Ob Arbeitslosigkeit, Schulden oder Trennung: Es gibt viele Wege in die Wohnungslosigkeit – aber nur einen heraus: bezahlbarer Wohnraum. „Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist eine sehr große Hürde für viele Menschen”, weiß Simon Näckel von der Wohnungsnotfallhilfe der Caritas in Stuttgart.

Gerade Menschen mit Schufa-Eintrag, psychischen Erkrankungen, Fluchterfahrung oder geringem Einkommen hätten auf dem überhitzten Wohnungsmarkt oft kaum eine Chance. Die Zahlen bestätigen diese Einschätzung.

So lag die durchschnittliche Nettokaltmiete in Stuttgart im ersten Quartal 2025 laut Immowelt-Mietpreisreport bei 14,71 Euro pro Quadratmeter – ein Plus von über fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Noch deutlicher zeigt sich die Entwicklung bei neu inserierten Wohnungen: Für diese wurden im Schnitt 16,79 Euro pro Quadratmeter verlangt.

„TürÖffner“ und „Housing First” helfen Menschen in Wohnungsnot

In Ludwigsburg sind die Mieten zuletzt deutlich stärker gestiegen als im Landesdurchschnitt. Nach Recherchen dieser Zeitung lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis im Dezember 2024 bei 13,66 Euro. Das entspricht einem Anstieg von 6,45 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

Doch es gibt Hoffnung – dank Projekten wie „TürÖffner” in Ludwigsburg und „Housing First” in Stuttgart. Diese setzen genau dort an, wo Menschen in Wohnungsnot an Grenzen stoßen.

Auch für Vermietende bietet „TürÖffner“ Sicherheit

Das Projekt „TürÖffner“ der Caritas Ludwigsburg richtet sich an Menschen, die auf dem freien Wohnungsmarkt nur geringe Chancen haben. Das Besondere an dem Projekt: „TürÖffner“ mietet Wohnungen von privaten Eigentümerinnen und Eigentümern selbst an und vermietet diese dann an Menschen in Wohnungsnot weiter. Die Mietverhältnisse sind zunächst auf drei Jahre befristet. Im besten Fall übernehmen die Vermietenden die Mieterin oder den Mieter danach unbefristet.

„Für die Vermieterinnen und Vermieter ist das ein sicheres Konzept“, sagt Sozialarbeiterin Roswitha Bodenhöfer, die bei „TürÖffner“ unter anderem für die Wohnungsakquise zuständig ist. Die Caritas übernimmt die volle Mietverantwortung, garantiert die Zahlung der Miete und steht sowohl Mietenden als auch Vermietenden beratend zur Seite – auch bei möglichen Konflikten im Haus.

Aktuell betreut das Projekt 106 Wohnungen in Ludwigsburg. Finanziert wird „TürÖffner“ überwiegend durch Kirchensteuermittel und Spenden sowie zeitweise durch Fördermittel des Sozialministeriums.

Vom Wohnheim ins eigene Zuhause: Familie Nourafkans Erfolgsgeschichte

Alle Mietverhältnisse werden begleitet: Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter besuchen die Haushalte regelmäßig, unterstützen bei Ämtern und helfen bei Alltagsfragen. Ein Prinzip, das für Sicherheit auf beiden Seiten sorgt. „Wir achten sehr darauf, dass es passt – bei der Wohnung, dem Umfeld und den Vermietern“, sagt Ellen Eichhorn-Wenz, Fachleitung bei „TürÖffner“.

Eine, die vom Projekt „TürÖffner“ profitierte, ist Farnoz Nourafkan. Die Iranerin lebte mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn jahrelang in einem Wohnheim in Ludwigsburg. „Küche, Toilette, Dusche – alles mussten wir mit vielen anderen Leuten teilen. Es gab keine Privatsphäre“, erzählt sie. Trotz zahlloser Bewerbungen fand sie keine Wohnung.

Dann kam der Kontakt zu „TürÖffner“. Über ein Formular registrierte sie sich bei dem Projekt und erhielt nach drei Jahren eine Zusage für eine Wohnung. „Ich erinnere mich, ich war beim Zahnarzt, als der Anruf kam“, sagt sie. Vor Freude habe sie sehr geweint. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie seit 2021 in ihrer jetzigen Wohnung und hat ein unbefristetes Mietverhältnis mit dem Eigentümer.

„Frau Nourafkan hat damit einen weiteren Schritt geschafft“, betont Ellen Eichhorn-Wenz von der Caritas. „Genau das ist unser Ziel: nachhaltige Mietverhältnisse zu schaffen – mit echter Perspektive.“

Vermieter mit Herz: Vermieten zu günstigen Konditionen

Eine, die das Projekt mit ganzem Herzen unterstützt, ist Silvia Keck. Die Raumausstatterin vermietet über „TürÖffner“. Sie selbst war nie in Wohnungsnot, weiß aber aus eigener Erfahrung, was passieren kann, wenn eine Mutter mit Kindern flüchten muss.

„Ich habe ehrenamtlich eine Notunterkunft eingerichtet und erlebt, wie schnell Menschen alles verlieren können“, sagt sie. Als ihre Mutter aufgrund ihres Alters aus dem Haus aus- und in eine betreute Wohnanlage einzog, war für Silvia Keck klar: Die frei gewordene Wohnung sollte an eine alleinerziehende Mutter vermietet werden. Über die Caritas fand sie eine passende Familie und vermietet seitdem unterhalb des Marktniveaus. „Ich denke, es ist immer ein Geben und Nehmen. Ich bin dankbar für mein Leben und wollte etwas zurückgeben“, sagt sie.

