Manche Leute haben es ja nicht so mit Zahlen. Und wie heiß es letztes Jahr war, haben sie längst wieder vergessen, wenn die nächste Hitzewelle übers Land schleicht. Dass es bei immer neuen Hitzerekorden um reine Physik geht, interessiert sie auch nicht. Was interessieren sie da die Folgen von zunehmender Energie in unserer Atmosphäre? Dabei war 2024 auch für Leipzig ein Rekordjahr mit der höchsten gemessenen Durchschnittstemperatur seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen: 11,7 Grad.

An die Durchschnittstemperaturen über 11 Grad haben wir uns ja schon irgendwie gewöhnt, obwohl sie schon deutlich den langfristigen Trend zeigen, der nicht nur die Sommer in Leipzig zum Kochen bringt. Wer es anschaulich haben will, besucht die Warming Stripes auf der Sachsenbrücke, wo zunehmend dunkler gefärbte Rottöne zeigen, wie die Durchschnittstemperaturen weltweit messbar seit den 1990er Jahren in die Höhe gegangen sind.

Dabei gilt für Leipzig ein Referenzwert von 8,8 Grad Celsius. Aber bei der langsamen Erhitzung der Atmosphäre ist es wie mit dem Frosch, den man in einen Wassertopf setzt und dann das Wasser langsam erwärmt bis es kocht. Er merkt nicht, wie die langsame Temperaturerhöhung für ihn immer gefährlicher wird, er bleibt im Wasser und ist am Ende tot.

Brücke mit Warming Stripes aus der Vogelperspektive.Die neuen Warming Stripes auf der Sachsenbrücke in Leipzig. Foto: Leipzig fürs Klima

So verhalten sich viele Menschen. Anders als Meteorologen und Meteorologiebegeisterte wie Franz Jacobs und Michael Jung, die 2016 ihr Buch „Leipzig-Wetter aktuell. Januar bis Dezember im global wärmsten Jahr“ veröffentlichten. Heute würden wir so ein Jahr als Entspannung erleben. Die Leipziger Durchschnittstemperatur erreichte „nur“ 10,7 Grad. Im Vorjahr hatte es 11,0 Grad gegeben.

Aber in den Folgejahren mehrten sich die Jahre, in denen der Durchschnitt über 11 Grad betrug. Ab 2018 war das eigentlich die Norm, standen am Ende immer wieder 11,2 und 11,3 Grad.

Bis 2024. Da waren es erstmals 11,7 Grad, satte 2,9 Grad über dem alten Leipziger Mittel.

Immer mehr warme und heiße Tage

Der Tageshöchstwert von 36,2 Grad lag zwar genau auf demselben Level wie der Höchstwert aus dem Vorjahr. 2022 hatte man sogar 37,7 Grad als Höchstwert gemessen. Aber der Durchschnitt steigt nun einmal, wenn es immer mehr Tage mit Temperaturen gibt, die deutlich über den Normaltemperaturen der Vergangenheit liegen.

Das trifft auch auf die Heißen Tage zu, also die Tage, an denen die Tagestemperatur über 30 Grad steigt. Und davon gab es 2024 erstmals 20 Stück. Noch vor 40 Jahren galten Tage mit Temperaturen über 30 Grad als absolute Ausnahme und erzeugten regelrechte Schlagzeilenfluten, in denen sich schwitzende Reporter über die ungewöhnliche Hitze ausließen.

Aber wenn es 20 solcher Tage gibt, dann reicht das nicht mehr für eine Schlagzeile. Dann ist das ein neues Normal. Auch wenn es kein Normal ist, sondern eine enorme Belastung für den Menschen, gar in einer Stadt, die sich in vielen versiegelten Bereichen großflächig aufheizt, wo dann noch deutlich höhere Temperaturen vor sich hinkochen.

Zum Vergleich: 2001 und 2002 gab es nur 6 bzw. 8 Tage mit Temperaturen über 30 Grad.

Eine weitere Zahl macht noch deutlicher, wie der Frosch langsam auf Temperatur gebracht wird: Die Tage mit Temperaturen über 25 Grad, die der normale Mensch schon als sehr warm empfindet, haben sich seit 2000 in Leipzig verdoppelt. Damals gab es noch 36 solcher warmen Tage (2001 dann 35), aber 2022 und 2023 waren es schon 72 solcher Tage. Das ist – auch gefühlt – dann schon ein sehr langer Sommer. 2024 waren es immer noch 68 Tage über 25 Grad.

Wolkenlose Himmel

Was auch mit einem Phänomen zu tun hat, das auf den ersten Blick eigentlich ein schönes ist: strahlend blauer Himmel. Also einem Himmel ohne Wolken. Dumm nur, dass Wolken nicht nur Schatten bedeuten, sondern auch die dringend benötigten Niederschläge für eine seit 2018 unter Dürre leidende Region. Aber auch 2024 gab es jede Menge blauen Himmel mit knallender Sonne.

Das historische Mittel der Leipziger Sonnenscheindauer lag bei 1.494 Stunden im Jahr. Schon 2000/2001 war die Zahl der Sonnenscheinstunden auf 1.500 bis 1.600 gestiegen. Aber 2023 waren es schon satte 1.814 Stunden, in denen die Sonne unverhüllt auf Leipzig niederschien, 2024 waren es dann sogar schon 1.985 wolkenfreie Sonnenstunden. Das ist zwar gut für die Ausbeute von Sonnenkollektoren – aber nicht für die Wasserversorgung der Flora und Fauna.

Mit 618 Millimeter Niederschlagshöhe gab es zwar rechnerisch genug Niederschläge. Das langjährige Mittel lag in Leipzig bei 511Millimeter. Nur kommt es bei den Niederschlägen immer auch auf den Zeitpunkt an. Wenn sie dann ausgerechnet in der Wuchsperiode fehlen, gibt es am Ende schlechte Ernten. Oder die Böden sind – wie in den letzten Jahren immer wieder erlebt – im Frühjahr schon viel zu trocken, weil die Winterniederschläge fehlten.

„Man kann sich dran gewöhnen“, sang zwar vor langer Zeit Schlagerstar Frank Schöbel. Aber damit meinte er weder Wetter noch Klima, die 1980, als die Single mit Schöbels Lied erschien, noch ziemlich gewöhnlich waren. Kaum zu ahnen, wie die Temperaturkurve in den nächsten Jahren sanft immer weiter ansteigen würde. Aber wer sagt dem Frosch, dass das sein Ende sein wird, wenn das so weitergeht?