Er war der letzte große Theater-Zampano, als Regisseur und Intendant schon zu Lebzeiten eine Legende, berühmt und berüchtigt für seinen Größenwahn, seinen Starrsinn, seine Uraufführungen und Skandale: Claus Peymann, eine der schillerndsten Hauptfiguren der deutschsprachigen Theatergeschichte, ist tot. Wie die SZ aus dem familiären Umfeld des Künstlers erfuhr, starb Peymann nach längerer, schwerer Erkrankung am Mittwoch in seinem Haus in Berlin-Köpenick. Erst im Juni hatte er seinen 88. Geburtstag gefeiert.

Geboren wurde Claus Peymann am 7. Juni 1937 in Bremen. Dass sein Lehrer ihm schon 1947 ins Klassenbuch schrieb „Peymann rülpst – und sieht sich triumphierend um“, scheint bezeichnend für einen Mann, der stets auf Wirkung zu setzen wusste und über Jahrzehnte die Theaterlandschaft aufmischte. Peymann begann als Regisseur im politisch aufgeheizten Studententheater der Siebzigerjahre und machte schon 1966 mit der Uraufführung von Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ Furore.

Zur Zeit des Stammheim-Prozesses gegen die RAF-Terroristen war er Schauspieldirektor in Stuttgart, wo sein Zahnspenden-Aufruf für die inhaftierte Gudrun Ensslin zum Politskandal geriet. Nach sieben erfolgreichen Jahren als Intendant am Schauspielhaus Bochum (1979 bis 1986) wurde Peymann Direktor des Wiener Burgtheaters und damit endgültig ein gekrönter Theaterkönig. Seine Zusammenarbeit mit den Dichtern Thomas Bernhard und Peter Handke, mit dem Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann, mit Schauspielgrößen wie Gert Voss und Kirsten Dene und vielen anderen Theatergranden und -granaten kam hier zum Höhepunkt. Es war eine Blütezeit des Schauspieler- und Literaturtheaters, eine Zeit der Triumphe und Theaterschlachten, ganz nach Peymanns Devise „Mord und Totschlag“: Immer ging er aufs Ganze. Immer ging es um alles. Die Uraufführung von Thomas Bernhards „Heldenplatz“ brachte 1988 ganz Österreich in Aufruhr – bis heute einer der größten Theaterskandale überhaupt.

Peymanns letzte Inszenierung war 2023 „Warten auf Godot“

Nach 13 Jahren Burgtheater leitete Peymann eine sehr lange Zeit noch das Berliner Ensemble (1999 bis 2017), das er sein „Traumtheater“ nannte. Der Plan, daraus nach der Wiedervereinigung eine Art Nationaltheater zu schaffen, ist nicht aufgegangen. Aber ein volles Haus hatte er auch hier immer. Der Polterer und Provokateur Peymann schaffte es auch stets, sich und sein Haus ins Gespräch zu bringen. Wo immer Peymann war, da stand das Theater im Mittelpunkt – und diente als Ort der politischen Stellungnahme und des Widerstands.

Mit der ihm eigenen Großmäuligkeit stänkerte er gegen die Beschränktheit der Mächtigen, gegen die Ignoranten der Kulturpolitik, gegen „Lebenszwerge“ und Theateridioten. Er war ein Intendanten-Patriarch par excellence, als solcher nicht unumstritten. Er war aber auch der größte Liebhaber und Verfechter des Theaters, den man sich denken kann. Theater, sagte Peymann, brauche er wie die Luft zum Atmen. Daher hat er in den letzten Jahren, wann immer es seine Gesundheit erlaubte, weiter inszeniert, nun unterwegs als freier Regisseur: am Stadttheater Ingolstadt, am Residenztheater München („Minetti“) und am Theater in der Josefstadt Wien. Dort war seine letzte Inszenierung 2023 Becketts „Warten auf Godot“.

Mit Claus Peymanns Tod geht eine Theater-Ära zu Ende. Einer wie er kommt nicht nach.