Ein Modell, das auch Frank Berauer in Stuttgart lebt. Er vermietet gezielt an Menschen mit Fluchterfahrung oder an alleinerziehende Mütter. „Wenn man sich auf Augenhöhe begegnet, funktioniert das wunderbar“, sagt er. Die Erfahrungen mit seinen Mietenden seien überwiegend positiv und die Mietenden blieben oft sehr lange oder zögen aus verschiedenen Gründen nur ungern aus.

„Housing First“: Direkte Hilfe ohne Umwege

Ein wenig anders als „TürÖffner“, aber mindestens ebenso effektiv ist „Housing First“. Das Projekt läuft seit 2022 in Stuttgart. Hier wird den Wohnungssuchenden direkt eine eigene Wohnung vermittelt – ohne dass ein zwischengeschaltetes Mietverhältnis über einen Träger erforderlich ist, und ohne Befristung.

Voraussetzungen für eine Bewerbung: Wohnungssuchende müssen volljährig sein, obdachlos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sein beziehungsweise ein Räumungsurteil vorlegen können und in Stuttgart wohnen. „Eine reine Kündigung reicht nicht aus“, erklärt Patricia Balija, Sozialarbeiterin bei „Housing First“. In einem persönlichen Gespräch wird dann geklärt, wer die Person ist und was „Housing First” bedeutet. Wichtig ist, dass die Person Anspruch auf Sozialleistungen hat, sei es vom Jobcenter, vom Sozialamt oder durch eigenes Einkommen – da garantiert werden muss, dass die Miete pünktlich an die Vermietenden gezahlt wird.

Echte Teilhabe und kein bloßer Platz zum Schlafen

„Wohnen ist ein Menschenrecht“, sagt Patricia Balija. Die Mietenden unterschreiben den Mietvertrag direkt mit dem Eigentümer, nicht mit „Housing First“. Das Ziel ist eine echte Teilhabe und kein bloßer Platz zum Schlafen.

Das Projekt wird zu 90 % von der Stadt Stuttgart finanziert und von mehreren Trägern der Wohnungslosenhilfe getragen, darunter Caritas, Evangelische Gesellschaft, Sozialberatung Stuttgart und Ambulante Hilfe. Kooperationspartner wie Vonovia, die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) oder der Bau- und Wohnungsverein stellen Wohnungen bereit, hinzu kommen private Vermietende.

„Bislang konnten 30 Wohnungen vermittelt werden. Die Akquise ist zwar mühsam, aber erfolgreich“, erklärt Patricia Balija.

„Ohne ‚Housing First‘ würde ich jetzt auf der Straße leben“

Markus B. (53) ist einer der Menschen, die mit Hilfe von „Housing First“ eine neue Wohnung gefunden haben. „Durch mein Erbe habe ich die Wohnung meiner Eltern verloren“, erzählt er von dem Verlust seiner alten Wohnung. Über seine Suchtberaterin kam er schließlich mit „Housing First“ in Kontakt und erhielt so die Chance auf einen Neuanfang.

Er ist dankbar für die Unterstützung, die ihm das Projekt bietet: „Ohne Housing First würde ich jetzt auf der Straße leben“, sagt Markus B.

Was fehlt, ist bezahlbarer Wohnraum – und politische Rückendeckung

So erfolgreich beide Projekte auch sind, sie stoßen an ihre Grenzen. „Es fehlt an Wohnungen, an Finanzierung und an politischer Unterstützung“, sagt Roswitha Bodenhöfer von der Caritas. Für sie wäre es wichtig, dass Kommunen ähnliche Projekte übernehmen: „Nur Wohnraum zu vermitteln, reicht nicht. Man muss die Menschen auch begleiten, damit Teilhabe und Integration gelingen.“

Eva-Maria Bolay, Pressesprecherin der Caritas, fordert gezielte Anreize, um Leerstand zu aktivieren: „Ein Bonus für Vermieter, wenn sie leerstehende Wohnungen vermieten, wäre ein Weg.“

Ellen Eichhorn-Wenz ergänzt: „Wenn Eigentümer, die sich eigentlich geschworen haben, nie wieder zu vermieten, ein gutes Angebot bekommen, sind sie wieder bereit, zu vermieten.“ Bauen sei extrem teuer: Die Caritas habe in der Region bereits über 7000 Quadratmeter Wohnraum akquiriert. Um diese Fläche zu bebauen, seien Investitionen in Millionenhöhe nötig. Bereits bestehenden Wohnraum zu akquirieren, koste hingegen einen Bruchteil. Sie fordert daher, „mehr in Menschen zu investieren – und nicht nur in Beton.“

Info: Sie möchten vermieten und gleichzeitig Menschen in Not helfen?

Sowohl „TürÖffner“ in Ludwigsburg als auch „Housing First“ in Stuttgart suchen kontinuierlich neue Wohnungen. Vermietende erhalten Unterstützung bei allen Fragen und werden im gesamten Prozess begleitet. Kontakt:

TürÖffner Ludwigsburg (Caritas), Eva-Maria Bolay: bolay@caritas-dicvrs.de

Housing First Stuttgart: info@housing-first-stuttgart.de

Sie können sich auch gern mit anderen sozialen Vermietenden vernetzen, beispielsweise mit Frank Berauer aus Stuttgart, der Gleichgesinnte sucht. Bei Interesse schicken Sie bitte eine E-Mail an guelay.alparslan@mhs.zgs.de