, dass es nachhaltige Spiele werden. Doch es wird fast eine Milliarde für temporäre Bauten ausgegeben. Kann man das guten Gewissens nachhaltig nennen?
Woher haben Sie diese Zahl?

So steht es in der Sitzungsvorlage, über die der Stadtrat abgestimmt hat.
Es gibt noch kein fixes Planungskonzept. Fakt ist: In München ist das meiste schon vorhanden oder wird dauerhaft gebraucht. Das gesamte Finanzierungskonzept wird insgesamt darauf ausgelegt sein, dass für neue große Sportstätten wenig Geld ausgegeben wird, und diese wie in Paris weitgehend durch private Investoren zu finanzieren. Außerdem könnte es für die Infrastruktur auch Zuschüsse vom Bund geben.

„Natürlich werden wir helfen“: Ministerpräsident Markus Söder zur Münchner Olympia-Bewerbung

Heißt das, dass es vom Freistaat keine Zuschüsse gibt?
Haben Sie je erlebt, dass der Freistaat für ein Münchner Projekt nicht das meiste Geld bezahlt hat? Natürlich werden wir helfen. Keine andere Stadt, keine andere Region könnte Olympia finanziell besser stemmen.

Auf wie viel Geld kann München vom Freistaat hoffen?
Das wird sich zeigen. Erst einmal muss München Ja zu Olympia sagen. Deswegen ist mir wichtig, dass wir mit der Stadt für die Spiele werben. Denn ich glaube zwar, dass es eine klare Mehrheit für Olympia gibt. Aber die Befürworter müssen auch zum Bürgerentscheid gehen. Wir müssen die Mehrheit mobilisieren.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Gespräch mit AZ-Lokalchef Felix Müller (I.) und Rathausreporterin Christina Hertel (r.)

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Gespräch mit AZ-Lokalchef Felix Müller (I.) und Rathausreporterin Christina Hertel (r.)
© Ben Sagmeister

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Gespräch mit AZ-Lokalchef Felix Müller (I.) und Rathausreporterin Christina Hertel (r.)

von Ben Sagmeister

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Braucht München Hochhäuser, wenn es eine Großstadt sein will?
Natürlich braucht München Hochhäuser. Die Stadt hat sich verändert und ist eine der absoluten Zukunfts-Metropolen. Das muss man nicht überall in der Stadt sehen, aber an bestimmten Stellen schon. Wer keine Hochhäuser will, riskiert, dass München irgendwann zurückfällt.

An der Spitze der Hochhaus-Stopp-Bewegung steht ein CSU-Landtagsabgeordneter. Sprechen Sie da gar nicht für die Mehrheit der Konservativen?
Ich spreche immer für die Mehrheit der Konservativen. Aber in einer demokratischen Partei gibt es immer auch abweichende Meinungen. Und das ist auch in Ordnung.

„Haben Optimierungsvorschläge gemacht“: Söder zum Münchner Stammstrecken-Debakel

Viele meinen: Damit sich München Großstadt nennen darf, würde es reichen, wenn die S-Bahn pünktlich käme. 2024 war jede fünfte zu spät. Warum haben Sie beim ÖPNV München so vernachlässigt?
Einspruch. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Erst vor wenigen Wochen ist das neue digitale Stellwerk am Ostbahnhof in Betrieb gegangen. Das alte Stellwerk war eines der Hauptprobleme, weshalb so viele S-Bahnen zu spät gekommen sind. Wir zahlen außerdem völlig neue Züge im Wert von zwei Milliarden Euro. Das Problem bleibt aber die Stammstrecke. Sie ist die entscheidende Schnittstelle.

