Hamburg – Die Angst vor ihrem Ex-Freund muss so groß gewesen sein, dass sie keinen anderen Ausweg sah – als ihren eigenen Tod.
Ein Jahr nach dem tödlichen Balkonsturz einer 36-Jährigen im Stadtteil Eilbek hat das Landgericht Hamburg ein Urteil gefällt: Der Ex-Freund der Frau, Anouar B. (33), muss für sieben Jahre ins Gefängnis. Der Vorwurf: Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche Körperverletzung und versuchter Totschlag durch Unterlassen.
Der Angeklagte Anouar B. (33) sitzt im Mai mit seinem Anwalt Tim Burkert im Hamburger Strafjustizgebäude
Foto: David Hammersen/dpa
Eltern ringen um Fassung
Die Eltern der Toten reisten zu jedem einzelnen Verhandlungstag aus Dithmarschen nach Hamburg, so die Deutsche Presse-Agentur. Als Richterin Birgit Woitas das Urteil am Dienstag sprach, hielt sich das Paar im Zuschauerraum fest umklammert – für sie ein Moment voller Schmerz und Ohnmacht.
Der Angeklagte mit marokkanischer und libyscher Staatsangehörigkeit, zeigt während der Urteilsverkündung keine erkennbare Regung. Ein Gutachter bescheinigte ihm volle Schuldfähigkeit – trotz möglicher „alkoholbedingter Enthemmung“, wie die Richterin sagte: „Aber Sie waren noch in der Lage zu agieren.“
Aus dem 4. Stock dieses Mehrfamilienhauses in Hamburg stürzte die Frau in die Tiefe – aus Angst
Foto: Martin Brinckmann
Der Angeklagte und die 36-Jährige hatten sich im Frühjahr 2024 kennengelernt. Was als Beziehung begann, wurde zur emotionalen Achterbahnfahrt. Am 17. August 2024 soll es zu einem folgenschweren Streit gekommen sein.
Haare ausgerissen, Atemwege zugedrückt
Laut Gericht soll er grundlos gewalttätig geworden sein: Mit einem Brotmesser soll er seiner Ex in den Daumen geschnitten, ihr büschelweise Haare ausgerissen, den Kopf aufgeschlagen und ihr die Atemwege zugedrückt haben.
Kripo-Beamte sicherten die Spuren nach dem Todessturz
Foto: Martin Brinckmann
„Sie ließ sich vor Ihren Augen in den Hof fallen“, sagte Richterin Woitas in Richtung des Angeklagten. Die Frau geriet offenbar in Panik, sah keinen Ausweg – und sprang. Zeugen hörten die Frau kurz vor ihrem Tod sagen: „Mein Freund hat mich verprügelt, er wollte mich umbringen.“ Statt zu helfen, verließ Anouar B. (33) die Wohnung und flüchtete ins Ausland. Erst im November 2024 wurde er in Italien festgenommen und ausgeliefert.
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Seine Version: Sie habe ihn angegriffen, sei freiwillig gesprungen. Das Gericht glaubte ihm nicht. „Sie konnten nicht sicher sein, dass sie tot war“, betonte die Richterin. Dass er keine Hilfe rief, sei „besonders böse“.
Am Ende der Verhandlung richtet sich die Richterin an die Eltern: „Unser Mitgefühl gilt den Eltern. Wir sind in Gedanken bei Ihnen.“