Aus der laufenden Untersuchung zum Absturz der Air-India-Maschine mit 260 Toten im Juni sind nun neue Details bekanntgeworden. Einem Bericht des „Wall Street Journals“ (WSJ) zufolge deutet eine Blackbox-Aufnahme vom Dialog zwischen den beiden Piloten des Flugs darauf hin, dass der Kapitän den Schalter betätigte, der die Treibstoffzufuhr zu den Triebwerken des Fliegers unterbrochen hat.
Die renommierte US-Zeitung beruft sich dabei auf Personen, US-Piloten und Sicherheitsexperten, die mit dem vorläufigen Bericht vertraut sind, den die indische Behörde für Flugunfall-Untersuchung vergangene Woche veröffentlicht hatte. Jennifer Homendy, die Vorsitzende des U.S. National Transportation Safety Board (NTSB), soll zudem vollen Einblick in die Details des Flugschreibers erhalten und sich auch die Cockpit-Aufnahme angehört haben.
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Den Quellen des „WSJ“ zufolge flog der Co-Pilot, auch erster Offizier genannt, die Boeing 787 Dreamliner. Er habe den erfahreneren Flugkapitän gefragt, warum dieser die Triebwerke nach dem Abheben von der Landebahn abgeschaltet habe. Zudem sei der Co-Pilot in Panik verfallen, während der Kapitän ruhig geblieben sein soll.
Bislang war nicht bekannt, welcher Pilot die Frage gestellt hatte. Außerdem war im indischen Bericht offen geblieben, ob der Schalter gezielt oder versehentlich umgelegt wurde. Darin hieß es zudem, der befragte Pilot habe verneint, den Kraftstoffschalter umgelegt zu haben.
Absturz kostete 260 Menschen das Leben
Dem Bericht zufolge waren beide Schalter innerhalb von einer Sekunde betätigt worden. Rund zehn Sekunden später wurden sie wieder eingeschaltet. Wird die Treibstoffzufuhr unterbrochen, liefern die Triebwerke keinen Schub mehr und das Flugzeug verliert an Höhe.
Die Maschine war bereits kurz nach dem Start in der Nähe des Flughafens von Ahmedabad mitten in einem Wohngebiet abgestürzt. Dort ging es in Flammen auf. Bei dem Absturz kamen alle 242 Menschen an Bord bis auf einen ums Leben. Zudem starben am Boden 19 weitere Menschen. Das Flugzeug war nach London unterwegs.
Ein Polizist geht an Gebäuden vorbei, die beim Absturz des Air India-Flugzeugs am 12. Juni in Ahmedabad beschädigt wurden.
© dpa/Ajit Solanki
Der vorläufige Bericht der indischen Behörde zieht keine Schlüsse dazu, was zum Absturz geführt haben könnte oder warum die Kraftstoffschalter ausgeschaltet wurden. Darin werden Konstruktionsmängel, Fehlfunktionen oder Wartungsprobleme nicht ausgeschlossen.
Einige Experten wiederum hatten nach der Veröffentlichung des vorläufigen Berichts einen vorsätzlichen Akt und Suizid für wahrscheinlich gehalten. Die Pilotengewerkschaft Cockpit hatte hingegen vor Spekulationen zur Absturzursache gewarnt.
Mehrere US-Beamte raten mit Blick auf die neuen Details nun laut „Wall Street Journal“ den indischen Fachleuten dazu, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. In den USA sei das Standard, sobald der Verdacht besteht, dass ein Flugzeugabsturz auf ein Verbrechen oder Sicherheitsversagen zurückzuführen sein könnte.
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Den Angaben der US-Zeitung nach war der 56-jährige Kapitän Sumeet S. ein Pilot mit mehr als 30 Jahren Erfahrung. Freunde und Nachbarn beschrieben ihn demnach als ruhigen, sanftmütigen und nie fluchenden Mann, der kein Alkohol trank und sich um seinen kranken Vater gekümmert habe.
Der erste Offizier Clive K., der die Maschine geflogen hat, war den Angaben zufolge Anfang 30 und habe sich darüber gefreut, einen so großen Flieger wie die Boeing 787 Dreamliner zu fliegen. Air India soll ihn 2022 entsprechend umgeschult haben, heißt es unter Berufung auf Freunde. (Tsp)