Ursprünglich sollte die Stammstrecke zu Olympia 2018 fertig sein. Jetzt klappt es mit Glück bis 2036. Da können Sie nicht glücklich drüber sein, oder?
Die Bahn baut die Stammstrecke. Wir finanzieren mit. Natürlich wünschen wir uns, dass schneller gebaut wird. Deswegen haben wir mehrere Optimierungsvorschläge gemacht. Ein Teil der Verzögerung ist auch durch den Wunsch der Stadt für eine weitere U-Bahn-Strecke entstanden. Und grundsätzlich dauert Bauen in Deutschland zu lange und ist zu teuer. Das werden wir mit der neuen Koalition im Bund beschleunigen.

Markus Söder hat für das Gespräch mit der AZ eine Monaco-Franze-Tasse ausgesucht.

Markus Söder hat für das Gespräch mit der AZ eine Monaco-Franze-Tasse ausgesucht.
© Ben Sagmeister

Markus Söder hat für das Gespräch mit der AZ eine Monaco-Franze-Tasse ausgesucht.

von Ben Sagmeister

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Über Ihr Verhältnis zum OB sagten Sie mal, da sei Luft nach oben. Dann hieß es, sie schreiben oft SMS. Wie läuft es gerade?
Wir haben ein gutes und vernünftiges Verhältnis. Aber jetzt kommt der Wahlkampf. Wir haben mit Clemens Baumgärtner einen sehr guten CSU-OB-Kandidaten. Das wird ein offenes Rennen.

Reden wir über die Münchner Innenstadt. Wenn Sie durch die Fußgängerzone laufen, die Ruine der Alten Akademie sehen, die der Freistaat an René Benko in Erbpacht vergeben hat, was denken Sie?
Ich gebe zu: Ich war von Anfang an skeptisch und zurückhaltend, aber letztlich war das eine Finanzierungsmöglichkeit. Ich bin mir sicher, dass wir für die Alte Akademie eine gute Lösung finden werden. Ich mache mir mehr Gedanken darüber, wie wir in München beim Wohnungsbau die Prozesse beschleunigen können. Wir haben viel angeschoben, aber es dauert trotzdem alles noch zu lange.

„Bettensteuer ist der falsche Weg“

München würde gerne mehr Parkgebühren verlangen und eine Bettensteuer erheben. Aber beides verhindert der Freistaat. Was haben Sie dagegen, dass München mehr Geld einnimmt?
München will eine Tourismusstadt sein, da ist eine Bettensteuer der falsche Weg. Bei Parkgebühren ist es das Gleiche: Die Innenstadt muss auch mit dem Auto erreichbar sein.

Das Rathaus schimpft nicht nur bei der Bettensteuer gerne über den Freistaat. Nervt Sie das?
Ohne den Freistaat wäre es für München finanziell ziemlich trostlos. Bayern finanziert alles Relevante: Wissenschaft, Forschung, Universitäten, die großen Kunstbereiche, wie die Pinakothek und das Nationaltheater. Insofern ist das vielleicht eher ein Ablenken von teils selbst verschuldeten Problemen.

Ihr großes Vorbild Franz-Josef Strauß hat Bayern vom Agrarstaat zum Industriestaat gemacht. Welche Vision haben Sie für Bayern und München?
Ich habe vor sechs Jahren die Hightech-Agenda auf den Weg gebracht. Wir haben dabei über sechs Milliarden in die Entwicklung von KI, Robotik, Medizin, Forschung und Luft- und Raumfahrt gesteckt. Das wirkt jetzt. Die TU ist die beste Universität in der EU. TU und LMU sind mit Abstand die besten Unis Deutschlands. Durch den Ausbau der Fakultäten für Luft- und Raumfahrt, für Robotik und KI siedeln sich immer mehr Unternehmen im Raum München an – und das ganz ohne Subventionen wie in anderen Bundesländern. Open AI, Apple, Microsoft, Amazon – alle kommen zu uns. Außerdem sind wir mittlerweile Start-up-Hauptstadt.

