Im Streit um die Wehrpflicht für streng religiöse Männer in Israel hat Ministerpräsident Benjamin Netanjahu einen weiteren Regierungspartner verloren. Die ultraorthodoxe Schas-Partei teilte nach Angaben israelischer Medien mit, sie gebe alle ihre Posten in der Regierung auf. Die Partei wolle sich im Parlament aber nicht der Opposition anschließen. Was das für die Mehrheit von Netanjahu im Parlament bedeutet, war zunächst unklar.
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Am Dienstag hatte bereits die ebenfalls ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Tora-Judentum UTJ ihren Austritt aus der Regierungskoalition erklärt. Grund sei, dass ein Gesetzentwurf zur Befreiung von Tora-Studenten vom Militärdienst nicht angenommen wurde, hatte UTJ erklärt. Der Austritt der UTJ soll 48 Stunden nach seiner Verkündung in Kraft treten – also am Donnerstag.
Durch den Austritt von UTJ war die Mehrheit der Koalition auf 61 der 120 Sitze in der Knesset geschrumpft. Mit dem Wegfall der Schas-Abgeordneten würde Netanjahu nur noch einer Minderheitsregierung vorstehen.
Kritik am Austritt der UTJ
Die Entscheidung der UTJ erfuhr indes weitläufig Kritik. „Diese Politiker versuchen, junge orthodoxe Juden davon abzuhalten, sich ihren heroischen Gleichaltrigen anzuschließen, die das israelische Volk mit ihren Leben verteidigen“, erklärte der ehemalige israelische Regierungschef Naftali Bennett. Der Oppositionspolitiker Avigdor Lieberman warf der UTJ im Onlinedienst X vor, nicht „an die Kämpfer vor Ort zu denken, die mehr Mitstreiter brauchen, um die Last mit ihnen zu teilen“.
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In Israel ist der Militärdienst für Männer wie Frauen verpflichtend. Für ultraorthodoxe Talmud-Schüler galt jahrzehntelang eine Ausnahmeregelung. Diese sorgt seit langem für Zwist und ist nach mehr als anderthalb Jahren Krieg gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen zunehmend umstritten.
Im Juni vergangenen Jahres ordnete das Oberste Gericht schließlich die Einberufung Ultraorthodoxer an. Anfang Juli dieses Jahres teilte die israelische Armee mit, sie werde in den kommenden Wochen insgesamt 54.000 Einberufungsbefehle an Ultraorthodoxe versenden. Die 1,3 Millionen ultraorthodoxen Juden machen rund 14 Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels aus. Unter ihnen sind 66.000 junge Männer im wehrfähigen Alter. (Reuters/dpa/AFP)