Kontext

Stand: 16.07.2025 19:17 Uhr

Im September wählt Moldau ein neues Parlament – und somit auch zwischen einem EU- oder Russland-freundlichen Kurs. Eine Untersuchung zeigt nun, dass der Kreml offenbar versucht, die Wahl mit Falschbehauptungen zu beeinflussen.


Pascal Siggelkow, SWR

„Bei den Präsidentschaftswahlen 2024 in der Republik Moldau wurden Zehntausende Stimmen auf den Namen verstorbener Bürger abgegeben. Mehr als 42 Prozent der aus der Ferne verschickten Stimmzettel stellen die ‚Wahl‘ von Menschen dar, die schon längst verstorben sind“, heißt es in Postings in den sozialen Netzwerken. Angeblich habe die BBC darüber berichtet. Allein auf Telegram erreichte diese Behauptung mehr als 270.000 Aufrufe. Dabei hat es den vermeintlichen BBC-Bericht nie gegeben.

Diese gezielte Falschbehauptung ist Teil einer russischen Desinformationskampagne namens Matroschka, bei der gefälschte Nachrichtenvideos und -berichte etablierter westlicher Medien prorussische Narrative verbreiten. Nach Angaben der Organisation NewsGuard hat Russland mit der Operation Matroschka in den vergangenen Monaten begonnen, das osteuropäische Land Moldau ins Visier zu nehmen.

Ziel ist es demnach, die pro-europäische Regierung des Landes vor den bevorstehenden Parlamentswahlen zu diskreditieren. So heißt es in den Postings zu der Falschbehauptung über die angeblichen Briefwählerstimmen von Verstorbenen, dass das „unrechtmäßige Regime“ der pro-europäischen Präsidentin Maia Sandu davon profitiert habe.

39 Falschbehauptungen in drei Monaten

Nach Angaben von NewsGuard hat die russische Kampagne in drei Monaten insgesamt 39 Falschbehauptungen verbreitet, die auf die Bevölkerung in Moldau zugeschnitten sind. Die Videos und Texte wurden auf Rumänisch – der Amtssprache Moldaus -, auf Russisch, das landesweit verstanden und von etwa 20 Prozent der Bevölkerung gesprochen wird, sowie auf Englisch verbreitet.

In den aufgedeckten Falschbehauptungen über Moldau wurden insgesamt 23 seriöse Medienunternehmen in gefälschten Videos und Artikeln nachgeahmt – darunter die BBC, Euronews oder The Economist. Insgesamt hätten diese Falschbehauptungen fast zwei Millionen Aufrufe erzielt.

Falsche Korruptionsvorwürfe

In den meisten dieser Beiträge wird die moldauische Präsidentin Sandu und ihre Partei diskreditiert. So werden immer vermeintliche Beweise für Korruption angeführt. In einem Video, das mit BBC-Logo versehen ist, ist von einer angeblichen Enthüllung der Rechercheorganisation Bellingcat die Rede, derzufolge Sandu mit einer geheimen Geliebten 24 Millionen Dollar aus der Staatskasse entwendet habe. Dieser Bericht ist gefälscht, in Wahrheit gibt es für diese Behauptung keinerlei Beweise.

Auch falsche Berichte, die Sandu als Drogenabhängige skizzieren, wurden laut NewsGuard von der Operation Matroschka verbreitet. Unterstützt wurde die Kampagne demnach von kremlnahen Nachrichtenseiten und Netzwerken offenbar unauthentischer Konten auf sozialen Plattformen wie TikTok, Facebook und Instagram.

Parlamentswahl Ende September

Der Grund für die Kampagne dürfte die anstehende Parlamentswahl in Moldau sein, die Ende September stattfindet. Die Operation Matroschka hatte zuvor bereits unter anderem die Präsidentenwahl in den USA im vergangenen Jahr sowie die Bundestagswahlen im Februar ins Visier genommen.

Das osteuropäische Land Moldau liegt schon länger im Fokus des Kreml. In der Region Transnistrien, die seit den 1990er-Jahren von Moldau abtrünnig ist, hat Russland einen eigenen Truppenstützpunkt.

„Russland betrachtet Moldau als Teil seiner historischen und legitimen Einflusszone“, sagt Eugen Muravschi von der NGO WatchDog.md gegenüber NewsGuard. „Es kann nicht zulassen, dass sich Moldau von Russland entfernt und sich Europa zuwendet.“

Desinformation vor den Wahlen im vergangenen Jahr

Moldau war bereits im vergangenen Jahr Ziel russischer Desinformation. Die dortigen Präsidentenwahlen sowie das Referendum über die Mitgliedschaft Moldaus in der Europäischen Union wurden ebenfalls mit zahlreichen Falschbehauptungen über Sandu und die EU begleitet. Sowohl für Sandu als auch für einen EU-Beitritt gab es am Ende jeweils eine knappe Mehrheit.

Hinzu kommen Berichte der moldauischen Polizei über einen massiven Stimmenkauf. So sollen insgesamt 130.000 Moldauer und damit etwa zehn Prozent der Wahlberechtigten Zahlungen über Konten der russischen Staatsbank Promswjasbank (PSB) erhalten haben. Einzelpersonen sollen jeweils umgerechnet rund 100 Euro für eine Stimme zugunsten eines prorussischen Kandidaten und gegen die EU-Integration der Republik Moldau erhalten haben.

Auch von Russlands Regierung wird die Präsidentin Sandu regelmäßig attackiert. So bezeichnete die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, Sandu als „Übermittlerin derselben Nazi-Ideen Ideologien und philosophischen Ansichten, für die der Westen bezahlt“. Sandus Ziel sei es laut des russischen Außenministers Sergej Lawrow unter anderem, alles Russische abzuschaffen und die russische Sprache in allen Bereichen zu diskriminieren. Mit ähnlichen nachweisbar falschen Narrativen hatte Russland auch den Angriff auf die Ukraine begründet.