Welche Rolle wird die Rüstungsindustrie in München spielen?
Bayern ist der Defense-Tech-Standort Nummer eins. In Bayern werden große Teile von neuen Panzern, Abwehrsystemen, Raketen und Drohnen gebaut. Viele Unternehmen sind aus Start-ups entstanden und jetzt große Player, wie zum Beispiel Quantum Systems. Wir treiben die Transformation weiter voran: vom Agrarstaat zum Industriestaat, zum Hightech-Staat und jetzt zu einem digitalen Hochleistungsstandort. Wir machen unser Land fit für die Zukunft. Das ist meine Hauptaufgabe. Nur so haben junge Menschen eine Perspektive im Freistaat Bayern und in München.

„Verfolgen mit Hightech-Agenda einen langfristigen Plan“

Sie wurden für das Raumfahrtprogramm Bavaria One belächelt. Zu Unrecht?
Die Mehrheit ist jetzt begeistert. Luft- und Raumfahrt ist inzwischen eine der führenden Branchen bei uns. Bayern ist das Zentrum für die europäische Raumfahrt-Kontrolle. Von Oberpfaffenhofen bei München aus wird alles gesteuert. Beim nächsten großen Projekt der Menschheitsgeschichte, wenn der Mensch einen Fuß auf den Mars setzt, wird Bayern eine zentrale Rolle spielen. Wir verfolgen mit der Hightech-Agenda einen langfristigen Plan.

In solchen Unternehmen arbeiten viele hoch qualifizierte Menschen, die sich jeden Mietpreis leisten können. Anders als viele alte Münchner. Tun Sie alles, damit diese alten Münchner in ihrer Stadt bleiben können?
Wir haben die Mietpreisbremse verlängert und werden sie wie im Koalitionsvertrag vereinbart verschärfen. Ein zentraler Punkt gegen Altersarmut und für mehr Gerechtigkeit ist die Vollendung der Mütterrente: Wir tun alles dafür, dass ältere Frauen nicht nur ihre Wohnung bezahlen, sondern auch für ihre Enkel was ausgeben können.

Hier vor Ihnen steht eine Monaco-Franze-Tasse. In der AZ haben Sie mal beklagt, dass in München der Monaco-Franze-Charme verloren gehen würde. Wo blitzt er noch auf?
Hier am Tisch natürlich (lacht). Kunst und Kultur sind wichtig für München. Für uns ist das kostspielig. Die Stadt kürzt ihren Kulturetat, der Freistaat Bayern nicht. Wir haben nach wie vor das Ziel eines Konzertsaals im Werksviertel und werden auch weiterhin Kunst und Kultur fördern. Das Filmfest München hat sich zwar weiterentwickelt und ist jetzt besser als früher. Trotzdem sind im Filmbereich meine Visionen noch nicht erfüllt. Wir haben der Stadt angeboten, dass wir mehr Geld ins Filmfest investieren. Aber das wollte die Stadt nicht. Wir wollen außerdem mehr für die Games-Branche tun und München zur Games-Hauptstadt machen. Auch den Bereich Science-Fiction wollen wir stärken. Noch gibt es kein Science-Fiction-Festival. Ich glaube, dass das für München eine Mega-Idee wäre.

„Leben und leben lassen – das ist Bayern“

Vor Jahren haben Sie uns mal gesagt, es könne anbiedernd wirken, wenn Sie beim CSD mitlaufen. Nun haben Sie die Regenbogenfahnen an der Staatskanzlei gehisst. Haben Sie da viele Konservative irritiert?
Nein. Leben und leben lassen – das ist Bayern. Wir schreiben niemandem vor, wie und wen er zu lieben hat. Es gibt übrigens auch in der Queer-Szene sehr viele Konservative.

Als Volkspartei müssen Sie die Realitäten eh annehmen, oder? In München kommen noch 10.000 Leute zur Fronleichnamsprozession, beim CSD sind es Hunderttausende.
Es geht dabei nicht um Parteitaktik. Liebe hat immer recht. Wer wen liebt, das entscheidet immer noch derjenige selbst und nicht der Staat. Aber unabhängig von der Teilnehmerzahl: Ich finde es immer noch sehr schön, an einer Fronleichnamsprozession teilnehmen zu dürfen.